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Gaudi in SeelscheidWie ein kleiner Verein das größte Oktoberfest im Rhein-Sieg-Kreis organisiert

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Bier in Maßkrügen gehört auf dem Seelscheider Oktoberfest selbstverständlich dazu.

Bier in Maßkrügen gehört auf dem Seelscheider Oktoberfest selbstverständlich dazu.

Der kleine Männergesangverein Seelscheid stemmt das größte Oktoberfest in der Region. Einen Ableger brachten italienische Gäste zum Comer See.

Der Stimmung wabert durch den Saal, erfasst die Dirndl-Trägerinnen und Lederhosen-Träger, transportiert sie zu Bierständen mit den für im Rheinland außergewöhnlich großen Gläsern. Drei Tage lang feiert der Männergesangverein Seelscheid sein Oktoberfest am Sportplatz Breitscheid, zum 52. Mal schon.

Mittlerweile ist es die größte Gaudi im Rhein-Sieg-Kreis. Dabei ist der Chor nur ein kleiner Verein mit ein paar Dutzend Mitgliedern.

Rheinländer feiern eben gern: Größtes Oktoberfest in Rhein-Sieg findet in Seelscheid statt

„Wir haben am Festwochenende 120 Helferinnen und Helfer im Einsatz“, berichtet der 1. Vorsitzende Norbert Tondl stolz. „Freitag ist der Abend für die Jugend, Samstag das Fest für alle und Sonntag der Frühschoppen mit Blasmusik für Senioren und Schwangere, der Älteste im Saal war mal 99 Jahre“, schildert er. „Wir sind sehr stolz, dieses Fest machen zu können, es insbesondere nach Corona wieder so etablieren konnten.“ Drinnen füllt sich auf 1750 Quadratmetern langsam der Saal mit den mehreren tausend Gästen.

Ist die Bajuwarisierung des Rheinlands vielleicht mit dem Halloween-Trend zu vergleichen, das längst ein fester Termin im Feierkalender ist? „Nee, dafür machen wir es hier zu lang“, findet Tondl, der mal der Cannstatter Wasn in Stuttgart besucht hat, auch so eine Riesen-Gaudi. „Hier ist es familiärer. Der Rheinländer feiert eben gerne, man stellt sich dar wie beim Karneval: Vor zehn Jahren kamen die Leute noch in Jeans, dann kam die Jugend auf einmal in Dirndl und Lederhosen – jetzt machen das alle“, sagt er. „Man will sich präsentieren, weil das eine andere Art von Party ist, als man sie in der Disco kennt.“

Haxen, Brezn, Sauerkraut in der Küche am Festzelt

Tatsächlich fallen diejenigen, die ohne Tracht ins Festzelt gekommen sind, eher auf, so wenige sind es. Bunte Dirndl, die Schleifen je nach Beziehungsstatus links oder rechts getragen, die Hemden über den Lederhosen rot-weiß bis grün-weiß kariert, die Saaldekoration weiß-blau. In der Küche hat das Team ein kulinarisches Angebot geschaffen, das sich sehen lassen kann: Haxen, Brezn, Sauerkraut und Kartoffelpüree sorgen für eine deftige Grundlage beim Feiern – wenngleich die Gäste in den frühen Stunden des Abends eher zu Mettbrötchen greifen.

Haxen, Brezn und Sauerkraut gibt es beim Oktoberfest in Seelscheid zu essen.

Haxen und Brezn: Die Küche hat einiges aufgefahren.

„Das macht der Chor alles frisch, das Küchenteam ist bereits seit Tagen mit den Vorbereitungen beschäftigt. Das ist schon was Besonderes, bei anderen Oktoberfesten gibt es nur einen Pommeswagen – das kennt man so nicht“, sagt Tondl.

Was der MGV hier auffährt, beeindruckt nicht nur die einheimischen Gäste: „Vor über zehn Jahren hatten wir mal eine befreundete Gruppe aus der Lombardei in Italien zu Besuch. Die fanden das Oktoberfest so klasse, dass sie bei sich am Comer See auch eines organisiert haben. Anfangs haben wir das Kölsch noch da vorbeigebracht. Die Leute lieben Traditionen einfach“, meint Tondl.

Das Seelscheider Oktoberfest helfe dem Verein auch, Mitglieder an sich zu binden. „Viele Gesangvereine sterben langsam aus, weil der Nachwuchs fehlt. Zu uns kommen die Leute, weil wir eben auch andere Sachen machen: Unser neuestes Mitglied ist sechs Wochen dabei, der sagt, er hätte nie gedacht, dass wir sowas auf die Beine stellen – das bindet die Sänger“, sagt er. Drinnen beginnt die Band zu spielen. Die ersten Besucherinnen und Besucher wagen sich aus dem Pulk nach vorne – O' zapft is.