Schöffengericht BonnExhibitionist stellte sich vor WG-Fenster

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Bonn – Sie waren „total geschockt“, „vollkommen aufgelöst“ und „neben der Spur“. Vor dem Amtsgericht berichteten zwei Bewohnerinnen einer Beueler Studentinnen-WG am Mittwoch, was das mehrfache Auftauchen eines aufdringlichen Exhibitionisten im Sommer des vergangenen Jahres bei ihnen ausgelöst hat.

Der 25 Jahre alte Angeklagte, der ebenfalls in Beuel wohnte, musste sich gleich für mehrere exhibitionistische Handlungen, Hausfriedensbruch und Wohnungseinbruchdiebstahl vor dem Schöffengericht verantworten. Auch wenn es dem jungen Mann laut seinem Verteidiger Thomas Ohm aus Scham schwer fiel, über die Vorfälle zu reden, legte der Gelegenheitsarbeiter, der keine abgeschlossene Ausbildung hat, ein volles Geständnis ab.

Nach dem Konsum von Alkohol und Kokain habe er mehrfach auf dem Heimweg Ausschau nach erleuchteten Fenstern gehalten. „Es muss hundertprozentig mit den Drogen zusammen hängen. Ich verstehe es selber nicht“, so der 25-Jährige.

Ab Mitte Juni des vergangenen Jahres fiel der Exhibitionist immer wieder auf. Er stellte sich nicht nur spät abends vor die Fenster der WG und masturbierte: Im Juli wurde eine Studentin am frühen Morgen von Geräuschen geweckt. Die 24-Jährige schilderte im Zeugenstand, dass der Mann versuchte, das gekippte Fenster zu öffnen. Als sie ihn fotografierte rief er, dass er nichts machen werde – gleichzeitig manipulierte er vor ihren Augen an seinem Glied. Erst als sie die Polizei rief, schnappte er sich seine halbvolle Schnapsflasche und ergriff die Flucht.

Im ersten Moment, so die Zeugin, habe sie nur gedacht, sie müsse sich alles genau merken, damit sie der Polizei eine detaillierte Schilderung geben kann. Kurz darauf sei dann der Schock gekommen. In der darauffolgenden Zeit ging es ihr und den Mitbewohnerinnen, die vor Gericht zum Teil ebenfalls als Zeuginnen aussagten, ähnlich: Im Dunkeln beschlich sie ständig die Angst, dass wieder jemand vor den Fenstern stehen könnte. Zwei Betroffene sind sehr froh darüber, inzwischen in anderen Häusern zu wohnen – und zwar nicht mehr im Erdgeschoss. „Ich fühle mich sicherer“, so eine 21-Jährige.

Selbst die Verhängung einer 19-monatigen Bewährungsstrafe im August 2013 – unter anderem für einen Handtaschenraub – hielt den Exhibitionisten nicht von weiteren Taten ab. Unter anderem tauchte er nur drei Tage nach der Verurteilung im Garten eines Beueler Hauses auf.

Im Dezember stieg er in eine offene Wohnung ein und klaute ein Handy. Zudem kam es Mitte Januar zu zwei weiteren exhibitionistischen Handlungen – in einem Fall vor einem 14 Jahre alten Mädchen, das nicht vor Gericht aussagen musste.

Insgesamt muss der Exhibitionist nun – wie von Staatsanwältin Angela Wilhelm beantragt - für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Aus rechtlichen Gründen mussten zwei Einzelstrafen gebildet werden. Die 19-monatige Vorstrafe und die vor August begangenen Taten führten zu einer Einzelstrafe von 22 Monaten. Für den Rest bekam der Angeklagte ein Jahr aufgebrummt.

Schöffenrichter Dirk Hackler bezeichnete die hohe Rückfallgeschwindigkeit des 25-Jährigen als „unbegreiflich“: „Da fällt mir nichts mehr zu ein.“ Die „gelbe Karte“ der verhängten Bewährungsstrafe im August habe keinerlei Wirkung gezeigt. Er riet dem Exhibitionisten, sich dringend um eine Therapie zu kümmern.

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