Corona-PandemieGrundschulen im Rhein-Sieg-Kreis hissen weiße Flaggen

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Weiße Flagge an der Grundschule Windeck-Obernau 

Rhein-Sieg-Kreis – „Das ist eine Politik der Durchseuchung, auch wenn das niemand so sagt. Man hat die Kontrolle verloren.“ Die Leiterin einer Grundschule an der Sieg bringt auf den Punkt, was auch aus anderen Schulen zu hören ist. Eine Woche nach der Umstellung der Pooltests sind einzelne Klassen verwaist, weil die Infektionen um sich greifen: „Da sitzen noch zwei Kinder.“ Gleichzeitig sind Lehrer und Sekretariate am Limit und hissen weiße Flaggen.

Namentlich wollen sich die Schulleitungen nicht zum Thema äußern. Ihnen drohen beamtenrechtliche Konsequenzen, wenn sie Kritik üben. Von der Schulbehörde wurden sie auf ihre Loyalitätspflicht hingewiesen.

Frust und Ärger durch Wechsel im Testverfahren

Der Grund für Frust und Ärger ist vor allem der schnelle Wechsel bei den Testverfahren. Bis zum Jahresende wurde in Gruppen, Pools, getestet. Bei einem positiven Ergebnis wurden die Eltern informiert, die Kinder blieben zu Hause, bis ein Negativ-Test vorlag.

Nach den Ferien wurde parallel zum Pooltest in der Schule ein zweiter individueller Test genommen, der bei Bedarf sofort im Labor untersucht werden konnte. Infizierte Kinder blieben dann am nächsten Tag sofort zu Hause.

Information aus dem Schulministerium kam abends nach 22 Uhr 

Abends um 22.13 Uhr, wie mehrere Schulleiter bestätigen, sei vergangene Woche von Staatssekretär Mathias Richter aus dem Kultusministerium die Anweisung gekommen, ab dem nächsten Morgen in der Schule nur noch Pooltests zu machen. Bei positivem Ergebnis solle bei den betroffenen Kindern erst am nächsten Tag individuell ein Schnelltest gemacht werden. Falle der erneut positiv aus, solle das Kind in einem separaten Raum warten, bis die Eltern es abholten.

Eine Schulleiterin findet deutliche Worte: „Eine Katastrophe, es ist unfassbar“, kommentiert sie die Umstände der Änderungen im Testverfahren, die „holterdiepolter“ vom Land verfügt worden seien, umzusetzen binnen weniger Stunden. Teilweise habe Testmaterial gefehlt.

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Generell dürften Lehrer nicht testen, sondern nur die Selbsttests der Kinder beaufsichtigen. Schutzkleidung gebe es nicht, „wir stehen hier in Alltagskleidung“. Auch Räume, um die Kinder zu separieren, fehlten. Weil Personal fehle, müssten Erstklässler nach den Tests allein im Flur warten. „Sie können sich vorstellen, was das mit einem Kind macht“, sagt eine Schulleiterin.

Scharfe Kritik fürs Ministerium, Lob für die Kommunen

Völlig überlastet mit der Bürokratie seien auch die Sekretariate. „Ohne Sinn und Verstand“, urteilt eine Pädagogin. Vor allem auf dem Land, wo die Kinder in ganzen Gruppen mit dem Bus zur Schule kämen, sei der jetzt gefundene Weg nicht zu verantworten. Die Probleme seien dem Ministerium und auch den Eltern mitgeteilt worden.

Bei aller Kritik gibt es aber auch Lob, allerdings für die Kommunen. So kümmere sich die Hennefer Stadtverwaltung um die neuen Probleme, indem sie Personal eines Testzentrums für Nachtestungen an die Grundschulen vermittelt habe.

„Wir haben das Gefühl, dass der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt“, bewertet Anne Wieland von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Siegburg die Situation. „Die haben Lehrer und Kinder aus dem Blick verloren.“

Schulleitungen seien 24 Stunden an sieben Tagen der Woche gefordert. Nahezu jede E-Mail aus Düsseldorf ende mit Dankesworten. „Aber die Zeit des Dankens ist vorbei. Wir brauchen Maßnahmen, damit die Kolleginnen und Kollegen planen können.“ Die GEW hatte die Aktion mit den weißen Flaggen als Zeichen der drohenden Kapitulation ins Leben gerufen.

Eine angekündigte Stellungnahme des Düsseldorfer Schulministeriums zu den Pooltests traf bis zum Redaktionsschluss am Donnerstag nicht ein.

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