Enge VerzahnungSo arbeiten lokale Rettungsdienste in Europa zusammen

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Nach Erfahrungen mit Wald- und Vegetationsbränden wird über leichtere Schutzkleidung nachgedacht.

Nach Erfahrungen mit Wald- und Vegetationsbränden wird über leichtere Schutzkleidung nachgedacht.

  • Feuerwehr, Rettungsdienst, Hilfswerk – Rettungsorganisationen arbeiten lokal, sind aber international verzahnt.
  • Wir zeigen am Beispiel Rhein-Sieg, wie europäische Zusammenarbeit bei Alltagshelden funktioniert.

Rhein-Sieg-Kreis – EU-Normen und Zusammenarbeit innerhalb Europas ist für Rettungsdienst, Feuerwehren und das Technische Hilfswerk seit vielen Jahren Alltag. Wo genau Europa in ihre Arbeit hineinspielt, haben wir abgefragt.

Feuerwehr

Der Deutsche Feuerwehr-Verband hat im vergangenen Jahr ein ständig besetztes Büro in Brüssel eingerichtet. „Das halte ich für gut und richtig“, sagt Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg. Denn bei den technischen Ausstattungen basiert fast alles auf europäischen Normen. Und da wollen die deutschen Einsatzkräfte ihren sicherlich nicht geringen Einfluss geltend machen. Gleichwohl haben sich Haltungen verändert.

„Die deutschen Feuerwehren sind offener geworden für Einflüsse aus anderen Ländern“, sieht Engstenberg positive Entwicklungen. Früher hätten sie sich oftmals als die einzig wahren Erfinder der Brandbekämpfung gesehen. Die Anregungen aus Europa nehmen konkrete Gestalt an. So denken mehrere Wehren darüber nach, leichtere Schutzausrüstungen anzuschaffen.

Europaweit gleich ausgestattet sind die Rettungswagen und Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr.

Europaweit gleich ausgestattet sind die Rettungswagen und Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr.

Diese kommen aus Südeuropa, wo die Wehrleute weit mehr Erfahrungen mit Wald- und Vegetationsbränden bei hohen Temperaturen haben. Ein Grund dafür war sicherlich der Großbrand an der ICE-Strecke in Siegburg-Brückberg, wo die immense Hitze den Einsatzkräften zu schaffen machte. Dabei gibt es außer dem dicken Brandschutzmantel noch Jacken mit niedrigeren Schutzklassen, die für solche Einsätze weit besser geeignet sind. „Das Thema wird uns angesichts des Klimawandels begleiten“, sagt der Kreisbrandmeister.

Aus Schweden kommt das Schneidlöschsystem Cobra. Bei dem Verfahren wird Wasser mit 300 bar Druck durch eine Lanze geschossen. Mit Eisenoxid als Reibemittel kann damit Holz, Stein und Beton durchbohrt werden. Durch den Hochdruck verteilt sich das Wasser in etwa sieben Meter Entfernung in feinste Tröpfchen, das erhöht die Energieaufnahmefähigkeit.

Insbesondere bei schwer zugänglichen Brandherden, etwa unter der Dachhaut, hat sich das Prinzip schon bewährt. In Ratingen ist es bereits fest auf einem Fahrzeug eingebaut, auch im Kreis haben Wehren schon Interesse angemeldet. Einziger Haken für Feuerwehren aus Kommunen mit klammen Kassen: Das System kostet rund 30 000 Euro.

„Ohne Europa geht es nicht“, resümiert Engstenberg. Auf der kameradschaftlichen Ebene läuft das eh schon längst. So unterhält der Siegburger Wehrleiter Thomas Glatz gute Kontakte mit englischen Feuerwehrleuten, aus Sankt Augustin sind ausrangierte Fahrzeuge schon vor Jahren nach Griechenland gebracht worden.

Rettungsdienst

„Europaweite Normen spielen im Rettungsdienst eine große Rolle“, berichtet Christian Diepenseifen, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Rhein-Sieg-Kreis. Die Ausstattung von Kranken- und Rettungswagen etwa basiert auf einem Leitfaden, der in den Ländern nach ihrem Bedarf angeglichen wird. Auf einem Grundstandard seien demnach alle Fahrzeuge europaweit gleich ausgestattet. Anders sieht es bei Notarzteinsatzfahrzeugen aus.

Die Institutionen

Der Brandschutz wird im Kreis fast durchweg von freiwilligen Feuerwehren sichergestellt. Lediglich zwei Städte – Siegburg und Troisdorf – haben eine hauptamtliche Wache. Dazu kommen zwei Werkfeuerwehren sowie in verschiedenen Städten und Gemeinden Tagesalarme.

In den 109 Löscheinheiten der 19 Kommunen gibt es rund aktive 3600 Feuerwehrleute. Bei den Jugendfeuerwehren sind etwa 1000 Jungen und Mädchen engagiert.

Der Rettungsdienst wird vom Kreis, fünf Städte und den drei Hilfsorganisationen Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Johanniter Unfallhilfe (JUH) sowie dem Malteser-Hilfsdienst (MHD) betrieben. In den 17 Rettungswachen im gesamten Kreisgebiet gibt es 418 Vollzeitstellen.

Derzeit arbeiten dort rund 550 Menschen hauptamtlich. Von sieben Standorten aus fahren Notärztezu ihren Einsätzen, fünf rechts- und zwei linksrheinisch.

Das Technische Hilfswerk (THW) ist mit drei Ortsverbänden im Rhein-Sieg-Kreis vwertreten: Siegburg, Bornheim und Bad Honnef. Das THW ist die Katastrophenschutz- und Einsatzorganisation des Bundes.

Allein in Siegburg gibt es zwei gibt es zwei technische Einheiten mit insgesamt elf Kraftfahrzeuge, sechs Anhängern sowie einem Radladert. Diese Fahrzeuge sind bestückt mit Geräten, die auf die speziellen Aufgaben der Einheiten ausgerichtet sind.

Denn im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern hat Deutschland ein flächendeckendes Notarzt-System. „Da haben wir einen hohen Qualitätsstandard. Das ist europaweit eine Besonderheit. Wir haben hier im Kreis bei den Eintrefffristen anständige Werte“, erläutert Diepenseifen. Die Regel für Nordrhein-Westfalen ist, dass in Städten das erste Einsatzmittel nach acht Minuten, auf dem Land nach zwölf Minuten ankommen muss.

In den Niederlanden etwa gibt es ein Paramedic-System, wo nichtärztliches Rettungsfachpersonal die Erstversorgung übernimmt, jedoch von Ärzten überwacht wird. Einige wenige Notärzte werden mit Hubschraubern transportiert. In Großbritannien und der Schweiz sieht es ähnlich aus, dort gibt es weit weniger Notärzte, auf der Insel ist die Versorgung nicht flächendeckend.

Bei der Wiederbelebung nach Kreislaufstillständen durch Ersthelfer sind die Deutschen aber nicht so weit vorn wie ihre europäischen Nachbarn. In etwa 42 Prozent der Notfälle haben 2017 Ersthelfer, Zeugen und meist Laien, die ersten lebensrettenden Maßnahmen eingeleitet. Gerade die ersten Sekunden und Minuten sind entscheidend. 2018 ist die Quote leicht auf knapp 40 Prozent gesunken, lag aber 2012 noch unter 20 Prozent. Im Vergleich dazu liegen Tschechien, Norwegen und die Niederlande bei Werten zwischen 60 und 70 Prozent. Der Kreis schreibt die bekannten Wiederbelebungen in das Deutsche Reanimationsregister. Mit diesen Daten wird EU-weit gearbeitet.

Technisches Hilfswerk

Das Technische Hilfswerk (THW) ist eine der wichtigen Organisationen für den Bevölkerungsschutz auf europäischer Ebene. Sascha Brennig, stellvertretender Ortsbeauftragter des Ortsverbandes Siegburg, ist nahe dran. Nach mehreren Lehrgängen ist er EU-Experte für Koordinierung und Logistik. Außerdem gehört er zu den Prüfern, die Helfern Zertifikate ausstellen. Bei der größten medizinischen Übung im Rahmen der Europäischen Union in Budapest war er vor kurzem noch aktiv. Sein Siegburger Kollege Ralf Beyer ist ein europaweit gefragter Experte von Hochwasser und Starkregenereignissen.

Das THW stellt der EU-Kommission mehrere Einheiten bereit, die bei Katastrophen in Europa zu den Hilfeleistungsmechanismen gehören. Die Organisation, eine Bundesbehörde, beteiligt sich zudem an multinationalen Projekten, die von der EU finanziert werden. Als Beispiel nennt Brennig das Thema Massenunterbringungen. Besonders hebt er „capacity building“ hervor, die Unterstützung beim Aufbau des Katastrophenschutzes in neuen Mitgliedsstaaten oder bei Bewerbern.

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