Tiere in Hennef und Lindlar gerissenTotes Kalb soll Opfer eines Wolfs sein

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Totes Kalb Wolf

Wolfsberater Marc Redemann schaut sich das tote Kalb an.

  • In Hennef soll ein Wolf ein Kalb kurz nach dessen Geburt getötet haben.
  • Kurz zuvor verlor schon ein Sövener Schäfer eines seiner Tiere. Auch er vermutet einen Wolfsangriff.
  • Ein Experte nahm DNA-Proben. Stehen die Fälle in Verbindung mit mehreren verletzten Schafen in Lindlar?

Hennef/Lindlar – Bauer Bernd Schmitz steht auf seiner Kuhweide in Hennef-Knippgierscheid und starrt auf die Spuren im Schlamm. Hufabdrücke seiner Kühe sind zu sehen, aber er sucht die von Pfoten. Nur ein Stückchen neben ihm, hinter dem Elektrozaun, liegt ein totes Kalb, Bauch und Hinterbeine aufgerissen und weggefressen. Gleich nach der Geburt muss es passiert sein, ob das Kälbchen noch lebte oder tot geboren wurde, weiß er nicht. „Aber es ist ja offenbar weggezogen worden, unter dem Zaun durch und weg von den Kühen; das macht doch nur ein Wolf“, sagt Schmitz.

Erst nach mehreren Anrufen kam ein Wolfsberater

Am Abend, nachdem er das tote Tier auf der Wiese fand, benachrichtigte er das zuständige Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (Lanuv). Doch erst nach mehreren weiteren Anrufen sei am darauffolgenden Mittag der zuständige Wolfsberater Marc Redemann aus Königswinter zu ihm geschickt worden, berichtet der Milchviehhalter verärgert.

Wolfsberater Marc Redemann war auf die Hennefer Weide gekommen, um die Überreste des toten Kalbs zu untersuchen.

Wolfsberater Marc Redemann war auf die Hennefer Weide gekommen, um die Überreste des toten Kalbs zu untersuchen.

Sein Kalb hat er mit einer Plane abgedeckt, damit mögliche DNA-Spuren eines Wolfes nicht aufgeweicht werden. „Ich will wissen, wer hier gefressen hat“, sagt Schmitz. Es gehe ihm nicht um die Entschädigung, sondern um die Gewissheit, ob ein Wolf in Hennef und im östlichen Kreisgebiet unterwegs ist. Denn das bedeute für ihn und andere Nutztierhalter, dass sie ihre Tiere schützen müssten. „Ich bin Biobauer, meine Kühe sind draußen auf den Weiden.“

Sövener Schäfer verlor kurz zuvor ein Tier

Im strömenden Regen stehen Schmitz und der Wolfsberater nun vor dem toten schwarz-weißen Kälbchen, auch der Sövener Schäfer Simon Darscheid ist dazugekommen. Er verlor erst vor kurzem ein Schaf und vermutet einen Wolfsangriff, das Resultat der eingeschickten Probe von seinem Tier steht noch aus. Als Bezirksvorsitzender des Schafzuchtverbandes NRW hält er Kontakt mit betroffenen Tierhaltern.

Vier Verdachtsfälle auf Kreisgebiet

Seit Anfang November sind dem Lanuv vier Fälle möglicher Wolfsrisse aus dem Rhein-Sieg-Kreis gemeldet worden. Zwei Schafe wurden in Much getötet, eins in Hennef und eins in Lohmar. Das Ergebnis der Proben steht noch aus. Wird ein Wolf bestätigt, nimmt das Labor eine Individualisierung vor. „Dann wissen wir, ob ein Wolf sich länger in einem Gebiet aufhält oder nur durchwandert“, so Lanuv-Pressesprecherin Birgit Kaiser de Garcia. Diese Erkenntnisse sind notwendig, um entsprechende Wolfsgebiete auszuweisen, in denen Schutzmaßnahmen wie Spezialzäune zu hundert Prozent vom Land gefördert werden. Im April waren Windeck und Oberberg zur Pufferzone erklärt worden. (seb)

www.wolf.nrw

So war er im August in Much, bei einem inzwischen bestätigten Riss eines Mutterschafes durch einen Wolf. In dem Fall konnte Redemann allein durch die Verletzung am Hals des Tieres mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Würgebiss eines Wolfes schließen.

Anders jedoch bei dem Kälbchen. Redemann tastet mit desinfizierten Händen das Genick ab und findet nichts. Ein Loch im Fell in Schulterhöhe könnte von einem Zahn stammen, aber ein Gegenbiss ist nicht zu erkennen. Mit einem Wattestäbchen fährt der Wolfsexperte die zerfressenen Rippen ab und die blanken Knochen der Hinterbeine.

Von welchem Tier stammt die DNA?

DNA ist sicher zu finden, aber von welchem Tier bleibt die Frage. Wölfe, so sagt er, seien Spezialisten, die das Muskelfleisch in den Hinterläufen fräßen. „Füchse und Wildschweine fressen eher die Innereien und sind stark genug, auch Rippen zu knacken.“ Ob ein Wolf auf seiner Wiese gewesen ist, wird Bernd Schmitz erst in ein paar Wochen wissen, wenn das Labor, das Senckenberg-Institut in Gelnhausen, die Proben untersucht hat.

Mit einem Wattestäbchen entnahm Redemann DNA-Proben, die belegen werden, ob die Bissspuren von einem Wolf stammen.

Mit einem Wattestäbchen entnahm Redemann DNA-Proben, die belegen werden, ob die Bissspuren von einem Wolf stammen.

Auch Hobby-Schafshalter Christian Förster aus dem oberbergischen Lindlar muss mit der Ungewissheit leben. Am Dienstagabend wurde seine Herde auf der Weide bei Quabach angegriffen. Acht Tiere wurden verletzt, zwei davon so schwer, dass sie notgeschlachtet werden mussten. Förster vermutet, dass ein Wolf die Tiere gerissen hat. Zumal erst vor wenigen Tagen in Engelskirchen ein Wolf nachgewiesen wurde.

Drei Schafe aus der Herde fehlen noch

„Es war gegen 21 Uhr, als plötzlich ein Trupp von 15 Tieren vor dem Hof stand. Eigentlich sollten sie alle auf der Weide sein, und zwar hinter dem Zaun.“ Mit einer Taschenlampe ging er zur Weide und fand die ersten verletzten Tiere. Die Schafe wurden am Hals oder an der Keule attackiert, einige bluteten heftig. Der 41-Jährige holte alle Tiere von der Weide in den Stall, „und da bleiben sie vorerst drin“. Drei Tiere aus seiner 80-köpfigen Herde fehlen noch, „die stecken vermutlich irgendwo im Wald.

Der Lindlarer Schäfer Christian Förster will seine überlebenden Schafe vorerst im Stall lassen und diesen zusätzlich sichern.

Der Lindlarer Schäfer Christian Förster will seine überlebenden Schafe vorerst im Stall lassen und diesen zusätzlich sichern.

Der Angriff auf seine Tiere hat den 41-Jährigen mitgenommen. Er ärgert sich über die Politik, die den Wolf in NRW haben wolle. „Man fühlt sich allein gelassen.“ Simon Darscheid sah sich die verletzten und toten Tiere an: „Ich wüsste nicht, was außer einem Wolf dafür als Verursacher in Frage kommt, zumal die Wunden typisch für Wolfsattacken sind“, sagt er.

„Können nicht emotional entscheiden“

Auch der Bezirksvorsitzende des Schafzuchtverbandes kritisiert die Politik. „Die sollten sich langsam mal daran machen, ihre Gesetze zu ändern. Mir ist es egal, ob der Wolf in NRW durch die Wälder streift. Aber die Wölfe sollen sich nicht auf unseren Weiden austoben.“

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Sie könne die Reaktionen zwar verstehen, sagt Lanuv-Sprecherin Birgit Kaiser de Garcia, „aber als Landesbehörde können wir nicht emotional entscheiden“. Alles müsse gründlich untersucht und dokumentiert werden. „Das Senckenberg-Institut wertet Proben für ganz Deutschland aus. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen wenig Fälle, im Vergleich zu Brandenburg.“

Dass Wölfe vermehrt nach NRW kämen, belegten Sichtungen und die bestätigten Nutztierrisse. Auch Wolfsberater Redemann sieht das so: „Das geht hier erst noch los.“

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