Zum ErntedankEin Bild aus Millionen Früchten

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33 Quadratmeter groß ist der Erntedank-Teppich, der in der Pfarrkirche St. Simon und Judas besichtigt werden kann.

33 Quadratmeter groß ist der Erntedank-Teppich, der in der Pfarrkirche St. Simon und Judas besichtigt werden kann.

Hennef – Feine Nasen nehmen die Kräuter wahr. Wer dieser Tage die Hennefer Pfarrkirche St. Simon und Judas betritt, sieht nach einigen Schritten auch, woher der Duft kommt. Dann allerdings übertrumpft der optische Reiz alles. Die Augen verlieren sich in einem imposanten „Gemälde“, das farbenprächtig den Raum vor den Stufen zum Altar ausfüllt.

Das nächste Erstaunen folgt beim Betrachten aus der Nähe: Der sogenannte Erntedank-Teppich besteht aus Millionen von Getreidekörnern, Samen, getrockneten Blüten, Blättern und Hülsenfrüchten.

Mit Akribie wurden die Konturen mit Körnern ausgestreut. Beate Hagen gehört zum 18-köpfigen Freiwilligenteam. Pfarrer Hans-Josef Lahr hatte die Idee.

Mit Akribie wurden die Konturen mit Körnern ausgestreut. Beate Hagen gehört zum 18-köpfigen Freiwilligenteam. Pfarrer Hans-Josef Lahr hatte die Idee.

Zum vierten Mal haben geschickte Hände in der Kirche ein solches Werk geschaffen. Voriges Jahr war es eine Abendmahl-Szene. Jetzt ist „Jesus heilt die Kranken“ das Bildmotiv, dessen Auswahl selbstredend von der Corona-Pandemie inspiriert wurde und das den Betrachtern Zuversicht stiften soll. Wer das Original gemalt hat und wo es sich heute befindet, konnte Pfarrer Hans-Josef Lahr nicht herausfinden. „Er ist das Herz der Sache“, sagt Arlette Kriebs-Reinders über Lahr. Der Geistliche hatte die Idee nämlich schon lange im Gepäck, als er 2009 nach Hennef kam.

Premiere 2017

„Als ich Ende der 90er im Studium war, habe ich in einer Zeitung ein Körner-Mosaik gesehen“, erzählt der heute 49-Jährige. Er archivierte den Artikel, und als der ihm wieder in die Hände fiel, fragte er die Gemeindemitglieder, die bei der Gestaltung der Fronleichnam-Blumenbilder mitmachen: „Könnt ihr euch auch so etwas vorstellen?“

2017 wurde der erste Erntedank-Teppich in St. Simon und Judas gelegt, damals noch nicht so groß, dass Kirchenbänke – wie jetzt – beiseite gerückt werden mussten. Diesmal misst die Nachbildung eines Kalenderblattes fünf mal 6,60 Meter. „Es wird sogar gemunkelt, dass es für das Guinness-Buch der Rekorde reicht“, berichtet Kriebs-Reinders. Was die Erschaffer aber schon wegen der damit verbundenen Kosten nicht anstreben. 18 Freiwillige – von einer zwölfjährigen Schülerin bis zur 75-jährigen Seniorin – gingen zu Werke.

Mit Akribie wurden die Konturen mit Körnern ausgestreut. Beate Hagen gehört zum 18-köpfigen Freiwilligenteam. Pfarrer Hans-Josef Lahr hatte die Idee.

Mit Akribie wurden die Konturen mit Körnern ausgestreut. Beate Hagen gehört zum 18-köpfigen Freiwilligenteam. Pfarrer Hans-Josef Lahr hatte die Idee.

Zunächst wurde das Bild von einem Grafiker vergrößert auf Folie gedruckt und in 15 Rechtecke zerlegt. Danach wurden die Konturen der Figuren, Gewänder, Gebäude und anderen Gegenstände mit einem dicken Stift nachgezeichnet. Diese Linien wurden wiederum mit Holzleim nachgezogen und darauf schwarze Rapskörner geklebt. Anfang September brachte das Team die ersten der 15 Platten in die Kirche. Von oben nach unten arbeitete man sich vor.

Verschiedenste Materialien

Mit höchster Akkuratesse streuten die Helferinnen und Helfer die Umrisse aus. Reiskörner verschiedener Sorten, andere Getreide wie Hafer und Roggen, Buchweizen, Lavendel, Kornblumen, Schmucklilien-Blüten aus Pfarrer Lahrs Garten, grüne Linsen, Oregano und Thymian kamen zum Einsatz, um nur einige der Materialien zu nennen.

Mit Akribie wurden die Konturen mit Körnern ausgestreut. Beate Hagen gehört zum 18-köpfigen Freiwilligenteam. Pfarrer Hans-Josef Lahr hatte die Idee.

Mit Akribie wurden die Konturen mit Körnern ausgestreut. Beate Hagen gehört zum 18-köpfigen Freiwilligenteam. Pfarrer Hans-Josef Lahr hatte die Idee.

„Da sind unsere Damen und Herren sehr erfinderisch“, berichtet Lahr. Für das rote Gewand des Heilands etwa wurden getrocknete Erdbeeren zerkleinert, für die Hautpartien gemahlene Silberhirse. So zählten neben Löffeln, Pinzetten und Mini-Löffelchen aus einem Labor auch eine Küchenmaschine und eine alte Kaffeemühle mit Kurbel zum Werkzeug.

Mit dem Teelöffel wurden die Blüten und Samen auf der Vorlage verteilt, zum Teil in nur hauchzarten Linien.

Mit dem Teelöffel wurden die Blüten und Samen auf der Vorlage verteilt, zum Teil in nur hauchzarten Linien.

„Das ist wie eine Sucht“, beschreibt Lydia Jacobs die wochenlange Arbeit an dem Erntedank-Teppich. „Das hatte auch etwas Meditatives“, ergänzt Kriebs-Reinders. Durch unterschiedliche Körnungen erzielte das kreative Team 3D-Effekte. Die Wolldecke einer Siechen etwa wirkt richtig flauschig, und Säulen erscheinen rund. Auch Schattierungen auf Körperteilen und Kleidungsstücken bekamen die „Teppichknüpfer“ prima hin. Wenn ihnen etwas nicht gefiel, wurde es neu gemacht. So dauerte die Legung eines Gesichts schon mal mehr als drei Stunden – bis der Ausdruck genau dem im Originalbild entsprach.

385 Stunden Arbeit

Bis zum 26. November bleibt das mit Maiskörnern, braunen Bohnen und einer Girlande gerahmte Mosaik noch liegen. Dann beginnt für das Team das große Aufräumen. Mit Handstaubsaugern werden alle Körner und Blüten sorgfältig aufgenommen, sortiert, in luftdichte Dosen verpackt und vor Licht geschützt in einem Schrank aufbewahrt. Als „Pfair“-Gemeinde will man verantwortungsbewusst mit den Materialien umgehen und sie in den nächsten Jahren wieder verwenden.

Dieses Jahr war das Auslegen wegen des gebotenen Abstandhaltens eine besondere Herausforderung. Zu den Corona-Auflagen gehörte, dass Pfarrer Lahr dokumentierte, wer wann mit Hand anlegte. So kann er genau sagen, wie lange am Erntedank-Teppich gearbeitet wurde: 385 Stunden.

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