Klangfabrik, RheinsubstanzDiese Discos gab es mal in Rhein-Sieg – zwischen Tanz und Kriminalität

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DJ Horst Blum in der Siegburger Disco „Pastiche“ im Jahr 1971 am DJ-Pult

DJ Horst Blum in der Siegburger Disco „Pastiche“ (später „Steffi“ und „Klangfabrik“) im Jahr 1971.

Das Nachtleben im Rhein-Sieg-Kreis war nicht nur von ausgelassenen Feierlichkeiten, sondern auch von Gewalt und Kriminalität geprägt.

Die Kölner feierten früher im „Café de Paris“ oder im „Pimpernel“, die Discotheken in Rhein-Erft hießen „Club E“ und „Haus Herzog“ und im Leverkusener „Bermudadreieck“ wurde die Nacht schnell zum Tag.

Auch das Nachtleben im Rhein-Sieg-Kreis hatte eine Menge zu bieten. Allerdings nicht nur Schönes. Wir werfen einen nostalgischen Blick auf ehemalige Discos in Siegburg, Bad Honnef, Königswinter, Hennef und Troisdorf.

Klangfabrik (ehem. Steffi und Pastiche): 40 Jahre Disco-Geschichte in Siegburg

„Nach fast 40 Jahren gibt es in Siegburg keine Großraumdisco mehr.“ Als der Rhein-Sieg-Anzeiger diese Nachricht mitsamt Bildergalerie auf Facebook postete, löste dies eine Flut wehmütiger Kommentare aus. Ehemalige Besucherinnen und Besucher erinnerten sich der Discothek „Klangfabrik“ in Siegburg, die zuvor als „Siegburger Steffi“ und noch davor als „Pastiche“ über den Kreis hinaus bekannt war.

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Ein Blick auf die Tanzfläche (ohne Menschen) in der ehemaligen Siegburger Diskothek Klangfabrik.

Die Siegburger Diskothek „Klangfabrik“ schloss in 2023 für immer ihre Pforten.

Nach einem Messerangriff Ende Juli 2023 beschloss Betreiber Pascal Frangenberg, den Betrieb aufzugeben. Die 40 Jahre zuvor hatten es in sich. Es begann mit dem Pastiche, das Gerd Pacht 1983 eröffnete: Viele haben dort ihre heutigen Partner und Partnerinnen kennengelernt und noch die Kassetten der DJs gekauft – mitsamt Originaldurchsagen der DJs –, bevor man im Bistro essen und durch die Nebelmaschine die Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte.

Die bunt beleuchtete Theke im Inneren der geschlossenen Discothek Klangfabrik in Siegburg.

Gleich mehrere Theken fand man in der Siegburger Kult-Discothek.

Nicht nur, dass man bereits als 15-Jähriger am Sonntagnachmittag von 16 bis 18 Uhr in die Jugenddisco durfte, auch werden sich viele noch an DJ Rudi, der im „Klangfabrik“-Vorgänger „Steffi“ die Musik auflegte, erinnern. An mehreren Theken wurde ausgeschenkt, auf einem Podest agierten Tänzerinnen. Bis DJ Rudi um 5 Uhr morgens „Wer hat an der Uhr gedreht“ spielte, was die Gäste zum Gehen verleiten sollte.

Blick ins Innere der Siegburger Diskothek Klangfabrik, hier die VIP-Lounge. Rote Lampenschirme finden sich vor einer Bar.

Blick ins Innere der Siegburger Diskothek Klangfabrik, hier die VIP-Lounge.

Für Pastiche-Gründer und -Inhaber Gerd Pacht soll Siegburg nicht die einzige Disco-Haltestelle in Rhein-Sieg gewesen sein. Er wird nicht den zwischenzeitlich existierenden Shuttle-Service vom Steffi zum Castello genutzt haben, es ging für ihn aber an denselben Zielort.

Dancedom (ehem. Castello und Hennefer Steffi): Tanzen und Waffen in Siegburg

Mit neuem Sicherheitskonzept und Design startete Ende 2007 der „Dancedom“ an der Reutherstraße nach einer aufwändigen Renovierung. Ein neues Sicherheitskonzept erscheint bei Betrachtung der Geschehnisse rund um den Vorgänger-Club „Castello“ sinnvoll.

Die Hennefer Jugenddiscothek wurde wiederholt zum Schauplatz bewaffneter Auseinandersetzungen. Im November 2005 etwa stürmte eine 15-köpfige Bande die Discothek. 2002 fand vor dem Tanzlokal eine Messerstecherei statt – die einen 21-Jährigen fast das Leben kostete. 

Brechend voll war es im Castello dennoch immer. Mehr als 1000 überwiegend junge Menschen feierten hier bis zum Tagesanbruch. Auf wilde Nächte mitsamt einer Vielzahl an Polizeieinsätzen folgte deutlich mehr Ruhe. Aus dem Castello wurde das „Hennefer Steffi“, daraus der „Dancedom“. Doch so richtig ans Laufen kam die Großraumdisco nicht mehr.

Drei Monate lang hatte Dancedom-Betreiber und -Mitinhaber Gerd Pacht, der auch das Pastiche betrieb, die Diskothek geschlossen. Im Inneren baute er kräftig um, schuf neue Wege und ein helleres Gesamtbild. Die Wände waren im 70er-Jahre-Retro-Stil gehalten. 

Die „Club Lounge“ im Dancedom war für Menschen ab 25 Jahren gedacht und konnte auch für Privatfeiern gemietet werden. Im „Club Black“ lief vor allem Soul-Musik. Im „Club Dance“, der großen Halle, wurde musikalisch von allem ein bisschen gespielt.

Auch das Personal an der Tür wurde ausgetauscht: Alle trugen weiße Hemden und Anzüge, begleiteten Frauen auf Nachfrage bis zu ihrem Auto und auch die Parkplätze wurden kontrolliert. Noch zu frisch waren die Erinnerungen an Fahrzeugaufbrüche und Prügeleien.

Rheinsubstanz in Bad Honnef überschattet von mysteriösem Kriminalfall

Im Frühjahr 2010 wurde die Discothek im ehemaligen Bad Honnefer Hallenbad eröffnet. Das Bad an der Rheinpromenade wurde 2003 geschlossen, darauf das Gebäude im September 2004 von Ulrich Mader und seinem Mit-Investor und -Geschäftsführer Olaf Berg gekauft.

Neben teils heftigem politischen Streit gab der Stadtrat der Bebauung im Sommer 2006 grünes Licht. Gegner des Projekts fürchteten, im beschaulichen Bad Honnef entstehe eine Art Sündenpfuhl. Befürwortende wollten dagegen in der Stadt endlich mal was für junge Menschen bieten. Die Baugenehmigung für Mader und Berg folgte 2007, in 2010 eröffnete dann die Rheinsubstanz.

Das ehemalige Hallenbad in Bad Honnef von außen betrachtet

Das ehemalige Hallenbad in Bad Honnef, in dem die Disco Rheinsubstanz für einige Jahre Partygäste lockte.

Überschattet werden viele positive Erinnerungen an die Discothek von einem der mysteriösesten und bis heute ungelösten Kriminalfälle Deutschlands: Nach einem Besuch in der Rheinsubstanz am 9. November 2013 verschwand der 19-jährige Jura-Student Jens Bleck spurlos. Polizei und Rettungskräfte suchen zunächst erfolglos, bis zwei Wochen später die Leiche des jungen Mannes im Rhein gefunden wurde.

Gerüchte um Rockerbanden, die als Türsteher mehr als nur vor der Tür das Sagen in der Discothek hatten, halten sich bis heute. Auch in Bezug auf den Kriminalfall Jens Bleck. Seit Mai 2015 ist die Rheinsubstanz geschlossen.

Funpark Königswinter: 5000 Partys in sechseinhalb Jahren

Zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie die Rheinsubstanz in Bad Honnef schloss auch der „Funpark“ in Königswinter seine Pforten – im April 2015. Über 5000 Partys soll es dort seit der Eröffnung im November 2008 gegeben haben.

Auf rund 2000 Quadratmetern konnten 1500 Menschen zeitgleich feiern. Das Einzugsgebiet der Großraumdiscothek beschränkte sich nicht nur auf das Siebengebirge, sondern umfasste auch die weitere Region, etwa Bonn und Neuwied.

Morgens um 7 (ehem. Topas, Gamma und Sunset) in Königswinter

Im Königswinterer Stadtteil Oberpleis legt ein Mann seit 1994 Platten auf: Als Rainer Queck an der Wingertsbitze begann, sich in die Disco-Geschichtsbücher einzureihen, hatte er bereits eine längere Reise als DJ hinter sich. 

Zwischen 1979 und 1987 fuhr Queck als Gast jedes Wochenende nach Hamm an der Sieg ins „Morgens um 7“, dem späteren Namensgeber der Disco in Oberpleis. Trotz großen Einzugsgebiets – Rock-Fans aus dem Westerwald, Rhein-Sieg-Kreis bis hin zu Münchenern und Hamburgern sollen dort gewesen sein – rollte 1987 die Dampfwalze an. Für Queck der Beginn seiner Disco-Karriere. 

Mit einer ehemaligen Raststätte in der Nähe von Altenkirchen im Westerwald wurde er fündig: Das im Obergeschoss befindliche Bordell wurde um einen Rockabend ergänzt, der unter dem Namen „After Seven“ Tanzwütige von Aachen bis Siegen anlockte. 1992 jedoch fiel die Disco einem Brand zum Opfer. Queck gab nicht auf und fand eine neue Location: das „Sunset“ in Oberpleis. 

Dem Sunset bereitete das 1991 eröffnete „Hippodrome“ in Hennef Schwierigkeiten. Wenn auch ein gutes Stück weg von den einstigen Schuppen Quecks, folgten ihm dennoch einige ehemalige Bekannte und Gäste. Von 1992 hieß die Discothek „Topas“, von 1994 bis 2006 „Gamma“ und dann „Morgens um 7“ – wie die einstige Disco in Hamm an der Sieg.

Platz für rund 100 Gäste, Flugzeugsitze um die Tanzfläche herum, Rock-Musik. Das Programm im kurz „M7“ gerufenen Tanzlokal wurde mit der Zeit immer weiter heruntergefahren, alle paar Monate bewegt Jens Queck dann aber doch nochmal die Platten.

Hippodrome in Hennef: Zwischen Techno und Drogen

1991 eröffnete das „Hippodrome“ in der Reutherstraße 1A in Hennef. Wie Zeitzeugen berichten, die Zeit, in der Techno aufkam und junge Leute neben der Musik auch Drogen für sich entdeckten. Von weit her, sogar aus dem Ruhrgebiet, kamen die Feierwütigen her, um in Hennef das Tanzbein zu schwingen.

Unter dem Namen „N`Trance“ wurde das Hippodrome zu einem der ersten echten „Groß-Raves“ im Kölner Raum. Unter einem „Rave“ versteht man Tanzveranstaltungen mit elektronischer Musik, deren Schwerpunkt auf ekstatischem Tanz liegt. Über 4000 Raver sollen hier bei einer legendären Party in 1992 zusammen gefeiert haben. Damals noch weitgehend unbekannte Discjockeys wie Marc Spoon oder Oliver Bondzio und das Verteilen von angeblich 15.000 A7-Flyern brachten den Besucherrekord in die Großraumdisco.

Ein Flyer aus April 1993 zu einer Party im Hippodrome in Hennef.

Ein Flyer aus April 1993 zu einer Party im Hippodrome in Hennef.

Eine besondere Aktion aus damaligen Tagen war die Einrichtung einer Busverbindung der beiden in Konkurrenz stehenden Großraumdiscos Hippodrome in Hennef und dem Kölner „M-Center“. Als bei einem Rave im Hippodrome deutlich mehr Gäste in den Räumlichkeiten feiern wollten, als hineinpassten, organisierten die Veranstalter 20 Busse der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), die die beiden Tanzschuppen miteinander verbanden. Einmal Eintritt zahlen ermöglichte den Besuch beider Discos.

Der Ritterkeller in Hennef: Heute ein top-bewertetes Restaurant

Das Waschbecken neben der damaligen Toilette existiert heute noch: Wo sich heute das Restaurant „Zum Alten Turm“ befindet, war in den 1960er Jahren eine Art frühe Disco. Viele Hennefer sollen im „Ritterkeller“ manch legendäres Fest gefeiert haben. Das Tanzlokal war im Gewölbe des alten Hauses, das zum heutigen Restaurant gehört, angesiedelt. Eine Musikbox sorgte für die Beats.

Lange Zeit war das Haus nur für Veranstaltungen geöffnet, seit 2002 ist es ein – bei Google mit 4,7 von 5 Sternen sehr gut bewertetes – Restaurant. Es verfügt über 120 Sitzplätze, Schankraum, Restaurant, Kaminzimmer (für maximal 18 Personen) und einen Saal (bis zu 35 Personen).

Altstadtgasse in Troisdorf: Versehentlich aufgekauft

2014 verdankte das Unternehmerpaar Paul und Sabine Dobelke einem „Fehlklick“ im Internet ihren neuen Firmensitz. Und zwar am Gertrudenweg, wo bis 2012 der Betrieb der Discothek „Altstadtgasse“ die Gäste anzog. Eröffnet unter dem Namen „Zur schönen Aussicht“ war das Lokal im frühen 20. Jahrhundert das Ziel vieler Männer, die bei Dynamit Nobel arbeiteten und gern am Zahltag hier einkehrten. Wenn die Ehefrauen sie nicht vorher „einfingen“.

Das Tanzlokal hatten Paul und Sabine Dobelke gefunden, indem sie laut eigener Aussage versehentlich auf „Gaststätte“ geklickt hätten. Die Lage sei es gewesen, begründeten die beiden 2018 ihre Kaufentscheidung.

Die Übersicht hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ebenso handelt es sich nicht um eine Rangfolge, die Reihenfolge der Discos ist willkürlich.

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