Wahl in Rhein-SiegVerkehr und Wohnungsbau stellen Parteien vor Herausforderungen

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Verkehrsprobleme gehören zu den großen Herausforderungen im Rhein-Sieg-Kreis.

Verkehrsprobleme gehören zu den großen Herausforderungen im Rhein-Sieg-Kreis.

Rhein-Sieg-Kreis – Am Sonntag werden die Weichen für die Politik des Kreistags in den kommenden fünf Jahren gestellt. Die Ausgangslage für die neun Parteien, die sich dem Wählervotum stellen, erinnert dabei an die Situation vor der vorangegangenen Kreistagswahl im Frühjahr 2014. Die Herausforderungen für den Kreis und seine politischen Akteure sind in großen Teilen identisch: Die Einwohnerzahl an Rhein und Sieg wächst weiter. Das bietet Chancen, schafft aber auch Probleme, etwa im Verkehr, wo die Infrastruktur schon jetzt nicht mehr den Erfordernissen entspricht und Konzepte für zeitgemäße Mobilität gefragt sind.

Auch beim Wohnungsbau muss der Kreis Impulse setzen: Hier sorgt der anhaltende Zuzug neuer Einwohner bei geringen Neubauzahlen für sozialen Sprengstoff. Diesen und anderen Herausforderungen begegnen die Parteien unter anderem mit diesen politischen Konzepten in ihren Wahlprogrammen:

CDU

Die Christdemokraten bekennen sich in ihrem Programm zur Kreistagskoalition mit den Grünen, zeigen sich aber auch offen für weitere Kooperationen. Zu den konkreten politischen Zielen des zwölfseitigen Papiers gehört unter anderem ein Pilotprojekt „Autonomes Fahren im Rhein-Sieg-Kreis“.

Klar bekennt sich die CDU zu umstrittenen Verkehrsprojekten wie den Venusbergtunnel, den Ennertaufstieg und die Autobahnbrücke bei Niederkassel. Beim ÖPNV setzt sie auf eine flächendeckende Erschließung der Region und auf bessere Anschlussverbindungen von Bus und Bahn. Beim Bau neuer Wohnungen will die CDU die „Akzeptanz vor Ort“ durch eine Mischung von gefördertem Wohnungsbau und Wohneigentum fördern. Die Wohnungsbaugesellschaft des Kreises soll jährlich 50 neue Wohnungen bauen. So sollen auch Firmenabwanderungen in den Westerwald verhindert werden.

Beim Thema Wirtschaft setzt die CDU darauf, öffentliche Arbeitgeber und Dienstherren in der Region zu halten, unter anderen mit einem neuen Bonn-Vertrag zwischen dem Bund und der Region. Orte und Haushalte, die bislang noch nicht von den Ausbauprogrammen für schnelles Internet profitieren, sollen den Zugang dazu in absehbarer Zeit erhalten.

SPD

Die SPD strebt nach 20 Jahren Schwarz-Grün und 71 Jahren CDU-Landräten den „politischen Neustart“ im Kreis an. Um dieses Ziel zu erreichen, will sie unter anderem mit den Themen Wohnen, Mobilität und Bildung punkten. Zu den Kernforderungen der Sozialdemokraten gehören der Bau von kreisweit jährlich mindestens 1500 Wohnungen, eine 30-Prozent-Quote für geförderten Wohnungsbau und eine Stärkung der kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft.

Die Serie

Auf einer Reihe von Sonderseiten beschäftigt sich die Redaktion ausführlich mit der Situation und den Bürgermeisterkandidaten, den Problemen und Perspektiven in den elf Städten und Gemeinden unseres Verbreitungsgebietes wie auch mit dem Rhein-Sieg-Kreis und den Landratskandidaten. Wir machen Kommunalpolitik transparent.

Beim Thema Mobilität strebt die Partei „einen anderen Verkehrsmix“, neue Antriebstechnologie und auch neue Verkehrswege an. Ein „Ticket für alle“ für rund einen Euro am Tag soll den ÖPNV attraktiver machen, die erste Klasse in S-Bahnen und Regionalzügen entfallen. Ein regionales Wasserbussystem soll den Verkehr auf den überfüllten Straßen zwischen Köln und Bonn ebenso entlasten wie eine neue Rheinquerung bei Niederkassel. Kernforderung beim Thema Bildung ist der schrittweise Wegfall der Elternbeiträge für die Kindertagesbetreuung.

Grüne

Die Grünen erklären Klima-und Umweltschutz, eine solidarische wie vielfältige und weltoffene Gesellschaft mit guten Strukturen für die Gesundheitsversorgung zu ihren Zielen. Beste Voraussetzungen für Kinderbetreuung, Schule und Familienfreundlichkeit sollen geschaffen werden, innovative Unternehmen genauso gefördert werden wie die Unterstützung bestehender Strukturen bei der digitalen Transformation. Modern aufgestellte, transparente und bürgerorientierte Verwaltungsstrukturen sollten das Ziel sein.

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Konkret heißt das unter anderem: Eine klimaschonende Energieversorgung soll durch das Engagement der Energieagentur des Rhein-Sieg-Kreises und von Energieversorgern im kommunalen Eigentum, Umstellung des Fuhrparks der Kreisverwaltung auf Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge und Bau von Anlagen zur regenerativen Energieversorgung auf allen Gebäuden des Kreises aufgebaut werden.

Kreisweit wollen die Grünen Biotope vernetzen. „Die Umwelt zerschneidenden Verkehrstrassen“ lehnen sie ebenso ab wie die Ausweisung ökologisch schädlicher Baugebiete, die geplante Rheinquerung bei Niederkassel und den Ennertaufstieg im Siebengebirge.

In der Verkehrspolitik sollen Bus, Bahn und Fahrrad Vorrang erhalten. Einen „radikalen Kurswechsel“ verlangen die Grünen im VRS. Er soll ein 365-Euro-Ticket für Fahrten im Gebiet von bis zu zwei Kreiskommunen anbieten und ein Jobticket für alle. Dafür soll der ÖPNV stärker aus Steuermitteln finanziert werden. In der Wirtschaftspolitik will die Partei verhindern, dass Handel und Dienstleistungen beim Bau neuer Gewerbegebiete aus den Siedlungen herausgelöst werden. Auch auf dem Land sollen Co-Working-Möglichkeiten für Freiberufler und „Homeworker“ entstehen.

FDP

„Unsere Herzensanliegen“ ist der Sechs-Punkte-Plan der Liberalen für die Kreistagswahl überschrieben. Er beinhaltet den Abbau von Verwaltungsgrenzen und den Ausbau der Städteregion Bonn/Rhein-Sieg. Eine Stabsstelle Digitalisierung soll im Büro des Landrats eingerichtet werden. Förderschulen sollen ausgebaut werden, eine Akademie soll die Ausbildung in Gesundheits- und Pflegeberufen fördern. Die Wirtschaft in der Region soll mehr „Rückendeckung“ durch die Etablierung einer kreiseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft erhalten. Straßen, Radwege und Schienenverbindungen sollen ausgebaut, der ÖPNV soll gestärkt und mit modernen Nutzungskonzepten wie Car- und Bikesharing ergänzt werden. Für die Stärkung des Ehrenamts sollen Vereine eine zentrale Anlaufstelle in der Kreisverwaltung bekommen.

Die Linke

Die Partei fordert „einen Kreis, der sich um seine Menschen sorgt“. Das will sie unter anderem mit der Stärkung der Ortszentren erreichen, an denen Angebote für alle Generationen ebenso zusammengeführt werden wie Einzelhandelsangebote für die Dinge des täglichen Bedarfs.

Bei der Digitalisierung in der Region setzt die Linke auf ein stärkeres Engagement des Kreises: Er soll den Ausbau der Internetversorgung mit einer eigenen Versorgungsgesellschaft vorantreiben. Der Kreis und seine Kommunen sollen durchgehend auf freie Software umstellen.

Statt Aufgaben auszugliedern, soll die Kreisverwaltung mit mehr Fachpersonal gestärkt werden. Kommunale Flächen sollen für genossenschaftlichen Wohnungsbau verwendet werden. Das Netz von Bus und Bahn, etwa die Siegtal-Bahnstrecke, soll ausgebaut und kostenlos angeboten werden, im Gegenzug soll auf den Bau neuer Straßen verzichtet werden. Sanktionen durch das Jobcenter sollen abgeschafft werden.

AfD

Im „kommunalpolitischen Positionspapier“ der AfD, die seit 2014 mit drei Vertretern im Kreistag sitzt, finden sich unter anderem folgende Forderungen: Ablehnung verpflichtender Gesamtschulen, Erhalt eines gegliederten Schulsystems, Förderung von Pilotprojekten gegen Vereinsamung, Förderung von Initiativen zur Stärkung des Familienzusammenhaltes, Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten, „entschiedenes Entgegentreten der Disziplinlosigkeit und Gewaltbereitschaft an unseren Schulen“, Abschaffung der kommunalen Amtshilfe zum Eintreiben der „Rundfunkgebühren“, Abschaffung von Hundesteuer und Reitabgabe, Ablehnung von Dieselfahrverboten, vorbehaltlose Prüfung und gegebenenfalls entschlossene Umsetzung von Großprojekten wie der neuen Rheinbrücke bei Niederkassel, dem Ennert-Tunnel und der Verlängerung der S 13.

Piratenpartei

Die Piratenpartei tritt für eine „Politik 2.0“ an. Deren Kern ist der Ausbau des sogenannten eGovernment auch auf Kreisebene. Ziel müsse es sein, dass alle Amtsgeschäfte über das Internet abgewickelt werden können. Daten der öffentlichen Verwaltung sollen zudem frei zugänglich und nutzbar sein.

Zudem machen sich die Piraten für den Ausbau der Online-Bürgerbeteiligung stark. Bürgerbeteiligung fordern sie auch bei großen Investitionen des Kreises. Hier verlangen sie ab einer bestimmten Investitionssumme einen Bürgerentscheid.

Weitere Forderungen sind: Ausbau des ÖPNV und Weiterentwicklung zum fahrscheinlosen Nahverkehr, Förderung der Elektromobilität, Ausbau des schnellen Internets, Förderung der Selbstständigkeit, Umwandlung von Jugendfreizeitheimen in generationenübergreifende Treffpunkte.

Freie Wähler

„Herzstück“ des Wahlprogramms der Freien Wähler ist die Forderung nach einer Stärkung der Bürgerrechte. Ihr Ziel sind vor allem transparente Kreistags- und Verwaltungsentscheidungen und eine stärkere Bürgerbeteiligung. Das Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden soll ansprechend und gepflegt sein, heimische Betriebe unterstützt und Gewerbeflächen ausgeweitet werden.

In der Verkehrspolitik fordern die Freien Wähler mehr Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer – Fußgänger, Radfahrer, Kinder und alte Menschen. Die Gebührenordnung des Kreises soll bürgerfreundlicher werden, durch Einsparungen und „rentable Investitionen“ werden stabile öffentliche Finanzen angestrebt.

Volksabstimmung

Die Partei „Volksabstimmung“, tritt mit keinem eigenen Wahlprogramm für den Rhein-Sieg-Kreis an. In ihren „Wahlaussagen“ fordert sie unter anderem Bürgerentscheide zu kommunalen Abgaben sowie zu Windrädern und Windradabständen zur Wohnbebauung und die Überprüfung „aller Corona-Zwangsmaßnahmen“.

Neben diesen Parteien kandidiert die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP). Im Kreistag ist sie bislang nicht vertreten.

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