Kommunen verlieren UnternehmenNachbarn aus Rheinland-Pfalz profitieren

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„Wir machen’s einfach“ steht als Eigenwerbung auf dem Schild zur NRW-Grenze.

„Wir machen’s einfach“ steht als Eigenwerbung auf dem Schild zur NRW-Grenze.

  • Die Gewerbesteuer in Rheinland-Pfalz liegt zum Teil deutlich unter der im Rhein-Sieg-Kreis.
  • Betroffen sind in der Region die Kommunen Hennef, Eitorf und Windeck.
  • Dr. Hermann Tengler, Wirtschaftsförderer beim Rhein-Sieg-Kreis, äußert sich zu der Situation.

Rhein-Sieg-Kreis – Direkt hinter der Stadtgrenze von Hennef liegt das Gewerbegebiet auf der Mendter Mark, schon in Rheinland-Pfalz. Es hat sich südlich der Bundesstraße 8 ausgebreitet, auch viele Hennefer arbeiten dort.

Die rheinland-pfälzische Kommune hat den Hebesatz für die Gewerbesteuer auf 352 Prozentpunkte festgelegt. Hennef liegt mit 490 Prozentpunkten bei der Gewerbesteuer auf dem Niveau von Städten wie Bonn und München. In diesem Jahr hat es eine leichte Erhöhung um zehn Prozentpunkte gegeben, weitere Steigerungen sind nicht geplant.

Nur begrenzt Möglichkeiten für Gewerbegebiet in Hennef

„Wir haben diese Situation schon seit etlichen Jahren“, sagt Bürgermeister Klaus Pipke auf Anfrage dieser Zeitung. „Am Ende ist es mir lieber, die Firma bleibt in der Region und die Bürger unserer Stadt behalten ihren Arbeitsplatz.“

Klaus Pipke

Klaus Pipke

Pipke sieht die Entwicklung gelassen. Es sind schon Unternehmen aus dem Stadtgebiet weggezogen, um sich in dem zu Buchholz gehörenden Areal neu anzusiedeln. „Hennef hat nur begrenzte Möglichkeiten, Gewerbegebiete auszuweisen.“ Weil die Entwicklung für Kleinfeldchen am Ausbauende der Autobahn 560 noch nicht abgeschlossen ist, hat ein Busunternehmer jetzt in Mendt gebaut.

Klaus Strack

Klaus Strack

Dass die Gewerbesteuer nur ein Aspekt sei, erklärt Klaus Strack, im Eitorfer Rathaus für die Finanzen zuständig und Sprecher der Kämmerer im Rhein-Sieg-Kreis. Buchholz und Weyerbusch gehörten für das Nachbarland zur „hochgeförderten Diaspora“. Die Gewerbegebiete seien „hochsubventionierte Flächen“. Um ein Zeichen zu setzen, hat Strack die Gewerbesteuern unter die 500-Punkte-Grenze auf 492 gesenkt.

Alexandra Gauß

Alexandra Gauß

Der Konkurrenzsituation an der Grenze zu Rheinland-Pfalz ist sich auch die Windecker Bürgermeisterin Alexandra Gauß bewusst. Gewerbesteuersonderzonen jenseits der Landesgrenze seien ein Anreiz, subventionierte Grundstückspreise ein weiterer für Unternehmen.

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Mindestens eine Windecker Firma habe sich bereits bei Weyerbusch Flächen für eine mögliche Expansion gesichert. Grundsätzlich ist auch Gauß schon zufrieden, wenn „wenigstens die Menschen hier noch leben“, auch wenn sie jenseits der Grenze arbeiteten.

Windeck plant neues Gewerbegebiet

Ein neues Gewerbegebiet nördlich von Leuscheid plant die Gemeinde Windeck. Planungsfehler auch im Rathaus haben das Projekt immer wieder zurückgeworfen. „Das ist kein Streitthema mehr“, sagte Gauß in Anspielung auf den damals heftigen Widerstand ihrer Partei, der Grünen.

Inzwischen sind innerhalb der Jamaika-Kooperation im Rat die Wogen geglättet. Es gelte, die Hürden nach und nach zu nehmen. Dazu gehörten Ausgleichsmaßnahmen, die zumindest die Frage zuließen, ob die Grundstücke noch zu vermarkten seien. Im Wettbewerb mit Flächen im gerade einmal acht Kilometer entfernten Weyerbusch wird Leuscheid es schwer haben.

Lesen Sie auf Seite zwei das Interview mit Hermann Tengler

Interview mit Wirtschaftsförderer Hermann Tengler

Dr. Hermann Tengler ist Wirtschaftsförderer beim Rhein-Sieg-Kreis. Mit ihm sprach Stephan Propach.

Wie beurteilen Sie die allgemeine Konkurrenzsituation an der Landesgrenze zu Rheinland Pfalz?

Es gibt drei Felder, auf denen die Konkurrenzsituation für uns unbefriedigend ist. Zum einen werden in Nordrhein-Westfalen Gewerbegebiete wesentlich restriktiver genehmigt. Im Nachbarland entscheiden die Gemeinden selbst. Als Folge gibt es dort bezogen auf die Siedlungsdichte viel mehr Flächen als bei uns.

Zum anderen sind die Flächen mit 20 Euro und manchmal auch darunter viel günstiger als bei uns, wo der Quadratmeter 80 Euro kostet. Der Preis unserer Nachbarn ist nicht kostendeckend. Allein die Erschließung kostet mindestens 30, wenn nicht sogar 50 Euro. Der dritte Faktor Gewerbesteuer ist aus meiner Sicht nicht so entscheidend. Aber wenn die beiden anderen Faktoren ziehen, kommt die niedrige Steuer natürlich noch oben drauf.

Haribo ist im vergangenen Jahr von Bonn nach Grafschaft gezogen. Befürchten Sie weiteren Wegzug von Unternehmen über die Landesgrenze?

Schon jetzt gibt es in Buchholz mindestens 20 Firmen, die früher in Hennef ansässig waren. Der Schuhhersteller Leguano aus Sankt Augustin hat weit über 200 Arbeitsplätze mitgenommen.

Für andere Firmen war der mögliche Umzug ein Druckmittel bei Verhandlungen mit Kommunen hier. Aktuell ist das Risiko nicht mehr ganz so groß, weil es meines Wissens auf der anderen Seite der Grenze kaum noch Flächen und auch keine Ansätze für weitere Erschließungen gibt.

Was tut der Rhein-Sieg-Kreis gegen die schlechte Position im Wettbewerb um Gewerbeansiedlungen?

Wir waren mehrfach in Düsseldorf deswegen. Die unterschiedlichen Ansätze müssen auf Landesebene angeglichen werden.

Wie sieht Ihre Prognose für die Zukunft aus?

Die Gewerbegebiete auf der grünen Wiese, fernab der Städte, werden an Attraktivität verlieren, weil die Fachkräfte fehlen, die bereit sind, dort hinzuziehen. Ob die Rechnung langfristig aufgeht, wegen günstiger Preise das urbane Umfeld zu verlassen, bezweifle ich. Im Übrigen haben wir ja auch hier im Rhein-Sieg-Kreis eine positive Wirtschaftsentwicklung.

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