Gerd Melchior und Peter Prahl sind in der Burg Hausdorp in Lohmar zuhause, die sie seit über 20 Jahren nach mittelalterlicher Art renovieren.
Hausdorp in LohmarWohnen wie im Mittelalter – So lebt es sich in einer 500 Jahre alten Burg

Peter Prahl (l.) und Gerd Melchior (r.) leben in der Burg Hausdorp, dem ältesten weltlichen Gebäude Lohmars.
Copyright: Lilian von Storch
Vor 23 Jahren, als Gerd Melchior und Peter Prahl noch gemeinsam in Köln-Lindenthal lebten, erschien es ihnen „völlig abwegig“, aufs Land zu ziehen. Bis sie im Internet auf eine Anzeige aus Lohmar-Hausdorp stießen: „Burghälfte zu verkaufen“. Spontan schauten sie sich das Gebäude an, abends, im Winter, bei Dunkelheit und nur von außen, und trotzdem: „wir fühlten sofort: Boah, das ist es“, sagt Peter Prahl (52), „und dann ging der Wahnsinn eigentlich los.“
Die Burghälfte tatsächlich zu kaufen, war keine leichtfertige Entscheidung. Die Burg Hausdorp, auch Haus Dorp genannt, ist das älteste weltliche Gebäude auf dem Lohmarer Stadtgebiet. Mindestens 500 Jahre hat das Bauwerk auf dem Buckel, urkundlich erwähnt wurde es erstmals im 14. Jahrhundert. „Da muss man schon verrückt für sein, das zu renovieren“, sagt Prahl, „oft mussten wir Pläne machen und sie dann wieder komplett über den Haufen werfen“.
Überraschungen beim Umbau: Mal sind es Bausünden, mal alte Münzen
Eigentlich seien sie dauerhaft an der Arbeit, seit sie die Burghälfte im Jahr 2002 erworben haben. „Wir möchten die Räume gerne ansatzweise wieder so gestalten, wie sie früher mal ausgesehen haben“, sagt Gerd Melchior. „Früher“ bedeutet in diesem Fall mittelalterliche Zeiten. Zwischendecken, die in den 1950er Jahren eingehängt wurden, haben sie herausgenommen, das alte Fachwerk wieder freigelegt.

In das Bleiglasfenster in ihrem Esszimmer haben Melchior und Prahl das Wappen der Familie von Markelsbach einarbeiten lassen, den Ritter an der Wand haben sie selbst gemalt.
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Ein Säckchen mit Napoleonischen Münzen (l.) und Frankfurter Talern (r.) wurde bei Umbauarbeiten in einer Zwischendecke gefunden.
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Dabei stießen sie unter anderem auf einen angebrochenen 500 Jahre alten Eichenholzbalken an der Decke ihres heutigen Esszimmers, der sich langsam immer weiter nach unten bog. Ein Zimmermann musste ihn neu schienen, damit nichts zusammenbrach, „hat ihn drei Bohrer gekostet, die ihm abgerissen sind“, sagt Melchior. Mit am aufwändigsten war die neue Verglasung und Isolierung der Fenster: „Im Winter waren sie komplett mit Eisblumen übersäht und zugefroren, drinnen hatte es so 13 Grad“, so der 62-Jährige lachend.
Da muss man schon verrückt für sein, das zu renovieren.
Plötzlich mitten auf dem Land zu leben, bedeutete für die beiden Städter erst einmal eine große Umstellung „Aber heute wollen wir beide nicht mehr zurück“, sagt Peter Prahl begeistert. „Man hat sich so integriert, mit den Nachbarn, Nebendörfern, Vereinsleben – es ist schön, es ist einfach nur schön“.

Gerd Melchior mit einem alten „Hammerbuch“ aus dem Haus Dorp, in dem hier noch zu Mittelalterzeiten Einnahmen und Ausgaben festgehalten wurden.
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Bevor das Paar die Burghälfte kaufte, war sie über Generationen hinweg im Besitz einer Familie gewesen, die auch heute noch in der Nachbarschaft lebt. „Irgendwann kamen sie vorbei und haben uns so ein Säckchen mit alten Münzen geschenkt“, erzählt Prahl. „Das hatten sie mal während Umbaumaßnahmen in der Zwischendecke gefunden.“ „Napoleonische Münzen waren das, und Frankfurter Taler“, sagt Melchior und nickt beeindruckt. „Dann sagten sie: ‚Das haben wir hier gefunden, das gehört auch wieder hier in die Burg, und das schenken wir euch‘“, so Prahl, „dann war das Eis auch gebrochen.“
Früher gehörten zu dem Haus Dorp unter anderem Landwirtschaft, ein Hammerwerk, Erzgruben, sagt Gerd Melchior. „Dafür sind natürlich auch Steuerbücher geführt worden - die haben wir alle bekommen, und auch alte Rechnungen, persönliche Briefe. Der älteste, den wir haben, ist von 1710“, so Melchior.

Ein belgischer Sakristei-Schrank im Wohnzimmer: Melchior und Prahl sammeln historische Möbelstücke.
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Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Burg Hausdorp in zwei Wohnhäuser aufgeteilt.
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Die Geschichte der Bewohner des ehemaligen Lehnsguts, die im Jahr 1320 beginnt, haben beide auf ihrer eigenen Webseite festgehalten. Ab Anfang des 16. Jahrhunderts lebte hier die Familie von Markelsbach. Diese verfügte zeitweise über ein Schöffenrecht, im benachbarten Teil des Hauses gebe es im Keller noch eine alte Gefängniszelle, sagt Melchior. Da Sibylla von Markelsbach (geboren 1550) den reformierten Wilhelm von Gülich geheiratet hatte, sei das Haus in der Region der erste Ort gewesen, an dem reformierte Gottesdienste gehalten wurden. „Der Messkelch, den die evangelische Kirche in Wahlscheid heute noch benutzt, der hat früher hier gestanden“, sagt Gerd Melchior.
Von Großstädtern zu Hobby-Burgherren in Lohmar-Hausdorp
Die Geschichte ihres neuen Zuhauses beeinflusste Melchior und Prahl auch immer mehr in der Innengestaltung. Schon früher teilte das Paar eine Leidenschaft für das Sammeln historischer Möbelstücke. „Jedes Mal, wenn wir in den Urlaub gefahren sind, haben wir irgendeine Antiquität mitgenommen“, so Melchior. Die Stühle in ihrem Esszimmer stammen aus einem alten Schloss in Frankreich, in der Küche steht eine Büste von Johanna von Orleans, die bei Straßenarbeiten in Brüssel gefunden wurde, im Wohnzimmer ein Sakristei-Schrank aus Belgien.

Der Besuch von Mittelalterveranstaltungen ist für Melchior (l.) und Prahl (r.) zum Hobby geworden, seit sie das Haus Dorp bewohnen.
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Bei der Neugestaltung der Fenster kam ihnen die Idee, im Esszimmer ein Bleiglasfenster einzusetzen, in das das Wappen der Familie von Markelsbach eingearbeitet ist. Das selbe Wappen fanden sie durch Zufall auch im Töpfereimuseum in Langerwehe, auf einer Bahre, erzählt Gerd Melchior. Als sie den Töpfer in der zum Museum gehörenden Werkstatt darauf ansprachen, schenkte er ihnen einen Haufen alter Tonscherben, auf denen das Wappen der Familie von Markelsbach zu sehen ist.
Melchior und Prahl gaben dem Töpfer daraufhin den Auftrag, ein ganzes Set an Tassen, Krügen und Töpfen mit dem Wappen der Familie anzufertigen. „Der war natürlich auch mächtig stolz, dass er nach 500 Jahren nochmal so ein Geschirr brennen konnte, von dem er selbst noch die alten Scherben hatte“, erinnert sich Peter Prahl.

Ein Set an Bierkrügen, Tassen und Töpfen mit dem Wappen der Familie von Markelsbach haben Melchior und Prahl im Töpfereimuseum Langerwehe anfertigen lassen.
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Diese immer näher an eine mittelalterliche Version herankommende Gestaltung ihres Hauses führte über die Jahre dazu, dass der Besuch von Mittelaltermärkten immer mehr zum gemeinsamen Hobby des Paares wurde. Heute wirken sie auch selbst an Mittelalterveranstaltungen mit, mit eigenem Zelt und verkleidet mit dem Banner und Wappen der Familie von Markelsbach.