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Sanierung am DammwegStadt Lohmar droht Geflüchteten mit Zwangsräumung

Lesezeit 4 Minuten
Zahlreichen Bewohnern des Aggertalhotels und des Hotels zur alten Linde in Wahlscheid hat die Stadt Lohmar mit Zwangsräumung gedroht.

Zahlreichen Bewohnern des Aggertalhotels und des Hotels zur alten Linde in Wahlscheid hat die Stadt Lohmar mit Zwangsräumung gedroht.

190 Geflüchtete müssen Lohmarer Gemeinschaftsunterkünfte verlassen. Die Stadt will Platz schaffen, um die Unterkunft am Dammweg zu sanieren.

Etwa 190 Geflüchtete, die aktuell noch in städtischen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, müssen diese bis zum 31. August räumen. Das Schreiben der Stadt Lohmar löste bei vielen Familien und Einzelpersonen zunächst Angst aus, auf der Straße zu landen. Unter anderem heißt es hier: „Für den Fall, dass Sie der Aufforderung in Ziffer 2 nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommen, drohe ich die Räumung durch unmittelbaren Zwang an (Zwangsräumung).“

Harte Formulierungen, die aus Gründen der Rechtssicherheit notwendig seien, sagt der Lohmarer Beigeordnete Andreas Behncke auf Nachfrage dieser Zeitung. Die Betroffenen hätten eine Aufenthaltserlaubnis und damit die Möglichkeit, sich auf dem freien Wohnungsmarkt umzuschauen.

Wer nicht rechtzeitig eine Wohnung findet, muss sich obdachlos melden

Mehr als 90 Kündigungen mit einer Frist von sechs Monaten habe die Stadt ausgesprochen. Man brauche den Platz. Denn die marode Unterkunft am Dammweg, in der Geflüchtete und Obdachlose untergebracht sind, müsse abgerissen und neu gebaut werden. In der Zwischenzeit würden Schlafplätze für die dort wohnenden Menschen benötigt, so Behncke.

„Geflüchtete, die inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis haben, sind eigentlich nicht mehr verpflichtet, in unseren Gemeinschaftsunterkünften zu leben“, sagt Behncke, „Bisher war es aber so, dass wir davon abgesehen haben, diese Zuweisungen zurückzunehmen, weil der Wohnungsmarkt natürlich deutlich angespannt ist.“ 

Die Unterkünfte am Dammweg in Lohmar sollen saniert werden, die Stadt benötigt Platz für die Bewohner.

Die Unterkünfte am Dammweg in Lohmar sollen saniert werden, die Stadt benötigt Platz für die Bewohner.

In den letzten Wochen habe die Stadt geprüft, wo sie am ehesten Kündigungen aussprechen könne. Dies trifft nun unter anderem auf zahlreiche Personen zu, die im Hotel „Zur alten Linde“ und im Aggertal-Hotel in Wahlscheid untergebracht sind. An mehr als 30 Stellen hat die Stadt Lohmar externe Liegenschaften wie diese als Geflüchtetenunterkünfte angemietet. Eine teure Lösung, die auf längere Sicht auslaufen solle, um den städtischen Haushalt zu entlasten, räumt der Beigeordnete ein.

Geflüchtete, die inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis haben, sind eigentlich nicht mehr verpflichtet, in unseren Gemeinschaftsunterkünften zu leben.
Andreas Behncke, Beigeordneter

In den angemieteten Liegenschaften leben auch Menschen, die bereits arbeiten gehen, so Behncke. „In eine eigene Wohnung zu ziehen, ist natürlich auch Teil der Integration.“ Einige der 190 Menschen, die die Kündigung erhielten, hätten bereits eine Wohnung gefunden – eine Person habe gegen den Widerruf der Zuweisung geklagt. Er gehe jedoch davon aus, dass dieser rechtlich Bestand haben werde.

Der Soziale Dienst in Lohmar biete den Geflüchteten Beratung für die Wohnungssuche. Wer rechtzeitig keine Wohnung finde, müsse sich beim Ordnungsamt obdachlos melden. Niemand solle aber auf die Straße gesetzt werden. „Es kann sein, dass die Person oder die Familie dann erstmal in eine Obdachlosenunterkunft umziehen muss“, sagt Behncke, „wenn die Kapazitäten dort nicht ausreichen, ist eine erneute Zuweisung in die alte Unterkunft möglich.“

Auch bereits überfüllt: Die Obdachlosenunterkunft am Dammweg.

Auch bereits überfüllt: Die Obdachlosenunterkunft am Dammweg.

Da die Lohmarer Obdachlosenunterkunft auch „rappelvoll“ sei, gehe sie nicht davon aus, dass hier Geflüchtete untergebracht werden können, sagt Manu Gardeweg von „Lohmar hilft“. Vermutlich werde man auf andere Unterbringungsmöglichkeiten zugreifen müssen: „Es ist schon Improvisation gefragt.“

Wohnraummangel in Lohmar: Öffentlich geförderter Wohnungsbau läuft schleppend

Dass alle Betroffenen kurzfristig eine feste Bleibe finden, davon könne niemand ausgehen, sagt Manu Gardeweg. Viele versuchten schon länger ihr Glück auf dem Wohnungsmarkt, „und haben da auch starke Probleme, weil sie schwarze Haare haben, weil sie aus arabischen Ländern kommen“, so Gardeweg, „das sind in erster Linie Leute, die schon länger hier sind, die auch gut Deutsch sprechen“.

Geflüchtete aus der Ukraine treffe dies tendenziell weniger, auch weil diese keine Wohnsitzauflage haben und daher nicht in Lohmar bleiben müssen. Sie halte es durchaus für sinnvoll, so Gardeweg, Menschen mit Aufenthaltserlaubnis, die schon länger arbeiten, zur Wohnungssuche zu animieren. Ein großes Problem sei aber der Mangel an verfügbarem Wohnraum in Lohmar, aber auch der Wohnungsleerstand. 

Es ist schon Improvisation gefragt.
Manu Gardeweg, „Lohmar hilft“

Beim öffentlich geförderten Wohnungsbau müsse einiges in Lohmar passieren, sagt auch der Beigeordnete Behncke. In Lohmar-Ort am Breiter Weg habe man planungsrechtlich die Grundlagen für sozialen Wohnungsbau auf mehr als 8000 Quadratmetern gelegt, aber „da steht uns das Ministerium ein bisschen auf der Bremse“. Auch beim Kreis laufe es schleppend: „Die hängen mit den Bewilligungen so weit zurück, dass Bauherren bereits Kosten haben, aber nicht bauen können“, weil der Kreis offenbar wegen personeller Probleme die Anträge auf Wohnungsbauförderung nicht weitergeben könne.

Der Neubau des Dammwegs sei vermutlich in etwa zwei Jahren umzusetzen. Hier plane die Stadt zwei Bauabschnitte: „Für die Hälfte der etwa 200 Bewohner könnten wir jeweils Ersatzunterkünfte bieten“, sagt Behncke, wenn alle enger zusammenrückten, sei das „rechnerisch möglich“. Im Hotel zur alten Linde sei Platz für etwa 50 Personen, im Aggertal-Hotel für etwa 60. 

Das Thema komme noch vor der Sommerpause in den Stadtrat, im Laufe des Jahres solle die Planung stehen, dann könnten erste Baumaßnahmen beginnen.


Insgesamt sind in Lohmar aktuell 555 Geflüchtete in städtischen Unterkünften untergebracht. Davon besitzen laut Angaben der Stadt 327 Personen eine Aufenthaltserlaubnis.