Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Trotz VerbotsLohmarer Sexualstraftäter soll gezielt Minderjährige kontaktiert haben

4 min
Drei Justizwachtmeister zwingen den Angeklagten, aufzustehen. Er hatte sich geweigert, sich beim Eintreten der Kammer in den Saal zu erheben und das Gericht beleidigt. Links Verteidiger Michael Hakner, rechts Verteidiger Bernd Arnold.

Drei Justizwachtmeister zwingen den Angeklagten, aufzustehen. Er hatte sich geweigert, sich beim Eintreten der Kammer in den Saal zu erheben und das Gericht beleidigt. Links Verteidiger Michael Hakner, rechts Verteidiger Bernd Arnold.

Der 52-Jährige soll Kinder gezielt gestalkt und belästigt haben, einer Fußfesselüberwachung entzog er sich, indem er den Akku ausschaltete.

Der Angeklagte machte am Dienstagvormittag gleich zu Beginn des Prozesses vor der 16. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts deutlich, was er von der Justiz hält: nichts. Als die Kammer den Saal 1.20 betrat, weigerte er sich – wie allgemein üblich – aufzustehen. „Erheben Sie sich!“, mahnte ein Justizwachtmeister, der ihn kurz zuvor aus der Zelle geholt und die Handschellen abgenommen hatte.

„Ich erhebe mich nicht vor Faschisten“, murmelte der Angeklagte zurück. Auf Anordnung des Vorsitzenden Richters wurde er daraufhin von drei Wachtmeistern unter den Armen gefasst und vom Sitz hochgezogen. In dieser halb geduckten Stellung musste er verharren, bis ein neuer Schöffe vereidigt war und der Richter die Verhandlung offiziell eröffnet hatte.

Angeklagter war Kreistagsmitglied für die NPD und als Sexualstraftäter verurteilt

Der Vorsitzende ließ die Beleidigung zu Protokoll nehmen, befahl, dass der Angeklagte die Fußfesseln anbehalten muss, sagte ihm, dass durchaus auch eine Bauchgurtfesselung möglich sei, und drohte ihm darüber hinaus ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft an, sollte er erneut nicht zur Begrüßung des Gerichts aufstehen. Der 52-Jährige lehnte sich zurück und verweigerte jede Angabe zu seinen Personalien. Aber der vielfach vorbestrafte Mann ist der Justiz hinlänglich bekannt, zudem suchte er per Internet und Messengerdiensten gezielt die Öffentlichkeit.

Der zuletzt in Lohmar lebende Arbeiter saß Anfang der 2000er Jahre für die NPD im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises, 2004 kandidierte er bei der Kommunalwahl für das rechtsgerichtete „Bündnis für Deutschland“. Ein Jahr später musste er sich vor Gericht wegen Vergewaltigung einer damals 20-jährigen Bekannten verantworten. Von diesem Anklagepunkt wurde er zwar freigesprochen, doch in dem Verfahren stand auch der Vorwurf im Raum, er habe die vier Jahre alte Tochter der jungen Frau missbraucht.

52-Jähriger verstieß mehrfach gegen gerichtliche Weisung des Kontaktverbots mit Kindern

2010 wurde er deswegen erneut vor dem Landgericht angeklagt, weil sich das Mädchen einer Psychiaterin anvertraut hatte und er angezeigt worden war. Das Urteil: dreieinhalb Jahre Haft wegen Missbrauchs sowie sechs Monate wegen Stalkings, weil er eine 15-Jährige zwischen 2007 und 2008 mit Hunderten von E-Mails, Telefonanrufen und Briefen belästigt hatte. Er saß die Strafe komplett ab. 2019 folgte eine erneute Verurteilung zu mehr als drei Jahren Haft, diesmal durch das Landgericht Köln wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Gewalttaten.

Nach der Entlassung aus dem Rheinbacher Gefängnis 2023 stellte die Strafvollstreckungskammer des Bonner Landgerichts den Sexualstraftäter, der mittlerweile von Overath nach Lohmar gezogen war, bis Ende 2028 unter sogenannte Führungsaufsicht. Das heißt, er musste sich regelmäßig bei der Polizei melden und durfte keinen Kontakt zu Minderjährigen aufnehmen oder Einrichtungen betreten, in denen Kinder leben. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die dem 52-Jährigen eine pädophile Neigung vorhält, verstieß er jedoch gegen die gerichtliche Weisung.

Angeklagter kontaktierte Missbrauchsofper erneut

So soll er das Opfer seines Missbrauchs, inzwischen Mitte 20, wieder kontaktiert haben. Auch eine 37-jährige Mutter zweier Töchter soll er mehrmals am Tage wegen der Kinder anzüglich angeschrieben haben. Im Dezember 2024 hat er laut Anklage zwei Mädchen an einer Bushaltestelle unweit des Kinderdorfs „Hollenberg“ angesprochen, lungerte wiederholt frühmorgens auf dem Gelände des Heims herum und schickte einem Kind per Brief mit der Aufschrift „In Liebe zu dir“ eine Einladung zum Essen in seine Wohnung, die sich unweit des Kinderdorfs befindet. Wegen dieser Vorfälle warnte die Stadtverwaltung Lohmar im Dezember öffentlich vor dem Mann und hielt die Eltern zu erhöhter Wachsamkeit an.

Die Polizei wurde eingeschaltet, zwei Kommissare besuchten ihn zu Hause und hielten eine Gefährderansprache; er aber soll mit Beleidigungen reagiert haben. Im Polizeigewahrsam soll er weiter ausfällig geworden sein. Der Anordnung, eine elektronische Fußfessel zu tragen, widersetzte er sich, indem er den Akku ausschaltete. Als Polizisten bei ihm auftauchten, um das Gerät wieder funktionstüchtig zu machen, soll er auch sie beschimpft und beleidigt haben.

Die Staatsanwältin listete in ihrer Anklage außerdem 19 Fälle von Beleidigungen und Drohungen gegen zwei Richter des Amtsgerichts Siegburg, gegen Polizei- und Justizbeamte auf. Am 14. Dezember 2024 wurde der 52-Jährige festgenommen. In der Siegburger Untersuchungshaft soll er weiter gepöbelt und einen Wachtmeister geschlagen haben, sodass der Lohmarer in die JVA Bochum verlegt wurde.

Bei der Festnahme wurden laut Anklage in seiner Wohnung fast 2000 Dateien mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten gefunden. In weiteren Anklagepunkten geht es um Volksverhetzung, Hetze gegen Ausländer oder Leugnung des Holocausts.

Ein psychiatrischer Sachverständiger wird den Angeklagten begutachten. Die Staatsanwältin vermutet, dass bei ihm eine Persönlichkeitsstörung vorliegen könnte. Verteidiger Michael Hakner hält seinen Mandanten für vermindert schuldfähig. Dieses Verfahren, sagte der Anwalt vor Prozessbeginn, wird „kein Sprint, sondern ein Marathon“.