Akute Finanzkrise und knappes PersonalIn Kitas in Rhein-Sieg liegt „vieles im Argen“

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Eine Erzieherin spielt in einer Kindertagesstätte mit Kindern.

Buntes Spielzeug, trübe Aussichten: In den Kindertageseinrichtungen kämpfen die Beschäftigten mit einer Vielzahl von Problemen.

Bei einem Kita-Gipfel der SPD-Kreistagsfraktion berichteten Beschäftigte, Träger und Eltern von der Lage in den Einrichtungen.

Zu einem„ Kita-Gipfel“ hatte die SPD-Kreistagsfraktion eingeladen. Weil, so der Fraktionsvorsitzende Denis Waldästl, „in unseren Kindertageseinrichtungen vieles im Argen liegt.“ Über 100 Teilnehmende, Erzieherinnen und Erzieher, teilweise in Leitungsfunktionen, aber auch Eltern und Vertreter einzelner Träger, hatten die Einladung angenommen. Was unterstreiche, so der familienpolitische Sprecher der SPD im Düsseldorfer Landtag, Dennis Maelzer, „dass ihnen das Thema auf den Nägeln brennt.“

Akute Finanzkrise der Kita-Träger ist das drängendste Problem im Rhein-Sieg-Kreis

Eine akute Finanzkrise der Träger hatten viele der Anwesenden zu Beginn der Veranstaltung bei einer Online-Umfrage als eines der drängendsten Probleme ausgemacht. Auch eine Umfrage der Diakonie komme zu diesem Schluss, sagte Maelzer. 94 Prozent der befragten Träger hätten erklärt, dass sie Defizite machten.

Ein Drittel sehe sich von einer Insolvenz noch in diesem Jahr bedroht. In Durchschnitt mache jede Einrichtung jährlich ein Minus von 460.000 Euro, zitierte Maelzer weiter.

„Wir haben die Option, die Gehälter zu bezahlen oder schwarze Zahlen zu schreiben“, sagte ein Trägervertreter. Dann aber verliere er das Personal, das ohnehin mehr als knapp sei. 

An den meisten Tagen können wir die gesetzlichen Auflagen nicht erfüllen.
Vertreter eines Trägers

Täglich ermittle er die geleisteten Fachkraftstunden, berichtete er, halte fest, was für Aufgaben wie die Dokumentation der Arbeit aufgewendet werde. Sein Ergebnis: „An den meisten Tagen können wir die gesetzlichen Auflagen nicht erfüllen.“ Für Ausfälle durch Krankheit gebe es kein Netz

30 Prozent der Fachkraftstunden würden aufgewendet, um unqualifizierte Aufgaben zu erfüllen, berichtete Awo-Geschäftsführerin Barbara König. Davon müssten die Fachkräfte entlastet werden. 20 Kitas mit 300 Beschäftigten gehören zum Kreisverband, die Ausbildung neuer Erzieherinnen und Erzieher müsse vergütet werden, forderte sie. Zugleich müssten die Einrichtungen flexibler sein, um ihr Personal zu halten.

Auch in Lohmar „geht Personal auf dem Zahnfleisch“

„Es muss möglich sein, andere Professionen in die Kitas zu bringen, “, forderte auch der Lohmarer Beigeordnete Andreas Behncke. Es vergehe kaum ein Tag, an dem nicht Personal bei ihm vorspreche, „weil sie auf dem Zahnfleisch gehen.“ Um freie Träger mit mehr Geld unterstützen zu können, habe die Kommune aber nur zwei Stellschrauben: in ein Haushaltssicherungskonzept zu gehen oder die Grundsteuer zu erhöhen. 

Vor große Probleme stellt Träger und Einrichtungen die Ausbildung neuer Kolleginnen und Kollegen. „Wir würden gerne mehr PiA-Azubis nehmen,“ sagte Josefine Berger, pädagogischer Vorstand der Troisdorfer Kita Heidepänz. Während der „praxisorientierten Ausbildung“ (= PiA) seien diese aber nur zwei oder drei Tage pro Woche in der Einrichtung und sonst in der Schule. Hinzu komme das sechswöchige Blockpraktikum.

Finanzierung und Mangel an Berufsschulplätzen sind Hindernisse

Ein größeres Hindernis sei aber die Finanzierung, sagte Reinhild Land von der Elterninitiative Seelkirchen in Neunkirchen-Seelscheid: „60.000 Euro können wir uns einfach nicht leisten“, sagte sie, „wo sollen  wir das Geld hernehmen?“ 

Als weiteres großes Problem benannten Eltern wie Fachkräfte und Leitungen zugleich den Mangel an Berufsschulplätzen. Verzweifelt versuche ihr Sohn, eine Ausbildung zu beginnen, berichtete eine Mutter. 600 Stunden Praktikum habe er absolviert, drei Jahre als Helfer gearbeitet.

Wir sind nicht die, die ein bisschen singen und basteln.
Erzieherin

Dennoch scheitere er Jahr für Jahr. Entweder habe er einen Schulplatz oder einen Platz in einer Einrichtung — aber nicht beides zugleich. „Es sollte sein wie im Handwerk“, forderte die Mutter: „Der Ausbildungsbetrieb meldet den Azubi an zur Berufsschule.“

Dass die Situation auch den Eltern mehr abverlangt, als sie eigentlich leisten könnten, machte eine Mutter aus Niederkassel klar. Dort habe die Verwaltung die Betreuungszeit der Kinder auf 35 Wochenstunden reduziert, wenn die Eltern nicht nachweisen konnten, dass sie beide mindestens 30 Stunden wöchentlich arbeiteten. „Damit kann ich nicht mehr als 20 oder 25 Stunden arbeiten“, rechnete sie vor. 

Kritik musste sich am Ende aber auch Dennis Maelzer gefallen lassen. Sie müssten laut werden und ihren Protest am besten auch nach Düsseldorf vor den Landtag tragen, hatte er den Teilnehmenden an der Veranstaltung geraten. Sie könnten doch mit ihren Kindern schöne Schilder basteln. „Wir sind nicht die, die ein bisschen singen und basteln“, zeigte sich eine Erzieherin empört. „Dafür haben wir gar keine Zeit mehr.“

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