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Orange DayRhein-Sieg-Kreis bekennt Farbe gegen Gewalt an Frauen

3 min
Männer und Frauen sitzen auf orange Bänken. Sie tragen bedruckte Brötchentüten.

Viele Akteure bündeln ihre Kräfte im Einsatz gegen Gewalt an Frauen.

Zum Tag gegen Gewalt an Frauen machen der Rhein-Sieg-Kreis und die Bäckerinnung auf das Thema aufmerksam, an Schulen wird präventiv gearbeitet.

„Gewalt kommt uns nicht in die Tüte“, steht auf den 200.000 Papiertaschen, in denen dieser Tage Betriebe der Bäckerinnung Brot und Brötchen verkaufen. Hilfreiche Telefonnummern der Frauenhäuser, des vielsprachigen Hilfetelefons, aber auch von Beratungsstellen für Männer und Jungs stehen auf der Rückseite. Zum Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November wiederholen der Rhein-Sieg-Kreis und die Innung ihre Aktion, um auf das nach wie vor drängende Thema aufmerksam zu machen. „Unser täglich Brot“, sagte am Vortag Katja Milde, die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises. Und die Zahlen, so weiß sie, steigen weiter.

Fachkräfte aus Troisdorf arbeiten in Workshops mit jungen Leuten

Erschreckende Erkenntnisse über Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen referierte bei einem Pressegespräch Maren Diekmann vom Frauenzentrum Troisdorf: Maßlose Eifersucht, psychische oder körperliche Gewalt sind keineswegs ein trauriges „Privileg“ in Beziehungen unter Erwachsenen. Die Hälfte der jungen Leute habe zum Beispiel bereits erlebt, dass der Partner oder die Partnerin das Handy auf Nachrichten untersucht hat.

Gewalt hat viele Gesichter: Mit bebilderten Karten zu verschiedenen Themenbereichen arbeitet nicht nur das Team im Troisdorfer Frauenzentrum.

Gewalt hat viele Gesichter: Mit bebilderten Karten zu verschiedenen Themenbereichen arbeitet nicht nur das Team im Troisdorfer Frauenzentrum.

23 Prozent der Mädchen hätten schon einmal sexuelle Gewalt erfahren, zitierte Diekmann eine Studie aus Zürich, insgesamt aber sei die Gewalt in Beziehungen unter Jugendlichen ausgeglichen verteilt. Überholte Geschlechterrollen, das Miterleben von elterlicher Gewalt oder ein problematischer Medienkonsum – Stichwort Porno – sind potenzielle Ursachen. Zugleich fehle den Jugendlichen die Erfahrung aus anderen Beziehungen, um das Toxische einer Bindung zu erkennen. 

Im Rhein-Sieg-Kreis stehen bereits 70 orangefarbene Bänke

Besonders fatal, so haben die Schweizer Forschenden herausgefunden: Das Hauptrisiko für Gewalt in einer Beziehung besteht in einer erstmaligen Erfahrung: „Als würde sich eine Tür öffnen und das Thema platziert“, formuliert das Maren Diekmann. „Als würde man lernen ‚so geht Beziehung‘.“

Dass es auch anders geht, vermitteln nicht nur die Fachkräfte der Troisdorfer Beratungsstelle in Workshops an Schulen. Auch die Kollegin Berit Zimmer aus der Beratungsstelle Bad Honnef berichtete von Angeboten, die sich an Jugendliche wie Lehrkräfte gleichermaßen richten.

Sichtbares Zeichen des Orange Day sind die 70 farbig lackierten Bänke, die bis zum Ende des Jahres im Kreis aufgestellt sein werden. 36 sind seit 2021 allein am Hennefer Carl-Reuther-Berufskolleg des Rhein-Sieg-Kreises entstanden. Mädchen und junge Frauen machten in Hennef nur ein Sechstel der Schülerschaft aus, weiß Schulpfarrerin Eva Zoske-Dernóczi, nach eigenen Angaben die einzige Frau im psychosozialen Beratungsteam. Sie wisse aber auch von Jungs, die vergewaltigt, denen KO-Tropfen verabreicht wurden.

Bücher und Broschüren auf einem Tisch.

Mit einer Vielzahl von Materialien arbeiten die Fachkräfte in Schulen und Beratungsstellen gegen die Gewalt in Paarbeziehungen, vor allem aber gegen Gewalt an Frauen.

Immer mehr öffne sich die Schule, immer weiter wachse das Interesse am Thema Gewaltprävention, erklärte sie am Montag im Kreishaus. Angesichts des Geschlechterverhältnisses an dem technisch-naturwissenschaftlich geprägten Berufskolleg wolle sie hauptsächlich die Männer sensibilisieren: „Auch Männer haben Nachteile durch das Patriarchat“, will sie vermitteln. Sei belegten traurige Spitzenplätze in den Gefängnissen, beim Missbrauch von Alkohol und Drogen und bei Verkehrsunfällen. 

In Siegburg erlebt die Berufsschule eine Zunahme digitaler Gewalt

Auf die Nähe zu Schülerinnen und Schülern setzt man im Troisdorfer Georg-Kerscheinsteiner-Berufskolleg, wo ebenfalls der Rhein-Sieg-Kreis Träger ist. Es gibt regelmäßige Quartalsgespräche, wie Schulleiterin Johanna Sieling berichtete; man nehme sich Zeit und vermittle an Fachstellen, arbeite eng mit der Polizei zusammen. Viele Schülerinnen hätten bereits Gewalt erfahren oder miterlebt, sagte Dr. Thea Geisinger.

„Weiter gedacht“, so Lehrerin Belinda Wahl, hat man das Thema Gewalt am Siegburger Berufskolleg. Dort hat die Initiative „Siegburg zeigt Haltung“ eine orangefarbene Bank aufgestellt, Gewalt gegen die Demokratie ist hier ein Thema. Zugleich erlebten die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler eine Zunahme digitaler Gewalt.