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Aus schlechter Haltung gerettetRhein-Sieg-Kreis versteigert Islandponys in Euskirchen

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Endlich genug zu fressen: Die sechs Isländer können sich auf dem Hof von Dieter Pierkes den Bauch vollschlagen. Dort hatte sie der Rhein-Sieg-Kreis untergebracht.

Endlich genug zu fressen: Die sechs Isländer können sich auf dem Hof von Dieter Pierkes den Bauch vollschlagen. Dort hatte sie der Rhein-Sieg-Kreis untergebracht.

Mehrfach hatten Kreisveterinäre die Haltung bemängelt. Nun sollen die jungen Stuten in bessere Hände kommen.

Extrem vernachlässigt, ohne Stall und ausreichend Futter: So fanden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreisveterinäramts sechs junge Islandpferde auf einem Hof im Rhein-Sieg-Kreis vor. Die Tiere wurden beschlagnahmt und sollen nun meistbietend verkauft werden: Am Freitag, 3. Oktober, findet die Versteigerung beim Reit- und Fahrstall Dieter Pierkes in Euskirchen statt.

Für die Veterinäre war dies nicht das erste Mal, dass sie auf dem Hof waren. Immer wieder hatte es Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, dass die jungen Pferde nicht entsprechend versorgt würden, sie seien ungepflegt und unterernährt. Mehrere Kontrollen habe es in den vergangenen Jahren auf dem Hof gegeben, bestätigt Sprecher Antonius Nolden auf Anfrage.

Mehrere Tierschutzbeschwerden gab es über die Jahre gegen den Pferdehalter

„Es wurden gegen die Pferdehaltung mehrere verwaltungsrechtliche Maßnahmen eingeleitet, um eine Verbesserung der Haltungsbedingungen zu erreichen. Im April 2024 fand eine Kontrolle statt, bei der konkrete Auflagen erteilt wurden“, so Nolden. In der Zwischenzeit seien weitere Tierschutzbeschwerden zu dieser Pferdehaltung beim Veterinäramt eingegangen. 

Nach Ablauf der gesetzten Frist sei eine Nachkontrolle erfolgt. „Bei der Nachkontrolle waren zwar einige Forderungen erfüllt worden, allerdings hatte sich die Versorgung der betreffenden Stuten nicht wie gefordert verbessert“. Die Tiere seien immer noch nicht bedarfs- und bedürfnisgerecht gefüttert, untergebracht oder gepflegt worden, berichtet der Sprecher der Kreisverwaltung. Auch seien die Jungpferde nicht tierärztlich versorgt gewesen.  Aufgrund erheblicher Vernachlässigung und „um weiteres Leiden für die Stuten zu vermeiden“, seien die Tiere dem Besitzer fortgenommen worden.  „Aufgrund der Umstände schätzte das Veterinäramt die Aussichten auf eine Besserung der Haltung als schlecht ein, sodass die Stuten nicht zurückgegeben werden“.

Die dreijährige Karlina vom Edgarshof ist eins von insgesamt sechs jungen Islandponys, die der Rhein-Sieg-Kreis aus schlechter Haltung rettete.

Die dreijährige Karlina vom Edgarshof ist eins von insgesamt sechs jungen Islandponys, die der Rhein-Sieg-Kreis aus schlechter Haltung rettete.

Untergebracht wurden die Pferde bei Dieter Pierkes, der in Euskirchen einen Reit- und Fahrstall betreibt und auch Pferdetransporte anbietet. Dort hatte der Rhein-Sieg-Kreis auch 14 Pferde aus Spanien untergebracht, die im September 2021 von der Polizei auf der A3 in einem Lkw entdeckt wurden. 19 Stunden Fahrt hatten die völlig erschöpften Tiere hinter sich gebracht.

Das Mindestgebot für eins der jungen Pferde liegt bei 2500 Euro

Es gebe zwar kein konkretes Netzwerk für die Aufnahme von beschlagnahmten Tieren, auch halte der Kreis für solche Fälle keine Ställe für Groß- oder Nutztiere vor. „Aber durch die alltägliche Arbeit ist das Veterinäramt mit verschiedenen Tierhaltern und Tierhalterinnen, Tierschutzvereinen und Tierhändlern gut vernetzt“, so Nolden.

Eine Beschlagnahmung sei immer die letzte Maßnahme, das Kreisveterinäramt versuche durch Beratungsangebote und mehrere Kontrollen, die Situation der Tiere zu verbessern, erläutert der Sprecher das Vorgehen der Behörde. Immer dann, wenn eine erhebliche Vernachlässigung vorliege, wenn es bereits Verhaltensstörungen der Tiere gebe, wenn sie Schmerzen oder Schäden erlitten und es keine Aussicht auf kurzfristige Besserung durch die Halter gebe, könnten und müssten Tiere fortgenommen werden, manchmal auch sofort.

Reitstallbesitzer Dieter Pierkes aus Euskirchen hat schon in der Vergangenheit Tiere für das Kreisveterinäramt des Rhein-Sieg-Kreises aufgenommen; auch die 2021 aus einem Qualtransport befreiten Pferde aus Spanien.

Reitstallbesitzer Dieter Pierkes aus Euskirchen hat schon in der Vergangenheit Tiere für das Kreisveterinäramt des Rhein-Sieg-Kreises aufgenommen; auch die 2021 aus einem Qualtransport befreiten Pferde aus Spanien.

In Euskirchen-Stotzheim wurden die jungen Islandpferde, die über die Spezialgangart Tölt verfügen, aufgepäppelt, bis sie jetzt an neue Besitzer verkauft werden können. Dafür hat der Rhein-Sieg-Kreis auf einem Portal im Internet die Tiere inseriert und eine Versteigerung angesetzt: Im Reitstall Pierkes (Von-Heimbach-Straße 26 in Euskirchen) können die mittlerweile dreijährigen Stuten am 3. Oktober von 11 bis 16 Uhr besichtigt werden. Bis 16.30 Uhr muss ein schriftliches Gebot mit Selbstauskunft vorliegen. Das Mindestgebot liegt jeweils bei 2500 Euro. Bis zum 8. Oktober müssen die ersteigerten Tiere dann abgeholt werden.

Eine der beschlagnahmten Stuten erwartet möglicherweise ein Fohlen

Eins der ursprünglich sechs Pferde wurde kurzfristig aus der Versteigerung genommen: Die Besitzverhältnisse müssten abschließend geklärt werden. Dafür erwarte eine andere Stute, die einzige fünfjährige, möglicherweise ein Fohlen. Am Donnerstag soll das Ergebnis einer Blutprobe Gewissheit bringen.

Der vom Rhein-Sieg-Kreis angesetzte Preis liegt nur leicht unter Marktwert: Für die Wertermittlung der zur Versteigerung angebotenen Stuten habe man Erfahrungen anderer Islandpferdezüchter zu Rate gezogen, auch die vorhandenen Abstammungsnachweise seien als Grundlage genommen worden. Mit dem Erlös würden alle Kosten beglichen, die dem Kreis durch die Fortnahme, Unterbringung, Behandlungen und Versorgung der Pferde entstanden seien. Ein möglicher Überschuss ginge dann an den ursprünglichen Halter.

Kara Kastanía heißt diese Stute, die aus schlechter Haltung fortgenommen wurde und versteigert werden soll. Wer sie kauft, bekommt möglicherweise zwei für den Preis von einem: Die braune Stute könnte ein Fohlen erwarten.

Kara Kastanía heißt diese Stute, die aus schlechter Haltung fortgenommen wurde und versteigert werden soll. Wer sie kauft, bekommt möglicherweise zwei für den Preis von einem: Die braune Stute könnte ein Fohlen erwarten.

Und was, wenn ein oder mehrere Tiere nicht verkauft werden? „Dann würde zunächst kurzfristig eine weitere Veräußerung angesetzt. Sollte keine Aussicht darauf bestehen, dass sich auch in einer zweiten Veräußerung kein Käufer finden würde, könnte auch ein Käufer ohne Veräußerung gesucht werden. Das Hauptziel ist es, die Pferde zügig in geeignete Haltungen zu vermitteln“, so Nolden.