Rhein-Sieg-KreisScharfe Kritik an „Abschiebung“ eines MS-kranken Iraners

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In der städtischen Flüchtlingsunterkunft am Siegdamm war der 32 Jahre alte Iraner zuletzt untergebracht.

In der städtischen Flüchtlingsunterkunft am Siegdamm war der 32 Jahre alte Iraner zuletzt untergebracht.

Rhein-Sieg-Kreis – Die Flüchtlingshelfer sprechen von Abschiebung. Offiziell handelt es sich um die Rücküberstellung eines Asylbewerbers, der bis vor wenigen Tagen in Siegburg untergebracht war: Der 32 Jahre alte Mann wurde am Mittwoch nach Frankreich gebracht, wo nach den Regeln des Dublin-Abkommens über seinen Asylanspruch zu entscheiden ist.

Gleichsam auf den letzten Drücker wurde die Rückführung vorgenommen. Nach Informationen von Christa Feld von der Flüchtlingsinitiative Lohmar/ Siegburg lief gerade die Frist ab, in der ein Asylsuchender in den EU-Staat zu bringen ist, in dem er zuerst registriert wurde. Nach sechs Monaten wechselt die Zuständigkeit an das Aufenthaltsland. Im Fall des 32-jährigen Iraners veranlasste aber nicht nur das die Flüchtlingshelfer, sich für dessen Verbleib in Deutschland stark zu machen. Entsetzt ist man darüber, dass die „Abschiebung“ trotz der Krankheit des Mannes durchgezogen wurde und obwohl er Suizidabsichten geäußert habe.

Laut Feld leidet der 32-Jährige an Multipler Sklerose, ist auf den Rollstuhl angewiesen und war zwecks Cortisontherapie im St.-Johannes-Krankenhaus in Sieglar. Dort fanden sich am Mittwochmorgen sowohl Mitarbeiter der Ausländerbehörde, begleitet von einem Arzt, als auch Mitglieder der Flüchtlingsinitiative und der Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werkes sowie weitere Aktivisten ein.

Keine ärztlichen Bedenken

Der Asylbewerber befand sich allerdings nicht mehr in dem Krankenhaus. Er war in der Nacht in die Landesklinik nach Bonn gebracht worden, nach Aussage einer Aktivistin eingewiesen in die geschlossene Psychiatrie wegen Selbstmordgefahr.

Damit schien den Flüchtlingshelfern die drohende Überstellung nach Frankreich abgewendet. „Ohne richterlichen Beschluss sei es nicht möglich, ihn aus der Klinik zu holen, hat man uns gesagt.“

Landeskirche lässt Fall juristisch prüfen

Die Diakonie an Rhein und Sieg bezeichnet das Vorgehen der Ausländerbehörde als „unbarmherzig und unverhältnismäßig“. „Dass die Abschiebung des schwer erkrankten Mannes durchgeführt worden ist, können wir als Diakonisches Werk nicht nachvollziehen und schon gar nicht gutheißen“, heißt es in einer Mitteilung.

Juristen der Landeskirche und des Evangelischen Büros NRW prüften derzeit, ob sich die beteiligten Ärzte bei der Übergabe des Iraners rechtmäßig verhalten hätten. Eine Abschiebung aus der Bonner LVR-Klinik heraus sei scharf zu kritisieren. „Wie es dem geflüchteten Mann derzeit ergeht, wissen wir nicht und hoffen zutiefst, dass die medizinische Versorgung sichergestellt ist“, so die Superintendentin und Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks, Almut van Niekerk. (ah)

Katja Eschmann von der Pressestelle der Kreisverwaltung bestätigte auf Anfrage die Rückführung des Iraners. Die Entscheidung habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge getroffen, die Abteilung des Kreises für Ausländerangelegenheiten in dessen Auftrag gehandelt. „Von ärztlicher Seite hat es keine Bedenken gegen die Entlassung aus der Landesklinik gegeben“, so Eschmann. Eines richterlichen Beschlusses habe es nicht bedurft, da auch die Einweisung nicht richterlich verfügt worden sei. Der Mann sei mit medizinischer Begleitung in einem Krankentransporter nach Frankreich gefahren und dort in die Obhut von Ärzten gegeben worden.

Eine Aktivistin mutmaßt, dass der 32-Jährige „mit Medikamenten vollgepumpt“ und gegen seinen Willen aus der Klinik entlassen worden sei. Davon geht auch Christa Feld aus. Der Anwalt des Flüchtlings habe versucht, mit seinem Klienten zu telefonieren, was sehr schwierig gewesen sei, berichtet sie. „Es schien so, dass er sediert war.“ Der Rollstuhl des MS-Patienten und seine persönlichen Sachen blieben in Siegburg in der städtischen Flüchtlingsunterkunft am Siegdamm zurück. Der Kreis will sich in Abstimmung mit der Stadt um eine Nachsendung nach Frankreich kümmern, sobald von dort eine Meldung über die Unterbringung des 32-Jährigen eintrifft.

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