HistorieTausende Menschen aus Rhein-Sieg suchten Anfang der 1850er Jahre Glück in den USA

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US-Auswanderer aus dem Rhein-Sieg-Kreis.

So oder ähnlich sah es auf dem Zwischendeck eines Auswandererschiffs aus.

Im 19. Jahrhundert hat es besonders viele Menschen aus den Dörfern in Hennef und Neunkirchen und Seelscheid nach Übersee gezogen.

Zum Glück gab es Las Vegas damals noch nicht. Die Spielerstadt im US-Bundesstaat Nevada wurde erst 1905 gegründet, die Glücksspiel-Erlaubnis 1931 erteilt. Johann Niedenhofen lebte im Jahrhundert davor, und zwar in Siegburg. Von dort wanderte er Anfang der 1850er Jahre nach Amerika aus. Grund: Er wollte seiner Spielsucht entkommen.

Das ist der wohl ungewöhnlichste Anlass, sein Heimatland zu verlassen. Meist waren es wirtschaftliche, auch Hunger und Not, oder politische Gründe, warum die Menschen für sich keine Zukunft mehr im Geburtsland sahen.

Über 900 Menschen wanderten von Hennef in die USA aus

So wanderten über fünf Millionen Deutsche, darunter viele aus dem damaligen Siegkreis, in die USA aus. Die Deutschen bildeten in Amerika die größte Herkunftsgruppe unter den Zugewanderten aller Länder.

Erstaunlich ist, dass es im 19. Jahrhundert besonders viele Menschen aus den Dörfern des heutigen Hennefer Stadtgebietes waren, nämlich über 900 Personen, oder aus den Dörfern in Neunkirchen und Seelscheid 700 Menschen. Während es aus dem mit breiterem Arbeitsplatzangebot ausgestatteten Siegburg nur 130, aus Troisdorf nur 160 waren.

Die Zahlen stammen vom Landesarchiv NRW und sind auf das heutige Gebiet der Kommunen (seit der Neuordnung 1969) berechnet. Wenn man bedenkt, dass 1851 in den Dörfern Neunkirchen-Seelscheids nur 5264 Menschen lebten, war der Aderlass mit 700 Ausgewanderten enorm.

Viele verließen den Rhein-Sieg-Kreis illegal in Richtung USA

Alicia Enterman, seit 2017 Mitarbeiterin des Kreisarchivs, hat das Thema im aktuellen Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises beleuchtet und im Siegburger Stadtmuseum auch einen Vortrag darüber gehalten. Interessanterweise stammt sie aus South Dakota/USA und ist umgekehrt, von Amerika nach Deutschland, ausgewandert.

Zeitungsannonce einer Auswanderungsagentur aus Köln.

Zeitungsannonce einer Auswanderungsagentur aus Köln.

Wie die Not viele aus der Heimat vertrieb, geht aus dem Auswanderungsgesuch des Johann Peter Stauf aus Saal bei Wahlscheid vom März 1847 hervor. Ihm und seiner Familie sei ein Verbleiben „durch die seit einiger Zeit bestehende Teuerung und Verdienstlosigkeit nicht mehr möglich“, er habe „Hoffnung“ in Nordamerika seine „Existenz sichern zu können“, schrieb er.

Nicht wenige ersparten sich das schriftliche Gesuch, das an den Bürgermeister ging, an Landrat und Regierungspräsident weitergereicht wurde. Es ging nämlich auch mit Gebühren und bei Genehmigung mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft einher. Darunter waren wehrpflichtige Männer im Alter von 17 bis 25 Jahren, die der unsicheren Zustimmung der Militärkommission für ihre Ausreise bedurften. Da verließ man besser illegal das Land.

Briefe der Ausgewanderten an Daheimgebliebene wichtige Quellen

Illegale Auswanderung war beliebt, auch um gesetzlichen Schwierigkeiten zu entgehen. So stand etwa für Ludwig Becher aus Spich (Troisdorf) ein Zivilprozess in Köln an. In seinem ersten Brief nach Hause vom 26. August 1884 schrieb er: „Lieber Bruder und die junge Familie. Ich teile Dir und allen mit, dass ich am 2. August, ohne jemandem was zu sagen, nach Amerika gefahren bin.“

Die unerlaubt Ausgereisten waren hierzulande natürlich nicht registriert, jedoch bei ihrer Ankunft in den US-Häfen etwa in New York, New Orleans oder Boston. Dort schrieben die Einwanderungsbehörden aber nicht ihren Herkunftsort auf, sondern nur „Germany“ als Herkunftsland.

Bekanntester Auswanderer aus dem Siegkreis war der Sozialist Josef Dietzgen, Hennef.

Bekanntester Auswanderer aus dem Siegkreis war der Sozialist Josef Dietzgen, Hennef.

Nicht nur die archivierten Gesuche, sondern zudem die Briefe der teils auch nach Südamerika Ausgewanderten an die Daheimgebliebenen sind wichtige Quellen. Sie beleuchten das damalige Geschehen und die damit verbundenen Schicksale. Allein die Deutsche Auswandererbrief-Sammlung“ (www.auswandererbriefe.de) umfasst über 11.000 Briefe von Auswanderern.

Heimathistoriker aus dem Rhein-Sieg-Kreis haben zu Ausreise geforscht

Einige Heimathistoriker in Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises haben schon Beiträge dazu in ihren jeweiligen Jahrbüchern veröffentlicht. Viele Auswanderer hatten Erfolg in ihrer neuen Heimat, fanden Arbeit und Auskommen. Wie auch der Ackerer (Bauer) Michael Schiffbauer von Burg Schönrath (Lohmar), der 1851 mit Frau und fünf Kindern (ein bis 18 Jahre alt) auf einem Zweimastschoner von Antwerpen nach New York übersetzte.

Er starb 1898 im gesegneten Alter von 92 Jahren in Leavenworth/US-Staat Kansas, wie der Lohmarer Heimatforscher Alwin Banz berichtet.

Für einen Siegburger erfüllte sich der Traum vom besseren Leben nicht

Die Auswanderer beschrieben in den Briefen ihre neue Heimat, wie etwa Wilhelm Meis aus Uckerath. Die Sommer seien wärmer und die Winter kälter als in Deutschland, und die „Weibsleute“ hätten „nicht so viel zu thun“, meinte er tatsächlich.

Für andere, die etwa mit neuen Geschäften und Verschuldung scheiterten, erfüllten sich die Hoffnungen nicht. Höchstwahrscheinlich auch nicht für Johann Niedenhofen aus Siegburg. Er kehrte schon 1855 aus Amerika zurück, verzog letztlich nach Wiesbaden, und in den Briefen seiner teils in Amerika teils hierzulande lebenden Kinder und Verwandten ist nichts Gutes und viel Entrüstung über ihn zu lesen.

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