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Miterziehende Großeltern„Darüber will man manchmal mit den Eltern nicht reden“

4 min
Großeltern sitzen mit einem Mädchen auf der Couch und bedienen einen Laptop.

Miterziehende Großeltern entlasten die Eltern, müssen aber auch selbst Zeit opfern und belastbar sein. (Symbolbild)

Weil sie sich Austausch über ihre Zeit als miterziehende Großmutter wünschte, gründete Erika Lohre selbst eine entsprechende Gruppe.

Großeltern haben Süßigkeiten dabei, wenn sie zu Besuch kommen. Sie sind für die heiteren Momente im Leben ihrer Enkelkinder zuständig, die Mühen der Erziehung und der Auseinandersetzungen überlassen sie den Eltern. So weit das Klischee. Dass es auch ganz anders laufen kann, zeigt eine Begegnung mit der Gruppe „Miterziehende Großeltern“.

Seit einem Jahr treffen sich die Mitglieder monatlich in den Räumen der Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen. Nicht vor 17 Uhr beginnen die Treffen. „Weil wir die Kinder dann an die Eltern abgegeben haben“, erklärt Erika Lohre. Meistens zumindest, schränkt die Gründerin der Gruppe ein. 

Miterziehende Großeltern ermöglichen Berufstätigkeit der Eltern

In der Regel geht es beim Einsatz der miterziehenden Großeltern darum, die Berufstätigkeit der nächstjüngeren Generation zu ermöglichen. So wie das Frieda getan hat, die wie andere Gesprächspartnerinnen nur ihren Vornamen oder gar keinen Namen nennen möchte. „Ich bin extra deswegen hierher umgezogen.“ Von Nürnberg verlegte sie vor einigen Jahren ihren Wohnsitz nach Lohmar.

Jetzt kümmert sich Frieda täglich um die drei Jungs: einen Fünfjährigen und die achtjährigen Zwillinge; ihren Job in Franken hatte sie dafür aufgegeben. „Ein Segen“ war es für Erika Lohre, dass ihre Tochter den Kinderwunsch hatte „und ich einspringen durfte.“ Seit zwölf Jahren ist die heute 73-Jährige „im Geschäft“, wie sie schmunzelnd sagt; die Enkel sind elf und neun Jahre alt. Zwei Tage in der Woche ist Erika Lohre da, wenn die beiden aus der Schule kommen, sorgt dafür, dass etwas zu essen auf dem Tisch steht.

„Es ist auch sehr anstrengend“, gibt Lohre zu, die als Floristin einen eigenen Laden hatte: Der Elfjährige ist früh schon in der Pubertät, und „es geht halt nicht an einem vorbei, dass man auch Grenzen setzt“. Doch ohne Neinsagen geht es nicht, wie Frieda bestätigt: „Wenn man die Kinder viel um sich hat, kann man sie nicht nur verwöhnen“.

Man lernt ja auch von seinen Kindern
Teilnehmerin der Gruppe Miterziehende Großeltern

Debatten mit den Enkeln bleiben nicht aus. „Das geht los mit den Computerspielen“, sagt Erika Lohre; eine weitere Teilnehmerin spricht von einer „Gratwanderung“, die der Umgang mit dem Erziehungsverhalten der Eltern darstelle. Aber, so räumt sie ein: Manches finde sie besser als früher, „man lernt ja auch von seinen Kindern.“

Eigentlich habe sie eine Gruppe gesucht, um über die Enkel zu reden, erzählt Erika Lohre. Um zu hören, „ob das alles normal ist, was man da so erlebt“. Die gesuchte Gruppe gab es nicht, „mach’ doch selber eine“, empfahl damals Jutta Klee, die Leiterin der Selbsthilfe-Kontaktstelle. Gesagt, getan, seither treffen sich die Mitglieder regelmäßig.

Gruppe spricht über Probleme, Selbstzweifel und schöne Erlebnisse

Sie tauschen sich aus, hören, wie es den anderen im Alltag geht, erfahren, wie sie mit ihren Kindern übereinkommen. Sie sprechen über Probleme und Selbstzweifel, aber auch über die schönen Erlebnisse. „Vertrauensvoll reden“ könne man hier, sagt Claudia; und auch die anderen freuen sich über die Gelegenheit, auch über Schwierigkeiten zu sprechen. „Darüber will man manchmal mit den Eltern nicht reden“, sagen sie. 

Kontakt zur Gruppe fand damals auch Claudia, die ihre Enkeltochter zunächst in Frankfurt betreute, als die Tochter erkrankt war, und das Kind schließlich für ein Jahr bei sich in Hennef aufnahm. Es war sehr anstrengend, gibt die 66-Jährige zu; „aber auch toll.“ Der Einzug brachte „wieder Leben ins Haus“, wo Claudia, gerade in Rente gegangen, und ihr Mann, schon länger im Ruhestand, lebten. 

Großeltern begegnen manchen Situationen mit mehr Gelassenheit als Eltern

„Erfrischend“ nennt Claudia den Kontakt zu jungen Müttern, denn „mit Gleichaltrigen geht es ja eher um Krankheiten“. Dass man „nicht mehr so die Nerven hat“, wie Frieda das formuliert, gibt auch Claudia zu. Dafür begegne man vielleicht anderen Situationen mit mehr Gelassenheit. Die Kindheit ihres Sohnes und ihrer Tochter hat sie „viel getakteter“ in Erinnerung; sie könne sich kaum entsinnen, in Ruhe mit ihren eigenen Kindern gespielt zu haben.

Nun sei sie zwar weniger belastbar gewesen, aber insgesamt entspannter im Umgang mit dem Enkelkind. Das Gefühl der Verantwortung kann aber keine der Frauen abschütteln. „Ich fahre in Urlaub“, sagt Erika Lohre; „habe private Termine.“ In der gewonnenen Freizeit beschäftigt sie sich mit Seminaren und der Ausbildung zur Gruppenleiterin. Und die Eltern bekämen die Betreuung auch jedes Mal gestemmt. „Ich bin aber in Gedanken immer ein bisschen bei den Kindern.“

Frieda berichtet an diesem Nachmittag vom fünften Geburtstag des Enkels. Mit dem neuen Fahrrad habe der die Oma den ganzen Tag auf Trab gehalten, Stunden hat sie auf der Straße zugebracht. Dann, so gesteht die 64-Jährige, „bin ich abends froh, wenn ich nach Hause gehe und alle gesund und munter sind.“ 

Ob das eigene Leben ein bisschen zu kurz kommt? Da sind sich alle nach kurzer Bedenkzeit einig: Bereut haben sie es noch nicht. „Auch wenn es manchmal anstrengend ist.“ Die Gruppe freut sich über jedes neue Mitglied: „Denn jeder und jede bringt ja andere Erfahrungen und neue Ideen mit.“


Kontakt zu der Gruppe vermittelt die Selbsthilfe-Kontaktstelle Rhein-Sieg-Kreis in Troisdorf, 02241/94 99 99 oder per Mail an selbsthilfe-rhein-sieg@paritaet-nrw.org.