Karolin und Brita Böckenfeld trainieren in Sankt Augustin. Als gleichgeschlechtliches Tanzpaar sind sie im deutschen Turniertanz eingeschränkt.
Abseits von RollenklischeesEquality-Paar trainiert beim Tanzsportkreis Sankt Augustin

Karolin und Brita Böckenfeld trainieren beim Sankt Augustiner Tanzsportkreis.
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Wer an Paartanz denkt, sei es ein Walzer, Tango oder Rumba, hat sofort ein Bild mit klischeehafter Rollenverteilung im Kopf: Es tanzen ein Mann und eine Frau, der Mann führt, die Schritte der Frau sind eine Antwort auf seine Impulse. Anders funktioniert „Equality“ - die Tanzkategorie, in der Brita (58) und Karolin Böckenfeld (39) gemeinsam auf Turnieren antreten. Hier tanzen gleichgeschlechtliche und andere queere Paare Standardtänze wie Walzer, Quickstep und Foxtrott.
Brita und Karolin Böckenfeld haben sich in der Frauentanzschule „Swinging Sisters“ in Köln kennengelernt und trainieren seit einem Jahr beim Tanzsportkreis Sankt Augustin. Beide nehmen sowohl den führenden als auch den folgenden Part ein: Sie wechseln die Rollen innerhalb eines Tanzes. Dabei entstehe für Zuschauende eine spannende Dynamik, die auch für das Tanzpaar selbst Vorteile bringe: „Wenn man beide Seiten kennt und weiß, wie schwierig die jeweils andere Rolle ist, dann hat man beim Tanzen ein ganz anderes Verständnis füreinander“, erklärt Karolin Böckenfeld.
Gleichgeschlechtliche Paare bei Tanzturnieren diskriminiert
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen bei Turnieren des Deutschen Tanzsportverbands (DTV) nicht mit gemischtgeschlechtlichen Paaren antreten. In der Kategorie „Equality“ gibt es eigene Turniere, die aber oft kleiner sind und seltener stattfinden. „Ich darf meine Frau heiraten, ich darf unsere Tochter adoptieren, aber ich darf nicht mit meiner Frau in Deutschland auf Turnieren tanzen. Dafür müssen wir nach Belgien oder Holland fahren“, sagt Brita Böckenfeld. „Das ist schon krass, dass das im Jahr 2025 noch so ist – in meinen Augen ist das eine klare Diskriminierung.“
Brita Böckenfeld tanzte schon als Jugendliche auf Turnieren mit ihrem damaligen Tanzpartner: „Tanzsport war schon immer genau mein Ding.“ Sie hörte vorerst damit auf, als sie für ihr Studium nach Münster zog: „Damals war für mich auch mit meinem Coming-out ein Punkt erreicht, wo klar war, ich gehe jetzt nicht in eine normale Tanzschule und suche mir da einen Tanzpartner“, erzählt die 58-Jährige.
Die Zeit wird wieder zurückgedreht. Umso wichtiger finde ich es, dass wir uns im Sport nicht diskriminieren lassen.
Als Studentin stellte sie mit einem Schwul-Lesbischen Verband einen eigenen Tanzkurs auf die Beine. Schon in dieser Zeit habe sie beim Tanzsportverband angefragt, ob sie auch als gleichgeschlechtliche Paare bei Turnieren mittanzen dürften. „Da sind wir sehr ruppig abgewiesen worden“, erinnert sich Böckenfeld. „35 Jahre später muss auch irgendwann mal klar sein: So können wir auf Dauer nicht miteinander umgehen. Inzwischen leben wir außerdem in Zeiten, wo das Leben für uns nicht einfacher wird.“ Brita Böckenfeld spricht das Erstarken der AfD an: „Die Zeit wird wieder zurückgedreht. Umso wichtiger finde ich es, dass wir uns im Sport nicht diskriminieren lassen.“

Auf Turnieren tanzen Karolin und Brita Böckenfeld in roten Fräcken.
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Karolin Böckenfeld begann als Jugendliche mit ihrem damaligen Freund mit dem Tanzen, der auch nach der Trennung vorerst ihr Tanzpartner blieb. „Mit Anfang 20 habe ich meine erste Freundin kennengelernt, die dann gesagt hat, ‚ich möchte aber auch mit dir tanzen‘. So bin ich dann zu den ‚Swinging Sisters‘ gekommen“, erzählt die 39-Jährige. 2018 lernte sie dort ihre heutige Ehefrau kennen. Beide tanzen seit der Coronazeit zusammen und sind inzwischen Eltern einer vierjährigen Tochter.
Zu der Sankt Augustiner Tanzschule kamen die Kölnerinnen durch Zufall. Ihre Formation bei den „Swinging Sisters“ hatte sich aufgelöst, und das Gruppentraining am Montagabend passte beiden gut in die Woche. „Wir haben uns direkt hier willkommen gefühlt“, sagt Karolin Böckenfeld.
Es ist ein Wettkampf, aber sobald wir von der Fläche gehen, sind wir eine große Familie und teilen die gleiche Leidenschaft.
Die Turniere im Equality-Tanz verliefen familiär, offen und herzlich, erzählt Karolin Böckenfeld: „Es ist ein Wettkampf, aber sobald wir von der Fläche gehen, sind wir eine große Familie und teilen die gleiche Leidenschaft.“ Bei gemischtgeschlechtlichen Wettbewerben herrsche oft eine andere Stimmung. Andererseits böten sich Tanzpaaren hier mehr Chancen, an Turnieren teilzunehmen und sich weiterzuentwickeln. „Ich möchte die Möglichkeit haben“, sagt Brita Böckenfeld, „ob ich die dann nutze, ist ja eine andere Frage.“
An der Gemeinschaft im Equality-Tanz schätzen beide außerdem die Möglichkeit, sich so zu kleiden und zu schminken, wie sie persönlich sich ausdrücken wollen. In gemischtgeschlechtlichem Tanzsport gebe es oft klare Vorgaben dazu, wie man bei einem Turniertanz aussehen solle, sagt Brita Böckenfeld. „Wir tanzen aktuell beide in einem roten Frack. Vielleicht tanzen wir auch irgendwann mal im Kleid, keine Ahnung – aber wir dürfen es wählen.“