Rhein-Sieg-GymnasiumAngela Roy und Peter Kremer mit Alzheimer-Stück in Sankt Augustin

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Angela Roy und Peter Kremer stehen als Alzheimer-Ehepaar auf der Bühne.

Sankt Augustin – Gut 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind Alzheimer-Patienten. Für sie und ihre Angehörigen muss der Titel des Theaterstücks „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“, das jetzt in der Aula des Rhein-Sieg-Gymnasiums gezeigt wurde, eine Provokation sein. Doch Theater-Erfolgsautor Peter Turrini geht noch weiter: Was ist, wenn sich die unaufhaltsame Reise ins Vergessen als Segen erweist?

Zwangsbespaßt und unterversorgt dämmern Johannes (Peter Kremer) und Helga (Angela Roy) in der Seniorenresidenz „Herbstfreude“ in ihren Rollstühlen vor sich hin. Ein Lichtwechsel genügt, und das demente Paar lässt seine Rollstühle hinter sich, um wieder als liebestrunkene „68er“ die Welt aus den Angeln zu heben.

Johannes sieht sich als Revolutionär und Schriftsteller, voller Verachtung für das väterliche Vermögen; Helga lebt für den Tanz und ein Dasein an der Seite ihres Geliebten.

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Durchbrochen wird das Vergessen von Blicken in die Vergangenheit.

Eine ungeplante Schwangerschaft und eine Rückblende weiter stellen sich die Dinge schon anders da: Johannes hat die Papierfabrik seines Vaters übernommen und zum Weltkonzern gemacht, Helga brach ihr Studium ab, um sich um den gemeinsamen Sohn zu kümmern, und tanzt nur noch selten.

Verkümmertes Leben

Johannes geht fremd, selbst dann, als seine Frau im Kreißsaal liegt, und sie behandelt ihn als das Schwein, zu dem er geworden ist. „Der Kommunismus ist tot, Prost!“ – „Unsere Ehe auch, Prost! Du bist zwar ein Schwein, aber tanzen kannst du.“ Zwischen all seinen Affären verkitscht sich Johannes zum skrupellosen Möchtegern-Revoluzzer, sie verkümmert zwischen Feng-Shui-Garten und einer ungesunden Begeisterung für sibirische Tomaten.

Natürlich hat Turrini das Verglimmen dieser Ehe arg statisch auf dem Reißbrett skizziert. Dafür funkeln die Dialoge in dieser Inszenierung des Münchner „a.gon Theater“ umso heller. Zwar sind beide Darsteller eigentlich zu jung für ihre Rolle, dafür bewahrt sich Angela Roy auch als Greisin das wunderbar Mädchenhafte.

Bittere Pointen

Peter Kremer, als ZDF-Ermittler Siska zum Publikumsliebling geworden, überdreht als Testosteron-getriebener Zampano und fügt sich doch wunderbar in die durch lakonische Leichtigkeit getragene deutsche Erstaufführung von Johannes Pfeifer.

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Wieder jung sein, das erlebt das Paar auf der Bühne.

Man merkte dem Publikum in der mäßig gefüllten Schulaula an, dass es sich bei den zahlreich vorhandenen Pointen schon etwas unbehaglich fühlte – nicht schlecht für einen Theaterabend. Ob Johannes und Helga ein Happy End vergönnt ist, lässt sich gar nicht so einfach sagen. Und doch verblassen dank Alzheimer die Verletzungen und legen das frei, was wirklich zählt.

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Fast schon nebenbei arbeitet sich der Autor an den Zuständen in der Pflege ab. Da wird unverhohlen Werbung für elektrische Rollatoren der Marke „Auferstehung“ gemacht. Und der Altenheim-Manager Alfi, der die Hochbetagten mit penetranter Lebensfreude behelligt, hängt sich schließlich auf. Nicht die einzige bittere Pointe, die Peter Turrini für seine Zuschauer bereit hält.

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