Ukrainische FlüchtlingePensionär und Lehrerin aus Sankt Augustin helfen übersetzen

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Jürgen Schaschek und Ludmila Kaletchits mit ihren Namen in kyrillischer Schrift 

Sankt Augustin – Jürgen Schaschek blättert in seinem alten Schreibheft aus dem Russisch-Unterricht, das er mehr als 50 Jahre lang aufbewahrt hat. In kyrillischer Schrift hat er darin Wörter und Sätze aufgelistet; die Schönschrift verrät, welche Mühe er sich damals gab. Als Jugendlicher lernte der gebürtige Duisburger zwei Jahre freiwillig Russisch auf dem Gymnasium. Diese und andere Kenntnisse will er bei der Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine in die Waagschale werfen.

Pensionär frischte seinen Wortschatz auf

„Ich habe bei der Stadt Sankt Augustin angerufen. Nun stehe ich auf der Helferliste“, sagt Schaschek. Als IT-Spezialist im Ruhestand will er seine Hilfe bei Verwaltungsvorgängen anbieten, die bei einem Zustrom von Flüchtlingen anfallen.

Seine Frau und er wollen außerdem eine Familie bei sich aufnehmen. „Und mein russischer Wortschatz, den ich nun auffrischen will, reicht aus, um den ersten Kontakt mit Menschen zu knüpfen, sie beim Einkaufen und Behördengängen zu unterstützen.“ Denn Russisch ist die zweite Sprache, mit der die meisten Ukrainer aufgewachsen sind.

„Ich fühle mich als Europäer“

Der 68-Jährige hat familiäre Wurzeln in Tschechien. „Ich fühle mich als Europäer. Mit aller Kraft möchte ich dazu beitragen, die freiheitlich-demokratische Ordnung zu verteidigen“, erklärt der Sankt Augustiner, der sich bei Reisen stets einen Grundwortschatz angeeignet hat, in den romanischen Sprachen, aber auch auf Dänisch, Niederländisch und Polnisch.

Zurzeit lernt er Türkisch. „In ein Land zu reisen, ohne die Sprache zu kennen: Das ist wie das Kochen eines Gerichts ohne Salz“, meint Schaschek, der die russische Sprache wegen ihres herben Klangs liebt.

„Putin ist nicht das russische Volk“

Für tiefergehende Gespräche mit den Flüchtlingen will ihm Ludmila Kaletchits aus Belarus zur Seite stehen, die fließend die russische Sprache beherrscht. Seit 2003 lebt die Klavierlehrerin in Sankt Augustin – die Familien sind befreundet. „Putin ist nicht das russische, Lukaschenko nicht das weißrussische Volk“, betont die 47-Jährige, die an der Universität für Kultur in Minsk Musik studiert hat und dort 1999 ihr Examen bestand.

Sie berichtet von einem Klima der Angst. „Ich war sehr gut befreundet mit Oppositionellen“, sagt sie. „80 Prozent meiner Kolleginnen und Kollegen waren zeitweise oder sind im Gefängnis.“ Ein paar Flugblätter zu verteilen, Aktionen, an denen sie sich auch beteiligte, hätten bereits ausgereicht. Nur mit einigen Büchern im Gepäck entschloss sie sich als 24-Jährige, das Land zu verlassen, zunächst Richtung Griechenland, wo ihr damaliger Mann lebte.

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„Ich habe mich als Bürgerin in Belarus nicht wertgeschätzt gefühlt und keine Zukunft mehr für mich gesehen“, sagt die Mutter von drei Kindern, die seit 2010 an der Musikschule Sankt Augustin Klavier unterrichtet und auch Yogastunden gibt. „Ich bin grundsätzlich gegen Gewalt und Krieg.“

Unabhängig von der Nationalität habe jeder Mensch das Recht auf Frieden, Liebe, freie Meinungsäußerung und Respekt. „Ich durfte das als Kind und junge Frau leider nicht erfahren. Deshalb möchte ich mich nun dafür einsetzen.“

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