UrteilAngeklagter muss nach Angriff auf Polizisten anderthalb Jahre in Haft

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Siegburg_Amtsgericht

Der Eingang zum Amtsgericht in Siegburg (Symbolbild)

Troisdorf/Siegburg – Es war eine Szene wie im Krimi: Polizisten sprühen Pfefferspray in einen Transporter, in dem sich ein Mann verschanzt hat. Der reißt die Tür auf, zielt mit einer Schusswaffe auf einen Beamten. Ein zweiter nimmt ihn ins Visier, will gerade abdrücken, als er etwas Hellblaues im Fadenkreuz erblickt: „Mein Kollege. Das hat mich gestoppt. Der Angeklagte würde sonst nicht mehr leben“, sagte der Polizist im Zeugenstand des Siegburger Schöffengerichts.

Der Mann auf der Anklagebank stützte den Kopf in die Hände. An das Geschehen vor knapp einem Jahr könne er sich nicht erinnern, beteuerte der 46-Jährige. Den Zeugen hat sich die Lage am 24. Mai jedoch eingebrannt.

Täter rief wiederholt „Ich schieße!“

Dass jemand wild mit einer scharfen Waffe hantiert und, umringt von Menschen, wiederholt ruft: „Ich schieße“, das sei nicht alltäglich im Rhein-Sieg-Kreis. In einer solchen Situation müssten die Einsatzkräfte vom Ernstfall ausgehen, aus einigen Metern Entfernung sei weder erkennbar, ob es sich eventuell um eine täuschend echte Gaspistole mit zugeschweißter Mündung handelt – eine „Scheinwaffe“ –, noch ob sie leer oder geladen ist.

In der scharfen Schusswaffe war ein Magazin mit Munition, allerdings war keine Patrone im Lauf, das stellte sich später heraus. Einer der Beamten hatte in die Schusshand des Angreifers gegriffen und ihn zu Boden gebracht, zwei weitere Kollegen eilten hinzu, fixierten und fesselten den Mann. Im Gerangel fiel die Waffe zu Boden.

Feuerwehrleute und Bauhofmitarbeiter waren ebenfalls dabei auf dem Gelände des Troisdorfer Bauhofs, wo sichergestellte Fahrzeuge geparkt werden. In einem Transporter hatte sich offenbar der Angeklagte häuslich eingerichtet, nachdem seine erste „Unterkunft“, ein alter Pkw, wenige Wochen zuvor am Siegburger Trerichsweiher entdeckt und konfisziert worden war.

Beschäftigte der Stadt Troisdorf entdeckten ihn am Morgen des 24. Mai und alarmierten die Polizei. Die Beamten versuchten, den Mann erst durch Klopfen herauszuholen, dann mittels Pfefferspray. Keine Reaktion.

Ein Versuch, die Schiebetür aufzubiegen, scheiterte. Dann riefen die Polizisten die Feuerwehr, um die Hecktür aufbrechen zu lassen. Währenddessen versuchte der Angeklagte, durch die Schiebetür zu fliehen, und die Lage eskalierte.

Angeblich unter Drogeneinfluss

Er habe unter Drogen gestanden, sagte der Angeklagte. Die erfahrenen Beamten sahen das anders: „Er war völlig klar und ansprechbar und auch körperlich fit“, sagte ein Polizist aus. Seitdem sitzt der 46-Jährige wegen diverser Delikte in Haft, was ihn offensichtlich stabilisiert hat. Sieben Drogenscreenings waren allesamt negativ, er strebt eine stationäre Therapie an.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand erkannte bei ihm „glaubhafte Reue“ und verurteilte ihn zu eineinhalb Jahren Haft. Auch angesichts der Folgen für den Polizisten, auf den der Angeklagte zielte: Der 53-Jährige ist seitdem dienstunfähig erkrankt und in Psychotherapie. Aussichten: negativ.

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