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Im 20-Minuten-TaktZahl der Kirchenaustritte im Rhein-Sieg-Kreis nimmt weiter zu

Lesezeit 3 Minuten
Rechts und links neben einem leeren Gang zum Altar stehen leere Kirchenbänke.

Der Siegtaldom in Windeck-Dattenfeld.

Wer aus der Kirche austreten will, muss damit rechnen, lange auf einen Termin zu warten. Zu viele Anträge haben die Gerichte zu bearbeiten.

Die Welle der Kirchenaustritte ist im vergangenen Jahr auch durch den Rhein-Sieg-Kreis und die Nachbarkreise gerollt und hat sich dabei sogar noch höher aufgetürmt als in den Jahren zuvor.

Waren es 2020 noch 2036 Personen, die im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Siegburg (Siegburg, Lohmar, Hennef, Sankt Augustin, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Niederkassel, Ruppichteroth, Troisdorf und Eitorf) einer Kirche den Rücken kehrten, stieg ihre Zahl im Jahr 2021 auf 3866.

Der Kirchenaustritt kann auch bei einem Notar erklärt werden 

Im vergangenen Jahr schließlich erklärten insgesamt 5655 Menschen ihren Kirchenaustritt direkt beim Amtsgericht oder – auch das ist möglich – bei einem Notar. In der Geschäftsstelle des Notars werde die Unterschrift unter der vorbereiteten Austrittserklärung beglaubigt, sagte Notar Michael Uerlings, Sprecher der Rheinischen Notarkammer; das sei „relativ kurzfristig“ möglich. Für die notarielle Beglaubigung der Unterschrift würden Gebühren von „mindestens 30 Euro“ fällig.

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Noch einmal so viel sei beim Amtsgericht zu zahlen, wenn die beglaubigten Papiere dort abgegeben werden. Die bei Gericht zu entrichtende Gebühr ist nämlich auch nach dem Gang zum Notar zu bezahlen.

Immerhin führt dieser Weg schneller zum Wegfall der Kirchensteuer: Dafür gilt der Eingangsstempel des Gerichts. Die Steuer entfällt dann ab dem folgenden Monat. Wie viele Personen den Gang zum Notariat vorzogen, werde nicht separat erfasst, sagte Gerichtssprecher Christoph Turnwald. Insgesamt aber machten die Austritte aus der katholischen Kirche ein Mehrfaches der Austritte aus der evangelischen Kirche aus.

Am Siegburger Amtsgericht sind sieben Mitarbeiter zuständig

Persönliche Vorsprache ist beim Amtsgericht ebenso notwendig wie beim Gang zum Notar. Wobei die Austrittswilligen höchst unterschiedlich lang auf ihren Termin bei Gericht warten müssen.

Aus einer Liste, die das NRW-Justizministerium zur Sitzung des Landes-Rechnungsausschusses vorlegte, geht hervor, dass es am Amtsgericht in Wipperfürth gar keine Wartezeiten gibt. Hier sind vier Beschäftigte mit der Aufgabe betraut. Kaum Wartezeit heißt es auch im Gericht in Euskirchen: Nach drei bis fünf Werktagen ist man dran.

In Siegburg sind laut Ministeriumsliste sieben Beschäftigte des Amtsgerichts allein für Kirchenaustritte zuständig, eineinhalb Monate Wartezeit gibt das Ministerium an. „Wir versuchen, das bedarfsgerecht zu steuern“, sagte Gerichtssprecher Christoph Turnwald. Im 20-Minuten-Takt werden die Termine vergeben.

Am Amtsgericht Waldbröl warten Austrittswillige drei Monate 

Tatsächlich sind – Stand Freitag – in der Online-Buchung erst am 1. März wieder Termine zu haben. Dann aber geht es schnell, wie der Sprecher erklärt: „Das ist eine reine Antragsstellung“, aufgenommen von Justizangestellten und nach Bezahlung der Gebühr von 30 Euro abgeschlossen. „Als Entscheider“ sind – rein formal, da es keine Prüfung gibt – Rechtspfleger in der Bearbeitung zeichnungsberechtigt.

Drei Monate warten Austrittswillige auf einen Termin beim Amtsgericht Waldbröl. Dort kümmern sich drei Beschäftigte um das Thema. In Königswinter beträgt die Wartezeit eineinhalb bis zwei Monate, eine Person ist hier für die Austritte zuständig.

Spitzenreiter nicht nur im Landgerichtsbezirk Münster ist das Amtsgericht Ibbenbüren. 29 Männer und Frauen arbeiten dort, damit auch beim Kirchenaustritt alles seine Ordnung hat. Wartezeiten gibt es aber auch hier: „Mindestens ein Monat“, heißt es in der Liste des Ministeriums.


Seit 2003 gibt es in der evangelischen Johanneskirche Troisdorf eine Kircheneintrittsstelle; grundsätzlich ist der (Wieder)-Eintritt in jedem Gemeindeamt möglich. „Es gibt Menschen, die bewusst nach Kirche suchen“, sagt Pfarrer Sebastian Schmidt über die vergangenen Monate. Mitzubringen sind der Personalausweis und die Taufurkunde oder die Austrittsbescheinigung. 

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