Immer mehr Menschen melden Landplanarien in NRW. Experte Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung München gibt Auskunft.
Was wir wissenGiftige Strudelwürmer in NRW gesichtet – Welche Gefahr geht von ihnen aus?

Strudelwürmer, hier Caneoplata variegata, finden sich inzwischen an vielen Stellen in NRW.
Copyright: Frank Glaw
Sie kriechen lautlos durch feuchte Gartenecken, sehen manchmal aus wie harmlose Nacktschnecken und sind doch eine ganz eigene Bedrohung: Eingeschleppte „Landplanarien“ – auch Strudelwürmer genannt – breiten sich langsam, aber stetig in Nordrhein-Westfalen aus. Was verbirgt sich hinter diesen Tieren, die sogar giftig sein können?
Noch keine „invasive Art“ – aber auf dem Radar
Frank Glaw ist Experte für Amphibien und Reptilien an der Zoologischen Staatssammlung in München (SNSB). Er hat in Köln studiert und in Bonn promoviert. „Mein Schwager in Korschenbroich (Rhein-Kreis Neuss) hatte eine Landplanarie in seinem Garten entdeckt und mich gefragt, ob ich das Tier kenne. Daraufhin habe ich recherchiert und festgestellt, dass diese Art (Caenoplana variegata) in Deutschland noch gar nicht bekannt war.“ Seitdem beschäftigt er sich mit den Tieren. In den letzten Jahren wurden die eingeschleppte Landplanarien unter anderem in der Westhovener Aue in Köln, in Jülich im Kreis Düren und in Korschenbroich im Rhein-Kreis Neuss nachgewiesen.

Der Strudelwurm Caneoplata variegata ist in Deutschland noch nicht lange bekannt.
Copyright: Kathrin Glaw
Gegenwärtig nimmt die Zahl der dokumentierten Fälle zu, insbesondere in Gärten, Gewächshäusern und botanischen Einrichtungen. Ein Strudelwurm wurde an einem Kinderschwimmbecken beobachtet. „Gerade in den ersten Maiwochen sind viele Menschen mit der Gartenarbeit beschäftigt und entdecken dabei manchmal die Tiere.“
Die Fotos, die Frank Glaw erreichen, seien sehr unterschiedlich, erklärt er. Manche Strudelwürmer seien markant gefärbt, andere so unscheinbar, dass man sie leicht mit Nacktschnecken verwechseln könnte. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Landplanarien bereits viel weiter verbreitet sind, als bisher bekannt ist“. Gesichtete Tiere können bei Frank Glaw gemeldet werden. Wichtig sind ein aussagekräftiges Foto und eine genaue Fundortangabe: landplanarien@snsb.de.
Wie gefährlich sind Strudelwürmer?
Grundsätzlich könnten sich einige Arten von Strudelwürmern in ein neues Ökosystem einfügen, ohne Schaden anzurichten. „Ein kleinerer Prozentsatz kann aber sehr problematisch werden und erhebliche Schäden anrichten“, so der Experte weiter. Das seien die Strudelwürmer, die sich bei uns in der freien Natur vermehren können. Zu ihnen gehören beispielsweise Caenoplana variegata, Obama nungara oder die vielleicht auch im nur zehn Kilometer von NRW entfernten niederländischem Melderslo gemeldete Art Obama anthropophila, die eigentlich in Brasilien lebt.
Strudelwürmer sind Fleischfresser und ernähren sich von Kellerasseln, Schnecken oder anderen kleinen Tieren. Die Giftigkeit sei noch nicht vollständig untersucht. Einige Arten sollen ein starkes Nervengift produzieren – Tetrodotoxin –, welches beispielsweise auch bei Kugelfischen vorkommt.
Die Tiere sollten daher nicht in die Hand genommen werden, und wenn doch, sollten die Hände danach gründlich gewaschen werden. Allergische Reaktionen können nicht ausgeschlossen werden. Landplanarien sollten von Kleinkindern ganz ferngehalten werden, damit diese nicht versehentlich in den Mund genommen werden. In einigen Fällen hätten sich Hauskatzen nach dem Fressen von Landplanarien erbrochen.
Gefahr für das Ökosystem? Strudelwürmer in NRW gesichtet
Aufgrund ihrer Giftigkeit haben die Landplanarien nur wenige natürliche Feinde. Gefahr gehe vor allem von Strudelwürmern aus, die mit Vorliebe Regenwürmer fressen. Die in England eingeschleppte Art Arthurdendyus triangulatus habe dort die Regenwurmbestände drastisch reduziert und zu Ernteeinbußen geführt.
Frank Glaw erklärt: „Sollte diese Art nach Deutschland gelangen, könnte sie auch hier große Schäden anrichten, denn ein Boden ohne Regenwürmer ist weniger fruchtbar und wird vermutlich verringerte Ernten zur Folge haben.“
Zerschnittene Strudelwürmer können weiterleben
Landplanarien leben meist an dunklen, feuchten Stellen – im Grunde dort, wo auch Nacktschnecken leben können. Der Import von Pflanzen aus wärmeren Ländern sei eine Möglichkeit, wie die Tiere eingeschleppt werden. Bei der Lagerung in den Gewächshäusern könnten die Tiere auch auf andere Pflanzen übergehen.
Ihre Fähigkeiten zur Vermehrung sind nach Angabe von Frank Glaw beeindruckend: Einige Arten, auch Caenoplana variegata, sind in der Lage, aus zerschnittenen Stücken neue Tiere zu regenerieren. Diese Art der Fortpflanzung ist ebenso üblich wie die geschlechtliche Reproduktion der Zwitter.
Die Ausbreitung der Strudelwürmer lässt sich kaum verhindern
Wie lange Strudelwürmer leben, sei noch nicht ganz klar. Ein regeneriertes Teilstück eines Strudelwurms hat nach Glaws Angaben im Terrarium fast fünf Jahre gelebt und sich dann wiederum dreifach geteilt.
„Zwar wurden in NRW bereits mehrere gebietsfremde Strudelwurmarten gesichtet, doch als invasiv gelten sie bislang nicht“, erklärt Glaw. Um als invasiv eingestuft zu werden, müssten sich die Tiere nicht nur ausbreiten, sondern auch nachweislich Schäden an heimischen Ökosystemen verursachen. Die Ausbreitung könne man kaum verhindern.