Kölner KreidekreisVerein hilft Heimkindern, die wenig Besuch bekommen

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Corina Heger geht gerne mit ihrem Patenkind Antonia bummeln. Antonia möchte nicht erkannt werden.

Corina Heger geht gerne mit ihrem Patenkind Antonia bummeln. Antonia möchte nicht erkannt werden.

Köln – Corina Heger und ihr Patenkind fahren mit der Rolltreppe in den ersten Stock des Shopping-Centers. Antonia muss zwar eigentlich noch für die Matheklausur am nächsten Tag üben, aber eine halbe Stunde bleibt ihnen trotzdem noch zum Bummeln. Die beiden genießen es, zusammen Zeit zu verbringen. Sie haben sich erst vor sechs Jahre kennengelernt. Patenkind und Patentante verbindet eine besondere Beziehung.

Es ist ein Zufall, der die beiden letztlich zusammenführt. Corina Heger singt in einem Kölner Kirchenchor und erfährt dort von der Arbeit des „Kölner Kreidekreis“. Der Verein hilft Kindern, die im Heim leben und keinen Besuch von ihren Eltern bekommen. Eine schwierige Situation, die für die Kinder sehr belastend sein kann. Sie fühlen sich verlassen, haben keine Ansprechpartner außerhalb der Betreuungseinrichtungen.

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Dabei wäre es wichtig, wenn jemand da wäre. Zum Zuhören. Um Orientierung zu geben. Um bei den Hausaufgaben zu helfen. Oder einfach nur, um gemeinsam Zeit zu verbringen. Der „Kölner Kreidekreis“ versucht, die Betreuungslücke zu schließen.

Ohne Vorwarnung ins Heim

Antonia lebt seit ihrem zwölften Lebensjahr im Kinderdorf Bethanien in Bergisch-Gladbach. Sie weiß, wie es ist, Vater und Mutter zu haben, und das macht die Situation für sie nicht leichter, als sie im Heim untergebracht wird. Nach der Trennung der Eltern war die Mutter mit der Situation überfordert. Zunächst versteht Antonia die Welt nicht mehr, als sie ohne Vorwarnung im Heim untergebracht wird. Heute hegt sie keinen Groll mehr. „Ich habe gelernt, damit umzugehen“, erzählt die 18 Jahre alte junge Frau beim Treffen mit den Journalisten. Das Gespräch findet im Café einer Bäckerei des Einkaufszentrums statt. Antonia wirkt ausgeglichen, erzählt von ihrem Vorhaben, Hebamme werden zu wollen. Sie macht den Eindruck, in ihrem Leben angekommen zu sein. Das ist nicht zuletzt auch das Verdienst der Patin.

Corina Heger ist Hausfrau und Mutter von zwei kleinen Kindern. Die Frau aus Köln-Ehrenfeld will ihr Engagement nicht an die große Glocke hängen. Der Grund für ihren Einsatz: Das Konzept, Kindern durch eine Patenschaft den Rücken zu stärken, habe sie überzeugt. „Zwischen uns hat die Chemie seit dem ersten Treffen gestimmt“, sagt die Patin. Antonia gehöre längst zu Familie. Jedes zweite Wochenende unternehme man etwas mit dem Patenkind. Das muss gar keine riesen Sache sein. „Wir haben eigentlich nie etwas Spektakuläres gemacht“, sagt Corina Heger.

Aber gerade das Alltägliche gibt der Jugendlichen Halt. Vor Weihnachten wurde zusammen gebacken, es gab Kinobesuche und natürlich Einkaufsbummel. „Einmal haben wir dich auch ins Museum geschleift“, erzählt Heger und lacht.

Paten als Konstante im Leben

Wichtiger als die gemeinsamen Events ist aber die stabile Beziehung, die sich aus den Treffen entwickelt. Während die Heimbetreuer leider manchmal wechseln, ist die Patentante eine Konstante in Antonias Leben. Das Vertrauensverhältnis stärkt ihr Selbstvertrauen. Sie kann Erfolge verbuchen. Dank der Unterstützung von Corina Heger liefert das Mädchen Bewerbungsmappen ab, die gut ankommen. So kann sie einen der knappen Plätze am Berufskolleg ergattern.

Ach ja, die Matheklausur. Antonia blickt auf die Uhr. Disziplin kann sich auszahlen, das weiß die junge Frau aus guter Erfahrung. Sie hat sich im Heim dem „Nichtraucherclub“ angeschlossen. „Wer es schafft, fünf Jahre keine Zigarette anzufassen, bekommt 500 Euro“, berichtet sie stolz. Das Geld hat sie zurückgelegt, um den Führerschein zu machen. Ein Grundstock , den sie gut brauchen kann, schließlich ist es für Jugendliche in ihrer Situation besonders mühsam, das nötige Geld anzusparen. Aber Antonia will es unbedingt schaffen. Denn Mobilität ist für sie alles: „Vor allem, wenn man Hebamme werden will.“

Selbst Aktiv werden

Der Kölner Kreidekreis wird unterstützt von „wir helfen“, dem Hilfsverein des „Kölner Stadt-Anzeiger“ für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Interessierte können die Arbeit des Kölner Kreidekreises als Paten oder durch eine Fördermitgliedschaft unterstützen.

Auch Vormünder, Heimleiter, Erzieher von Kindern/Jugendlichen ohne Elternkontakt sind eingeladen, sich mit dem Verein in Verbindung zu setzen. Wer einen finanziellen Beitrag leisten will, kann dies über ein Spendenkonto tun:

GLS Gemeinschaftsbank

IBAN DE49 4306 0967 4017 8866 00

www.koelnerkreidekreis.de

Ihr Blick in die Zukunft ist hoffnungsfroh. Dennoch: vieles bleibt unwägbar. Anders als andere Heranwachsende, die auch nach der Volljährigkeit noch zu Hause wohnen, werden die Heimkinder oft schon früher ins Leben hinauskatapultiert. Manche zu früh. Das Bedürfnis, am Leben Teil zu haben, übersteigt oft die finanziellen Möglichkeiten. Manche scheitern an der frühen Selbstverantwortung. Der Kölner Kreidekreis hat für die Förderung seiner Patenkinder jetzt einen Kinderfonds eingerichtet, der sich über Spenden finanziert.

In Deutschland leben derzeit rund 95.000 Kinder in Heimen, in der Kölner Region sind es rund 1700. Der Kreidekreis betreut aktuell 40 aktive Wegbegleiter-Patenschaften. Derzeit werden neue Unterstützer gesucht. „Wir dürfen diese Kinder nicht vergessen“, davon ist Corina Heger überzeugt.

Sie freut sich immer, wenn Antonia anruft. Wenn man die beiden bei ihrem Bummel beobachtet, drängt sich der Eindruck auf: Das Telefon wird auch künftig häufig klingeln.

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