Wolf in NRWUmweltminister Krischer unterstützt Abschusspläne für „Problemtiere“

Lesezeit 5 Minuten
Ein Wolf guckt in die Kamera.

Auch der nordrhein-westfälische Umweltministerin Oliver Krischer (Grüne) will den Abschuss von wild lebenden Wölfen erleichtern, wenn diese wiederholt Weidetiere reißen.

Kaum ein Tier bewegt die Menschen in Deutschland wie der Wolf. Jetzt spricht sich auch der NRW-Umweltminister für einfachere Abschüsse aus.

Auf der Wiese liegt ein totes Schaf mit durchgebissener Kehle. Ein weiteres Tier mit Wunden am Hals muss später getötet werde. Ebenso wie ein Lamm mit gebrochenem Rücken, bei einem anderen Neugeborenen ist ein Beinknochen zertrümmert.

Noch sei nicht klar, was da vor einigen Tagen bei Hoscheit in der Eifel passiert ist. „Rein augenscheinlich spricht aber alles für einen Wolf und nicht etwa für einen Luchs oder Hund“, sagt Hermann Carl. Der pensionierte Polizist ist einer der vielen „Wolfsberater“ im Land. Er wird bei einem mutmaßlichen Angriff in der Region zu Hilfe gerufen, um die Spuren zu sichten und „Täter-DNA“ zu sichern.

Wolfs-Angriffe: Viele der getöteten Schafe sind Muttertiere

Seit April 2018 wurde Carl mehr als 30 Mal benötigt, hat mehr als 100 tote Tiere gesehen. „Wild oder Schafe und Kälber, auch ein Fohlen war dabei - und nahezu jedes Mal war es ein Wolf“, sagt Carl. Vor fünf Jahren durchstreifte den Großraum Monschau nur ein einzelner Rüden. Dann kam eine Wölfin dazu. Das Paar hat mittlerweile vermutlich schon sieben Welpen. Zudem hat sich ein zweites Rudel in dem Gebiet angesiedelt. „Die jagen, grob über den Daumen gepeilt, wohl zu zwei Dritteln in Belgien - und für den Rest kommen die dann über die Grenze zu uns nach Deutschland“, sagt Carl.

Beispielweise bei Schafen beziehe sich der Schaden für die Halter oft nicht nur auf die originär getöteten und verletzten Tiere. Die Herde sei anschließend oft lange Zeit extrem nervös und ängstlich. Trächtige Muttertiere könnten sogar eine Fehlgeburt erleiden. Genau wie jetzt in Hoscheit hinterließen die getöteten Schafe zudem häufig auch Lämmer. „Die müssen dann mit der Flasche aufgezogen werden“, sagt Carl: „Was natürlich einen enormen Aufwand bedeutet.“

„Tragödie für jeden Weidetierhalter“

Einen Aufwand, den Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) jetzt zumindest im Falle von „Serientätern“ verhindern will. Sie will den Abschuss von Wölfen erleichtern, die wiederholt Nutztiere reißen. „Wenn Dutzende Schafe gerissen werden und verendet auf der Weide liegen, dann ist das eine Tragödie für jeden Weidetierhalter und eine ganz große Belastung für die Betroffenen“, sagte Lemke in einem Interview. Ende September wolle sie konkrete Vorschläge liefern. Abschüsse von Wölfen, die mehrfach„ zumutbare Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune überwunden“ hätten, seien derzeit zwar schon möglich, ergänzte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Die Genehmigung und der Weg dorthin seien aber zu bürokratisch, was jetzt geändert werden solle.

Auch die NRW-Landesregierung will den Abschuss von „Problemwölfen“ erleichtern. Er begrüße „ausdrücklich“, was im Bund jetzt angestoßen wurde, sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bei den betroffenen Fällen habe man es „mit einzelnen Tieren zu tun, die sehr geschickt Herdenschutzmaßnahmen überwinden“. Dagegen müsse dringend etwas getan werden, „um die Akzeptanz für den Wolf insgesamt zu erhalten, der Teil unserer Natur ist“.

Seit dem Jahr 2000 nur 13 genehmigte Abschüsse

Es gehe letztlich doch darum, ein „Miteinander von Wolf und Mensch zu ermöglichen“, betonte der Minister. In NRW werde derzeit geprüft, wie „die von der Vorgängerregierung erlassene Verordnung praxisgerechter angewandt werden kann oder überarbeitet werden muss“. Gemeinsam mit dem Bund werde auch schon in anderen Bundesländern daran gearbeitet, den rechtlich verbindlichen „Wolfsleitfaden“ zu überarbeiten.

Zwei Wölfe im Wildpark Schorfheide.

Auch in der Eifel soll es schon mehrere Rudel geben.

Zumindest im Fall der Wölfin Gloria vom Niederrhein seien viele Risse von Nutztieren auch über einen längeren Zeitraum festgestellt worden, so Krischer. Damit sich ein solches Verhalten nicht im Wolfsbestand verbreite, könnte „eine Entnahme“ sinnvoll sein.

Pro Angriff werden im Durchschnitt 3,8 Nutztiere getötet

Seit dem Jahr 2000 kam es laut Naturschutzbund (Nabu) zu 13 offiziell genehmigten Abschüssen. Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für den Wolf ermittelte für das Jahr 2022 pro Übergriff durchschnittlich 3,8 getötete Nutztiere - 88,6 Prozent davon seien Schafe und Ziegen gewesen. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Nutztiere lag im Jahr 2014 noch unter 500, im vergangenen Jahr seien es mehr als  4000 gewesen.

Vor allem in Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hat sich der in Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottete Wolf seit seiner Rückkehr um die Jahrtausendwende wieder breit gemacht. Laut dem Bundesamt für Naturschutz gab es im Jahr 2022 in Deutschland etwa 1200 nachgewiesene Exemplare. In NRW leben nur etwa ein Prozent des deutschlandweiten Bestandes, teilte das hiesige Umweltministerium mit.

Wolfsvorkommen in Deutschland (Monitoring: Mai 2021 bis April 2022)

Die meisten Wölfe gibt es im Nordosten Deutschlands.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat sich auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zwar gegen eine generelle Jagdmöglichkeit ausgesprochen. Über den Abschuss eines als problematisch beschriebenen Wolfes könne man in Einzelfällen aber reden, teilte die Nabu-Landesvorsitzende Heide Naderer mit. Beispielweise wenn eines der Tiere „guten Herdenschutz überwindet“, müsse ein Abschuss „möglich sein, sofern es keine andere praktikable Alternative gibt“.

Naturschutzbund NRW: „Es gibt keinen Bedarf, den Abschuss von Wölfen zu erleichtern.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) indes sieht keinerlei „Bedarf oder Sinnhaftigkeit dafür, den Abschuss von Wölfen zu erleichtern“. Die Aufgabe von Politik und Verwaltung bestehe „allein darin, den Herdenschutz"  für die Halter von Weidentieren „vollumfänglich und unbürokratisch umsetzen zu lassen“, betonte der NRW-Vorsitzende Holger Sticht: „Die jetzige Diskussion ist da rein politisch motiviert und lenkt von den eigentlichen Aufgaben ab.“

Eine Einschätzung, die Franz Weyermann vom Rheinischen Landwirtschafts-Verband erwartungsgemäß nicht teilt. „Die Entnahme einzelner Problemwölfe erleichtern zu wollen, reicht nicht mehr aus, vielmehr gilt es, endlich umzusteuern“, fordert er. Während betroffenen Tierhaltern „hierzulande immer höhere und schwerere Zäune, aufwendige Nachtaufstallungen oder kräftige, aber nicht immer ungefährliche Schutzhunde empfohlen würden“, habe das EU-Parlament schon im vergangenen Jahr eine kritische Überprüfung des Schutzstatus beim Wolf gefordert.

Landwirtschafts-Verband fordert „grundsätzliche Regulierung des Wolfsbestandes“

„Zum Schutz der unersetzlichen und gesellschaftlich erwünschten Weidetierhaltung braucht es daher endlich eine nachhaltige Regulierung des Wolfsbestandes“, betont Weyermann. Womit er bei Hermann Carl aus der Eifel auf offene Ohren trifft. In Schweden etwa würden Wölfe schon gejagt, wenn deren Population die 300 übersteige. Auch in Deutschland stehe die Entscheidung an, mit wie vielen der Tiere „wir denn auskommen können“, so der Wolfsberater.

Was den Abschuss von Problemtieren betrifft, der erleichtert werden soll, stellt sich dem passionierten Jäger noch eine ganz andere Frage: „Wie soll man eigentlich entscheiden, wenn da in der Nacht ein Rudel Wölfe ankommt, welches der Tiere schon häufiger im Gehege war und deshalb abgeschossen werden darf?“

KStA abonnieren