Pro und ContraBraucht es im Lockdown einen Zwang zum Homeoffice?

Lesezeit 4 Minuten
Homeoffice Symbolbild 120121

Sollte es einen Zwang zum Homeoffice geben? Die Meinungen sind geteilt.

Die Kitas und Kinos sind geschlossen, in vielen Bundesländern darf man sich nicht weiter als 15 Kilometer vom Wohnort entfernen – es sei denn, man fährt zur Arbeit. Generell gibt es viele Corona-Auflagen für das Privatleben und für Kinder, aber wenige für die Arbeitsplätze. Über die Frage, ob das angemessen ist, debattieren Politik und Wirtschaft gerade heftig. Auch die Hauptstadtkorrespondenten des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) sind verschiedener Meinung.

Steven Geyer plädiert dafür, Arbeiten im Büro nur noch in Ausnahmefällen zu erlauben. Daniela Vates spricht sich gegen einen Zwang zum Homeoffice aus und sieht die Arbeitgeber in der Pflicht, angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen. Ein Pro & Contra.

Pro: Die Politik muss Ernst machen

Fürs Protokoll: Die Kanzlerin hält es coronabedingt für nötig, einem einzelnen Menschen die Autofahrt ins Grüne, 20 Kilometer hinter die Stadtgrenze, zu verbieten – auch wenn er da keinen trifft. Fährt er aber in der vollen Bahn zu den Kollegen ins Büro, ist es seine freie Entscheidung. Die Politik appelliert nur an ihn und die Arbeitgeber, doch bitte bitte, lieber ins Homeoffice zu gehen.

Würde das so für Restaurants gelten, läge es noch immer im Ermessen der Bürger, ob sie ausgehen – wobei die Hygienekonzepte der Gastronomie immerhin das Ordnungsamt kontrolliert, während im Büro Eigenverantwortung gilt wie vor dem Lockdown auf der Skipiste.

Diese Widersprüche nerven die Bürger. Soll jeder unnötige Kontakt vermieden werden, muss die Politik Ernst machen – und Homeoffice, wo es irgend geht, zur Pflicht.

Zwar darf wegen Corona nicht die ganze Wirtschaft ruiniert werden. Natürlich lässt sich der Zwang zum Homeoffice nicht auf Industrie und Handel anwenden, sicher braucht es Ausnahmen.

Aber der erste Lockdown im vorigen Frühjahr zeigte doch, dass sich viele Jobs daheim erledigen lassen. Warum nicht die Beweislast umkehren: Ins Büro darf nur, wer nachweisen kann, dass es nicht anders geht?

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie kann es sein, dass Kitakindern der Kontakt zu Gleichaltrigen verboten ist – Papa oder Mama aber täglich im Großraumbüro sitzen; während das Elternteil, das Betreuung und Heimbüro vereinbart, sich womöglich rechtfertigen muss, weil es auf der Arbeit keine Präsenz zeigt.

Offenbar können selbst in Behörden, Banken und anderen Büros viele Chefs Anwesenheit und Erreichbarkeit nicht trennen; Gruppenzwang oder Sehnsucht nach Sozialkontakten locken die Menschen. Studien zeigen: Arbeiteten während der ersten Welle 27 Prozent von daheim, waren es im November nur noch 14 Prozent.

Hat der Lockdown-light nicht gezeigt, dass Appelle nicht reichen? Wieso kann die Politik nicht einmal an den öffentlichen Dienst dieselben Maßstäbe anlegen wie an die Schulen? Auch für Homeschooling sind viele Haushalte nicht ausgestattet. In beiden Fällen muss jetzt die Gelegenheit genutzt werden, endlich in digitale Alternativen zu investieren. (Steven Geyer)

Contra: Auch Homeoffice kann gesundheitsschädlich werden

Den Grundsatz haben Bund und Länder sehr deutlich formuliert: „Wir bleiben zuhause“. Dazu passt sehr viel: Gaststätten und Kinos sind geschlossen, Schulen und Kitas sind auf Online- oder Notbetrieb umgestellt. Und wer sich doch aus dem Haus wagt, soll spätestens nach 15 Kilometern wieder umdrehen. Die Idee dahinter: Wo keine Leute sind, hat es das Coronavirus schwer.

Es wäre also nur folgerichtig, wenn alle Berufstätigen mit Bürojobs – also die, die zum Bespiel nicht an Kassen sitzen oder Maschinen bedienen – ihre Arbeit von zu Hause erledigen würden. Das Virus bliebe in öffentlichen Verkehrsmitteln, Besprechungszimmern oder Büros ziemlich alleine und die Betreuung von Homeschoolingkindern ließe sich zumindest ein bisschen leichter organisieren.

Ideal ist eine Pflicht zum Homeoffice in Pandemiezeiten dennoch nicht. Nicht jeder hat zu Hause die Bedingungen, die konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Das kann am fehlenden Raum liegen oder an schlappen Netzverbindungen. Und Homeoffice bedeutet nicht nur Flexibilität, sondern auch Entgrenzung – weil Arbeitstage dort entgegen mancher Vorurteile eben kein Acht-Stunden-Kaffeetrinken sind, sondern oft lang und pausenlos.

Es ist daher auch wichtig, Homeofficearbeit so zu regeln, dass sich die Beschäftigten am Ende nicht stundenlang gratis am Küchentisch über ihren Laptop beugen.

Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern. Dazu gehört, Mitarbeiter nicht mit fadenscheinigen Gründen, psychischem Druck oder Organisationsverweigerung ins Büro zu zwingen, auch wenn das Arbeitspensum keiner Anwesenheit bedarf. Dazu gehört auch, Büroarbeit so zu organisieren, dass die Gesundheit nicht darunter leidet – und zwar nicht erst, wenn der Betriebsrat auf der Matte steht. Unternehmen beschweren sich häufig über zu viele bürokratische Einschränkungen. Wenn es diese nicht geben soll, müssen sie ihren Teil dazu leisten. (Daniela Vates)

KStA abonnieren