Grüner ParteitagDemonstranten vor der Tür, aber Standing Ovations im Saal

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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht beim Grünen-Bundesparteitag zu den Delegierten.

Bonn – Am Freitag hat in Bonn die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen begonnen. Neben den Delegierten hatten sich auch Protestierende eingefunden. Doch die Partei schloss die Reihen.

Dass die Zeiten stürmisch sind, teilte sich bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Bonn am Freitag unmittelbar mit. Vor der Tür sammelten sich zahlreiche Demonstranten. Die „Atomkraft? Nein danke!“-Fraktion war zu Beginn des Parteitags gekommen. Klimaschützer, die die Siedlung Lützerath im Rheinischen Kohlerevier retten wollen, durften ebenfalls nicht fehlen. Schließlich waren Menschen mit Plakaten erschienen, auf denen „Grüne = Krieg + Armut“ stand.

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Ein Schild mit der Aufschrift 'Grüne = Krieg und Armut' wird von Demonstranten vor Beginn des Bundesparteitags der Grünen in Bonn im World Conference Center hochgehalten.

Die in der Ampelkoalition strittige Frage, wie es mit den übrig gebliebenen Atomkraftwerken Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 weiter geht, sollte erst am späteren Abend debattiert werden. Die ersten Reden gaben allerdings eine Ahnung davon, wohin die grüne Reise generell geht.

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Eine Rede ohne Manuskript

Zunächst sprach die Parteivorsitzende Ricarda Lang – frei und ohne Manuskript. „Wir machen Politik für die Realität, die da ist, und nicht für die, die wir uns gewünscht haben“, sagte sie mit Blick auf den Druck der Probleme, die durch den russischen Angriff auf die Ukraine entstanden sind.

Dabei verteidigte Lang einerseits die Waffenliegerungen an das Land. Ja, Deutschland müsse sogar mehr und schneller Waffen liefern. Auch verteidigte sie die Energiepolitik der Partei. „Wir hören, dass die grüne Energiepolitik gescheitert sei“, sagte die 28-Jährige. „Das komplette Gegenteil ist der Fall.“ Andererseits stellte sie vor dem Hintergrund galoppierender Inflation die Forderung nach sozialem Ausgleich in den Vordergrund. „Die Grundlage grüner Politik ist Gerechtigkeit“, sagte Lang. „Das Prinzip heißt Verantwortung.“

Habeck lobt seine Partei

Zum Zustand der Koalition schwieg sich die Neue im Amt weitgehend aus. Dafür attackierte sie die Union. Sie sei eine „Dagegen-Opposition, die keinerlei Konzepte hat“, und stärke mit Slogans wie „Sozialtourismus“ von Geflüchteten am Ende „nur das Original, die Rechten“.

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Nach der Parteichefin sprach der zuletzt in die Defensive geratene Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „Auch wir sind einem Stresstest unterworfen“, sagte er gemünzt auf den Stresstest, den sein Haus in Auftrag gegeben hatte, um die Frage zu klären, ob Deutschland ohne Atomenergie über den Winter komme. Überdies lobte Habeck die Grünen. „Nachdenkend und entschlossen, so führen wir Deutschland durch den Winter“, sagte er und fuhr fort: „Nie habe ich mich so zu Hause gefühlt wie in dieser Phase, und nie war ich so stolz auf diese Partei.“

Spitze gegen die FDP

Zugleich warf der Vizekanzler einen Blick auf das Bündnis mit SPD und FDP. „Es lohnt sich, in der Regierung zu sein“, sagte er und nannte das vereinbarte 49-Euro-Ticket, das Bürgergeld oder das Tierschutzlabel als Beispiele. Freilich sei es „manchmal nicht schön“ in der Ampel, räumte Habeck ein, „auch manchmal nicht schön anzugucken“. Hier griff er, wenngleich versteckt, die FDP an, etwa mit dem Satz: „Schaut auf die Kraft, die entsteht, wenn eine Partei sich nicht parteilich kleinlich verhält.“

Lang und Habeck wurden mit stehenden Ovationen verabschiedet. Und sie freuten sich sichtlich darüber. Anders als vor der Tür ging es in der Halle jedenfalls gar nicht streitig zu.

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