Kommentar zur Ukraine-KrisePutin und Biden – Ein Gipfel im Pulverrauch

Joe Biden (r.) möchte den Ukraine-Konflikt gerne friedlich lösen. Ob das gelingt, hängt wesentlich von Putin ab. (Archivbild)
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Es ist ein extremes Wechselbad der Gefühle. Gerade erst hatten die Börsen in Deutschland ein wenig Hoffnung gefasst wegen des möglichen Gipfeltreffens des russischen und des amerikanischen Präsidenten in der Ukraine-Krise, da schlug US-Sicherheitsberater Jake Sullivan am Montag im amerikanischen Frühstücksfernsehen dramatische Töne an: Es drohe eine „extrem gewalttätige“ russische Militäroperation gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, warnte er: „Die Wahrscheinlichkeit einer diplomatischen Lösung schwindet von Stunde zu Stunde.“
So geht das seit Wochen: Während Russlands Herrscher Wladimir Putin immer mehr Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammenzieht und die russischen Separatisten im Osten des Landes zunehmend Vorwände für einen Hilferuf an Moskau fabrizieren, kontert das Weiße Haus mit einer Salve an drastischen Warnungen und Schreckensszenarien. Schon werfen Kritiker von ganz rechts und ganz links Joe Biden vor, „Panikmache“ und „Kriegstreiberei“ zu betreiben.
Biden hat kein Interesse an einer Eskalation
So ungewöhnlich die amerikanische Strategie sein mag, der russischen Militäraggression mit einem regelrechten Enthüllungskrieg zu begegnen: Nichts spricht dafür, dass Biden ein Interesse an der Eskalation des Konflikts hat. Europa und Russland standen nie im Zentrum seiner Agenda, die sich auf die Verteidigung der Demokratie im Inneren und den Konflikt mit China konzentrieren sollte. Es gibt keine Kriegsstimmung in der amerikanischen Bevölkerung, die – jenseits der Denkfabriken in Washington - wenig Anteil an der Entwicklung in der Ukraine nimmt. Umso besorgter sind die Amerikaner über die galoppierende Inflation. Ein weiterer Anstieg der Benzinpreise infolge eines Krieges wäre das letzte, was Biden gebrauchen kann.
Die verbalen Präventionsschläge aus Washington haben andere Gründe: Mit der Veröffentlichung von Geheimdienstinformationen will die US-Regierung demonstrieren, dass sie auf einen Moskauer Schlag wesentlich besser vorbereitet ist als bei der Annexion der Krim im Jahr 2014. Und sie will durch die Offenlegung der mutmaßlich Pläne Putins dessen Desinformationskampagne und Täuschungsmanöver erschweren. Dass die eigene Glaubwürdigkeit leidet, wenn die Ereignisse dann doch nicht eintreten, nimmt man als kleineres Übel in Kauf.
Diplomatie oder Krieg – das hängt alleine von Putin ab
Von Anfang an hat Biden eine Doppelstrategie gefahren: Neben der aggressiven Rhetorik und der Androhung von härtesten Sanktionen im Falle einer russischen Invasion stand früh die Zusicherung, keine US-Soldaten in die Ukraine zu senden. Vor allem hat Biden stets beteuert, dass er auf eine diplomatische Lösung hofft. Noch am Wochenende erklärte sein Außenminister Antony Blinken in der Süddeutschen Zeitung ausdrücklich die Bereitschaft erklärt, mit Moskau über Risikominimierung, Rüstungskontrolle und Möglichkeiten zur gegenseitigen Überprüfung von Waffensystemen, Streitkräften und Übungen zu reden. Washingtons Chef-Diplomat sprach von „legitimen Bedenken, die wir alle haben“. Den Kreml bezog er dabei mit ein.
Das ist zumindest ein Angebot zum Dialog. Für Donnerstag ist ein Treffen zwischen Blinken und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow terminiert. Dort könnte auch über das vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagene Gipfeltreffen von Biden und Putin gesprochen werden. Der US-Präsident hat sich dazu grundsätzlich bereiterklärt, aber eine Bedingung formuliert: Die Ukraine darf vorher nicht angegriffen werden.
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Ob es zu dem einen oder zu dem anderen kommt, hängt nun alleine von Putin ab. Eigentlich kann sich der Präsident jenes Landes, das Ex-US-Präsident Barack Obama einst sträflich als „Regionalmacht“ verspottete, keine bessere Bühne für seine Anliegen wünschen als eine Begegnung auf höchster Ebene. Sie wäre zudem vermutlich die letzte Chance, die Eskalationsspirale noch zu stoppen. Aber geht es dem Kreml-Herrscher wirklich um eine friedliche Lösung? Oder gehört ein Krieg mit tausenden Toten zu seinem zynischen Kalkül? Das ist die schicksalhafte Frage – und auf die haben auch die amerikanischen Geheimdienste keine Antwort.