Nord StreamUnterwasser-Technologe hält Reparatur der Pipelines für möglich

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Nord Stream Leck 051022

Gas steigt in der Ostsee aus einem Leck der Nord Stream 2 Pipeline auf.  

  • Die beiden durch Explosionen schwer beschädigten Nord-Stream-Pipelines könnten gerettet werden.
  • Davon ist Eyk-Uwe Pap, angesehener Unterwassertechnik-Experte, überzeugt.

Rostock – Mehr als eine Woche, nachdem mehrere Explosionen die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 schwer beschädigten, stellen sich Experten die Frage: Was passiert jetzt eigentlich mit den nicht mehr funktionstüchtigen Leitungen auf dem Grund der Ostsee? Und wer ist dafür zuständig?

„Ob Rückbau oder Reparatur, es wird sicher etwas passieren“, sagt Eyk-Uwe Pap, Geschäftsführer der international renommierten Unterwasserfirma Baltic Taucher aus Rostock. Den mit Ostseewasser gefluteten Röhren drohten „mittelfristig“ Schäden an der Innenbeschichtung, Sand lagert sich in ihnen ab, Meerestiere und Bakterien siedeln sich an.

Viele Unklarheiten bezüglich der Reparatur

Wie lange die Leitungen das aushalten, ohne unrettbar beschädigt zu werden, ist unklar. „Das kann eine Frage von Wochen oder von Jahren sein“, heißt es bei einer norddeutschen Pipeline-Firma, die nicht genannt werden möchte. Eine Reihe von Faktoren spiele eine Rolle, unter anderem Art und Dicke der Beschichtung.

Der Taucher und Unterwasser-Technologe Pap hält eine Instandsetzung der kaputten Pipelines grundsätzlich für machbar. „Das würde mehrere Wochen dauern und viele Millionen Euro kosten“, sagt Pap.

Mit Hilfe eines Offshore-Rohrverlegeschiffs müssten die beschädigen Segmente ausgetauscht werden – plus einem „Sicherheitsaufschlag“: Röhren, die durch die Explosion zwar nicht leckgeschlagen sind, können trotzdem beschädigt sein, so der Unterwasser-Experte. Es ist unklar, wie viele Schweißnähte benachbarter Abschnitte vom gewaltigen Druck der Detonation „geschädigt oder gestresst“ wurden.

Reparatur von Nord Stream 1 und 2 erfordert Spezial-Technologie

Laut Pap müssten für die Reparatur einer Pipeline zunächst der Leitungsstrang am Meeresboden durchtrennt werden. Baltic Taucher verfügt über die dafür nötige Spezial-Technologie – ein selbst entwickelter ferngesteuerter Automat mit Wasserstrahlschneidtechnik. Mit 2500 bar Wasserdruck ließen sich die bis zu vier Zentimeter dicken Wände problemlos durchschneiden. Ein Kran würde das Richtung Lubmin zeigende Ende aus einer Wassertiefe von etwa 70 Meter nach oben auf das Verlegeschiff hieven.

Nach dem Austausch der beschädigten Segmente wäre die reparierte Pipeline länger als vorher. Denn um Spannungen auszugleichen, würden die erneuerten Stellen einen großen Bogen im ansonsten geraden Verlauf der Gasleitung bilden – einen sogenannten Omega-Loop, benannt nach der Form des griechischen Buchstaben.

Täter nahmen Überwasser-Explosion in Kauf

„Da waren Profis am Werk“, sagt Taucher Pap über den Anschlag der Gasröhren. Mit „hochmodernen bemannten oder unbemannten Unterwasserfahrzeugen“ ließe sich so eine Aktion unbeobachtet durchführen. Die Täter riskierten dabei Menschenleben von Unbeteiligten. Wären etwa dänische Militärflugzeuge im Tiefflug in eine gewaltige Methan-Wolke über einem der vier Lecks geflogen, hätte leicht eine folgenschwere Explosion ausgelöst werden können. An Spekulationen, wer hinter dem Anschlag stecken könnte, beteiligt sich das angesehene Rostocker Unternehmen nicht.

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Wer müsste Rückbau oder Reparatur der zig Milliarden Euro teuren Gas-Leitungen eigentlich organisieren und bezahlen? Für die Bundesregierung scheint die Sache klar: „Die Pipelines sind Eigentum jeweils der Nord Stream 1 und Nord Stream 2 AG“, teilt die Pressestelle von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit.

Das Schicksal der beschädigten Leitungen liege damit in der Hand der mehrheitlich russischen Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz. Für Nord Stream 2 entscheide allerdings ein am Schweizer Firmensitz eingesetzter Insolvenzverwalter. Was der auf Nachfrage anders sieht als das Habeck-Ministerium: „Die Pipeline Nord Stream 2 gehört der Nord Stream 2 AG“, erklärt der Sprecher der als Sachwalter eingesetzten Firma Transliq.

Keine rechtliche Verbindung zu Gazprom Germania

Das Schweizer Insolvenzrecht unterscheidet sich vom deutschen. Noch laufe das Verfahren der „Nachlassstundung“. Eine Insolvenzmasse, zu der die Pipelines gehören könnten, gebe es derzeit nicht. Mehrheitseigner von Nord Stream 1 ist die russische Gazprom, kleinere Anteile halten europäische Energiefirmen wie Dea und Shell. Nord Stream 2 gehört zu 100 Prozent Gazprom. Von der Gazprom-Germania-Gruppe, die unter treuhänderischer Verwaltung der Bundesnetzagentur steht, sind beide Pipeline-Gesellschaften rechtlich getrennt.

Infolge des Anschlags auf die Versorgungsleitungen wurden laut Warnemünder Institut für Ostseeforschung 352.000 Tonnen des Klimagifts Methan freigesetzt, was rund 0,061 Prozent der jährlichen Gesamtemission weltweit entspricht. Unter Wasser hält sich das Ausmaß der Schäden in Grenzen: Laut Bundesumweltministerium sei die Meeresumwelt „nicht weitreichend in Mitleidenschaft gezogen“ worden, so eine Sprecherin.

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