Habecks striktes GassparprogrammWas jetzt auf Verbraucher und Unternehmen zukommt

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Habeck bei Presseerklärung

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gibt eine Erklärung zum Energiesicherungsgesetz ab.

Berlin – Das Erdgas fließt wieder durch die Nord-Stream-Pipeline. Doch das ist kein Grund für eine Entwarnung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat vielmehr ein zusätzliches Paket zur Sicherung der Energieversorgung angekündigt. Wir erläutern, was auf Verbraucher und Unternehmen zukommt.

Wie will Habeck Erdgas sparen?

Das am Donnerstagnachmittag vorgelegte Konzept sieht vor, auf mehreren Ebenen gleichzeitig den Verbrauch zu drücken. Dazu gehören auch Vorgaben beim Heizen von Wohnungen. Insbesondere will Habeck Mietern die Möglichkeit geben, die Heizung herunterzudrehen. Derzeit gebe es häufig Verpflichtungen für Mindesttemperaturen. Wenn Mieter dann weniger heizen wollten, würden sie gegen die Mietverträge verstoßen, so das Wirtschaftsministerium. Diese Regelungen sollen vorübergehend ausgesetzt werden, damit Mieter, „die die Heizung herunterdrehen wollen, dies auch tun dürfen“.

Welche weiteren Einschnitte sind geplant?

Habeck kündigte Verordnungen für öffentliche Einrichtungen und Bürogebäude an. So sollen Räumlichkeiten, in denen sich Beschäftigte nicht regelmäßig aufhalten, nicht mehr beheizt werden – gemeint sind etwa Flure, Treppenhäuser, Foyers oder Technikräume, sofern technische Anforderungen wie zum Beispiel für Serverräume nicht dagegen sprechen. Zudem soll mit Arbeitgebern, Betriebsräten und Gewerkschaften über Einsparungen in Büros und anderen Betriebsstätten verhandelt werden. Dazu zählt auch mehr Homeoffice. Das mache aber nur Sinn, wenn das Büro, das dann leer stehe, auch nicht mehr beheizt werde.

Will die Bundesregierung auch stärker in den Energiemarkt eingreifen?

Ja. So soll die sogenannte Braunkohlereserve zum 1. Oktober, also mit Beginn der Heizsaison, aktiviert werden. Dabei handelt es sich um mehrere Kraftwerksblöcke, die die Betreiber bereits in Bereitschaft halten. Dies soll helfen, Gaskraftwerke, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen, zu entlasten. Zudem will der Minister eine schnellere Befüllung der unterirdischen Gasspeicher erreichen: Sie sollen zum 1. September zu 75 Prozent gefüllt sein, zum 1. Oktober statt wie bisher zu 80 Prozent dann zu 85 Prozent und zum 1. November statt wie bisher 90 zu 95 Prozent. Zudem ist eine Einsparverordnung geplant, um Gasnachfrage aus dem Markt herauszunehmen zu können. Details darüber wurden zunächst nicht genannt.

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Wie weit sind wir von einem Notstand mit Rationierungen entfernt?

Der Notstand droht nicht unmittelbar, sondern erst im Winter 2022/23. Die BnetzA teilte am Donnerstag in ihrem täglichen Lagebericht mit: Sollten die russischen Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiterhin auf dem niedrigen Niveau - gemeint sind 700 Gigawattstunden täglich - verharren, sei ein Füllstand der Gasspeicher sogar für die bisher geplanten 90 Prozent bis November „kaum mehr ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar“. Der größte Gasverbrauch fällt temperaturbedingt hierzulande im Januar und Februar an. Derzeit sind die Speicher zur rund 65 Prozent gefüllt. Das ist zwar ein relativ hoher Wert. Die BnetzA macht aber darauf aufmerksam: „Aktuell wird mengenmäßig ungefähr so viel ausgespeichert, wie eingespeichert.“ Gasunternehmen nutzen ihre Reservoire, um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen.

Wie viel Gas wird überhaupt wieder aus Russland geliefert?

Habeck betonte, Gas werde zwar wieder über die Pipeline Nord Stream 1 gepumpt, aber viel weniger als möglich. Russland sei ein „unsicherer Kantonist“. Die Nord Stream AG hat am Donnerstagmorgen die Lieferung von Erdgas wieder aufgenommen. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur (BnetzA), teilte auf Twitter mit, dass die realen Gasflüsse „das Vor-Wartungsniveau von 40 Prozent der Auslastung“ erreichten. Nach den Daten der Nord Stream AG wurde stündlich Erdgas mit einem Energiegehalt von 29,3 Gigawattstunden gen Westen geliefert. Diese Mengen wurden auch für den Freitag angekündigt. Das würde auf eine tägliche Lieferung von knapp 700 Gigawattstunden hinauslaufen. Das sind die 40 Prozent, die Müller erwähnt hat. Die Gasmengen waren am 11. Juli wegen Wartungsarbeiten auf null heruntergefahren worden.

Wie wird es mit dem russischen Gas weitergehen?

Man habe alle geplanten Wartungsarbeiten „innerhalb des vorgesehenen Zeitraums erfolgreich abgeschlossen“, teilte die Nord Stream AG mit, an der russische Staatsmonopolist Gazprom die Mehrheit hält. Anteilseigner sind auch die deutschen Energiekonzerne Eon und Wintershall Dea. Müller twitterte: „Die politische Unsicherheit und die 60%ige Kürzung von Mitte Juni bleiben leider bestehen.“ Die schlimmsten Befürchtungen hätten sich zwar nicht bestätigt. Er erinnerte aber an jüngste Aussagen von Kremlchef Wladimir Putin, die darauf hindeuteten, dass die Lieferungen auf 20 Prozent der maximalen Kapazität der Nord-Stream-Leitung absinken könnten. Putin hatte gewarnt, es könne schon Ende Juli „aus technischen Gründen“ wieder deutlich weniger gepumpt werden. Er verwies auf Aggregate, die repariert werden müssten. Die Bundesregierung hält dies für vorgeschoben. Müller betonte, Deutschland sei Russland beim Erdgas momentan ausgeliefert.

Gibt es weitere Möglichkeiten um einen Engpass zu vermeiden?

Die Kapazitäten für den Import aus anderen Ländern – aus Norwegen und über Belgien und die Niederlande – sind weitgehend ausgeschöpft. Genau deshalb setzt die Bundesregierung jetzt alles auf eine Reduzierung des Verbrauchs. Entlastung könnte kommen, wenn die beiden geplanten schwimmenden Flüssiggas-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven Anfang 2023 tatsächlich in Betreib gehen können. Nach Schätzungen von Experten lässt sich damit die Abhängigkeit von russischem Gas von derzeit rund 30 Prozent auf 20 Prozent reduzieren. Der Verband „Zukunft Gas“ mahnte am Donnerstag an, dass zudem die Genehmigungen für mehrere stationäre Anlagen zügig kommen müssten, damit diese ab 2026 verfügbar seien.

Wie sieht es mit den Gaspreisen aus?

Im Großhandel hat sich der Gaspreis zwar etwas entspannt. Aber Importeure müssen für Lieferungen im vierten Quartal derzeit gut das Siebenfache im Vergleich zum Vorjahr zahlen. Die BnetzA macht auch deshalb darauf aufmerksam, dass Unternehmen und private Verbraucher sich „auf deutlich steigende Gaspreise“ einstellen müssten. Habeck kündigte an, dass es zusätzliche finanzielle Entlastungen für private Haushalte gebe, wenn die neuen Tarife wirksam würden. Das dürfte insbesondere nach dem Jahreswechsel der Fall sein.

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