Schilderungen aus erster Ehe

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Berge von Vernehmungsprotokollen werden an jedem Prozesstag in den Gerichtssaal gebracht. Die Beteiligten - hier Staatsanwalt Neuheuser und sein Mitarbeiter - haben ständig alle Akten zur Hand. BILD: ARLINGHAUS

Berge von Vernehmungsprotokollen werden an jedem Prozesstag in den Gerichtssaal gebracht. Die Beteiligten - hier Staatsanwalt Neuheuser und sein Mitarbeiter - haben ständig alle Akten zur Hand. BILD: ARLINGHAUS

Ein verheerendes Bild von Jimmy J. hat seine erste Frau vor Gericht gezeichnet. Die Verteidigung kritisiert nun, dass ihr Mandant „ohne einen Beweis für seine Täterschaft“ förmlich niedergemacht werde.

Refrath / Köln - Shahla F. kann sich noch genau erinnern: In einem Bus hat sie Jimmy J. kennen gelernt. Es war nach der Ausreise aus dem Iran auf der Fahrt in Richtung Westen. Drei Monate später wurde geheiratet, zwei Kinder kamen zur Welt. Doch nach seiner Anerkennung als Asylbewerber in Deutschland habe sich ihr Ex-Mann grundlegend verändert. In einem Brief habe er ihr lapidar mitgeteilt, dass er nicht mehr mit ihr zusammenleben wolle. Seitdem steht die jetzt 54 Jahre alte Frau mit ihren beiden Söhnen allein. Sie wohnt in Bochum und lebt mehr schlecht als recht von Sozialhilfe.

Weiterer Mosaikstein

Ihre Aussage vor dem Landgericht ist ein weiterer Mosaikstein im Persönlichkeitsbild des Angeklagten - wiederum kein schmeichelhafter. Wie schon fast alle Zeugen vor ihr, ließ auch die gebürtige Teheranerin kaum ein gutes Haar am späteren Stiefvater von Alina. Sie fühle sich schmählich im Stich gelassen. J. habe ihr sogar noch das bisschen Schmuck abgenommen, das sie besaß. Und ihr Ex-Mann habe sie bei jeder Gelegenheit betrogen: „In jedem Haus, in dem wir wohnten, waren die alleinstehenden Damen versorgt von diesem Herrn. Egal, wie alt und wie hässlich sie waren.“

Die Aussage der ersten Ehefrau des Angeklagten wird von einem Dolmetscher übersetzt. Sie selbst spricht nur bruchstückhaft Deutsch. Doch auch aus ihrer Mimik wird klar, dass sie J. hasst. Wie weit ihre Aussage von Wert ist, wird das Gericht abwägen. Interessant ist auf jeden Fall ihre Schilderung über Jimmy J.'s Jahre im Irak. Er sei keineswegs, wie von ihm immer wieder behauptet, ein Soldat gewesen: „Er war vom Militärdienst sogar befreit.“ Das entsprechende Schriftstück will sie gesehen, nach seinem Auszug allerdings weggeworfen haben. Mit Waffen und Gewalt sei J. aber sehr wohl in Kontakt gekommen. Und zwar als Kämpfer in einer Widerstandspartei gegen das irakische Regime. „Er hat mir erzählt, dass er damals während der Revolution zahlreiche Menschen getötet hat“, sagt Shahla F. aus. Der Angeklagte schüttelt den Kopf. Man merkt, dass es in ihm brodelt. Aber er sagt kein Wort.

Vater war Schlachter

Auch die Angaben über seine reichen Eltern im Irak seien ein Hirngespinst, erzählt die Frau. Der Vater sei kein Fabrikant, sondern Schlachter im Schlachthof gewesen. J. habe seine Eltern und seine Geschwister ständig mit Geld aus Deutschland unterstützen müssen: „Das war unsere Sozialhilfe und seine eigenen Kinder hatten dann nichts.“ Nach der Trennung habe er sich auch nie wieder um die Söhne gekümmert.

Die Verteidigung verdreht bei diesen Worten die Augen. Es ist in der Tat auffällig, wie der Leumund ihres Mandanten mit jedem neuen Zeugenauftritt leidet. In der Mittagspause ziehen Rechtsanwältin Karin Bölter und ihr Kollege Thomas Ohm aus Bonn im Gespräch mit Medienvertretern mächtig vom Leder. Es sei fast ohne Beispiel, wie sich dieser Mordprozess seit Tagen in Mutmaßungen und wilden Spekulationen ergehe. „Hier sollte es doch darum gehen, die Schuld eines Angeklagten zu beweisen“, sagt Ohm. Doch dies sei der Anklage bisher nicht mal ansatzweise gelungen.

Überraschend tritt jedoch ein Zeuge auf, der schon einmal ausgesagt hat. Es ist der Nachbar der Familie J. in Refrath. Er gibt an, vom Angeklagten einmal nach Gewindeschneidern gefragt worden zu sein. Solche Geräte braucht man auch für die Herstellung eines Schalldämpfers. Später habe er dann gesehen, dass sich J. in der Tat mehrere Gewindeschneider zugelegt habe.

Es geht also weiter hin und her im Prozess. Vorentscheidende Bedeutung für den Ausgang wird der kommende Mittwoch haben. Dann treten mehrere Gutachter auf, die die Frage beantworten sollen, ob die Schmauchspuren an der Kleidung des Angeklagten identisch sind mit Geschossrückständen, die man an Alinas Leiche gefunden hat. Es gebe Widersprüchlichkeiten in den Gutachten, deutet die Verteidigung an.

Neue Untersuchung

Ein Experte des Landeskriminalamts sei zu einem Urteil gekommen, das sich nicht mit dem eines Rechtsmediziners der Uni Saarland deckt. Der allerdings wird von der Staatsanwaltschaft immer wieder zitiert. Um sein Ergebnis zu untermauern, sollen in den nächsten Tagen Kleinstpartikel des Schmauchs noch einmal untersucht werden - wenn sie denn noch brauchbar sind. Die Tat liegt 14 Monate zurück.

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