Schnellstart mit Karriere-Coach

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Eine Verortung in einem Koordinatensystem soll helfen.

Eine Verortung in einem Koordinatensystem soll helfen.

Arbeitslosigkeit, Studienreform und Gebühren erhöhen den Druck, so früh wie möglich auf Karrierekurs zu gehen.

Nach dem Abi erst mal entspannt eine Rucksacktour durch Thailand und danach mal gucken, was das Leben so bringt: Diese Lässigkeit leisten sich nur noch wenige Abiturienten. Stattdessen entwerfen viele schon in der 12. Klasse ein ausgeklügeltes Karrierekonzept. Denn Umwege werden im Lebenslauf genauso ungern gesehen wie schlechte Noten. Und das Schreckgespenst des lahmen Langzeitstudenten geisterte lange genug durch die Medien, um die nächste Generation auf die schnelle Spur zu bringen.

„Ich merke, dass die Mentalität sich geändert hat“, erzählt Rolf Lachmann, der Abiturienten bei der „Agentur für Arbeit“ berät: „Arbeitslosigkeit, der Pisa-Schock, Studiengebühren, die komplette Neuordnung der Studiengänge, das alles hat zu einer großen Verwirrung geführt.“ Ängstlicher seien die Abiturienten in den letzten Jahren geworden, Sicherheit in den Berufsberatungsgesprächen ein wichtiges Thema: „Der Druck hat sich stark erhöht.“

Diesen Druck spürt auch Marja Nalesinsky. Zwar hat sich die 20-Jährige schon entschieden: Sie studiert „Regionalwissenschaften Lateinamerika“ im ersten Semester. Doch mit Beginn des Studiums wurden ihre Zweifel größer. Vor allem, weil Verwandte und Bekannte sie immer wieder fragten, was sie denn damit einmal werden wolle. So genau weiß Marja Nalesinsky das auch nicht. Deswegen sitzt sie jetzt im Büro von „Kernfindung“ beim Coach Josef Albers. Mit seiner Hilfe will sie herausfinden, ob sie den richtigen Weg eingeschlagen hat und wohin ihr Studium sie führen könnte.

Albers zeichnet ein Koordinatensystem auf ein Flipchart. Der 38-Jährige trägt ein legeres Cordsakko, duzt seine Klientin. „Nähe“ schreibt er auf die rechte Seite, „Distanz“ auf die linke. Hier soll die Studentin sich einordnen. Oben und unten kann sie zwischen „Sicherheit“ und „Neues entdecken“ entscheiden.

Natürlich hat Marja Nalesinsky bei der Wahl ihres Studiums Listen geschrieben und im Internet recherchiert. „So habe ich aber noch nie über mich nachgedacht“, sagt sie. Insgesamt drei Mal trifft sie sich mit dem Kernfindungs-Coach, ein vieres Mal sind ihre Eltern dabei. Für die jeweils zweistündige Beratung zahlt sie etwa 1000 Euro - viel Geld für eine Studentin. „Meine Oma hat mir ein bisschen was vererbt und gesagt: »Das ist für deine Zukunft.«“ Bei der Kernfindung sei ihr Erbe also gut angelegt, findet sie.

Dass immer mehr Abiturienten und Studenten Unterstützung bei Karriere-Coaches suchen, beobachtet auch Christopher Rauen, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Bundesverbands Coaching e.V. (DBVC). „Letztens habe ich mit einem Studenten gesprochen, der sich einen Coach für eine schwierige Prüfung genommen hat“, erzählt er. Am Ende habe sich das Honorar jedoch von den vereinbarten 1800 Euro auf 3600 Euro verdoppelt. Damit so etwas nicht passiert, rät Rauen, am Anfang konkrete Absprachen zu treffen. Auf eine feste Stundenzahl sollte man sich dabei allerdings nicht festlegen. Denn dann komme man aus dem Vertrag nicht mehr raus, wenn das Coaching weniger Stunden in Anspruch nehme.

Auf jeden Fall empfiehlt er, ein Erstgespräch mit mindestens drei Coaches zu führen, bevor man sich für einen Anbieter entscheidet: „Wenn Sie einen Fernseher kaufen, gehen Sie ja auch nicht ins Geschäft und nehmen den erstbesten.“ Diese ersten Gespräche seien oft kostenlos oder zumindest deutlich günstiger als der normale Stundensatz. Der bewege sich in der Regel irgendwo zwischen 100 und 200 Euro. Deswegen seien es meist Kinder gut betuchter Eltern, die sich so ein Coaching leisten: „Da ist der Vater zum Beispiel Manager und kennt das aus dem Business-Bereich.“

Und die anderen? Die, die froh sind, wenn sie die 500 Euro für Studiengebühren zusammenkratzen können? Reicht es nicht vielleicht, 12,80 Euro in eines der vielen Ratgeberbücher zu investieren, die den Weg zum Traumberuf weisen sollen? Nein, sagt Christopher Rauen, denn solche Bücher seien viel zu allgemein, um ein spezielles Problem zu lösen. Wer sich keinen Coach leisten könne oder wolle, müsse eben auf eigene Faust aktiv werden: „Setzen Sie sich in Vorlesungen, fragen Sie Studenten, reden Sie mit Leuten, die den Beruf ausüben, der Sie interessiert“, rät er.

Das Problem sind aber meist gar nicht die Informationen. „Mit Informationen werden Sie überhäuft“, weiß „Kernfindung“-Coach Josef Albers. Auf Abi-Messen füllen die Aussteller Tüten mit Broschüren, im Internet gibt es massenhaft Angebote, die Schulen verteilen Info-Material. Manchmal, sagt Christopher Rauen, sei das Ergebnis eines Coachings, dass der Klient eine Orientierungsphase brauche. „Dann hilft eine Auszeit, um sich in Ruhe zu verorten. Da geht es dann erst mal nicht darum, eine Entscheidung zu treffen, sondern Erfahrungen zu sammeln.“ Das kann ein Praktikum sein, ein soziales Jahr - oder eben eine Rucksacktour durch Thailand.

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