Kommentar zur Klausur-VerschiebungDie Abitur-Panne ist ein Armutszeugnis für das Bildungsland NRW

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Dorothee Feller (CDU), Bildungsministerin in Nordrhein-Westfalen, sitzt in einem Büro und lächelt.

Dorothee Feller (CDU), ist Bildungsministerin in Nordrhein-Westfalen.

Die Download-Panne ist ein digitaler Totalschaden und ein bitterer Beleg dafür, wie es um den Grad der Digitalisierung im Bildungssystem steht.

Mit einer beispiellosen Panne hat sich das NRW-Schulministerium bis auf die Knochen blamiert und bei zehntausenden Abiturientinnen und Abiturienten, Schulleitern, Lehrern und Eltern für Ärger, Frust und Verzweiflung gesorgt: Weil die zentralen Prüfungsaufgaben für die Fächer Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik und Technik nicht vom landeseigenen Server heruntergeladen werden konnten, mussten die Klausuren vom heutigen Mittwoch auf Freitag verschoben werden. Ein unerhört peinlicher Vorgang, der in mehrfacher Hinsicht ein Armutszeugnis für das selbsternannte Bildungsland Nordrhein-Westfalen ist.

Die Download-Panne ist ein digitaler Totalschaden und ein bitterer Beleg dafür, wie es um den Grad der Digitalisierung im Bildungssystem des Landes wirklich steht. Trotz aller vollmundigen Versprechungen – übrigens auch der schwarz-gelben Vorgängerregierung – ist es im Apparat des mittlerweile CDU-geführten Ministeriums offensichtlich nicht möglich, einen simplen Vorgang wie das termingerechte Verteilen der zentralen Abi-Prüfungsaufgaben digital sicherzustellen.

Diese Panne wirft ein negatives Schlaglicht auf die digitale Kompetenz des Personals

Da helfen auch die Erklärungsversuche nicht, dass vom externen digitalen Dienstleister ein zusätzliches Sicherheitstool eingebaut worden sei. Wie bitteschön kann es sein, dass die neue Funktion nicht vorab ausreichend geprüft wurde? Stattdessen wurde erst am Vortag der vor mehreren Wochen anberaumten Prüfungen am System herumgedoktert, bis in den späten Abend ohne Erfolg.

Diese Panne wirft ein extrem negatives Schlaglicht auf die digitale Kompetenz des verantwortlichen Personals – immer angenommen, es handelt sich nicht um einen Hacker-Angriff von außen und damit einen Fall von höherer Gewalt. Dieses technische Versagen ist durch nichts zu rechtfertigen.

Schülerinnen und Schüler sind die Leidtragenden

Umso wichtiger wäre es gewesen, das Desaster samt seiner Auswirkungen von Beginn an transparent und kontinuierlich in Richtung der Betroffenen zu kommunizieren. Stattdessen wurden über viele Stunden Schulleiter und Lehrer, Eltern und – am wichtigsten – die eigentlichen Leidtragenden, die Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2023, im Ungefähren gelassen. Schulministerin Dorothee Feller und ihr Apparat müssen sich den Vorwurf eines Kommunikationsversagens ersten Ranges gefallen lassen.

Dabei wollte die CDU-Politikerin Feller doch ausgerechnet die Kommunikationsprozesse zu den Schulen im Land deutlich verbessern, nachdem ihre Vorgängerin Yvonne Gebauer (FDP) immer wieder für ihre aus Sicht der Schulen schlechte Informationspolitik in der Corona-Pandemie kritisiert worden war.

Feller sollte sich bei Schülerinnen und Schülern entschuldigen

Kurz vor 21:00 Uhr am Vorabend der geplanten Klausuren in den naturwissenschaftlichen Fächern kam sie dann, die offizielle Mitteilung des Ministeriums. Feller brachte darin im geübten Politsprech zum Ausdruck, dass Sie „die Störung und kurzfristige Verschiebung der Abiturklausuren“ für „außerordentlich ärgerlich“ halte.

Ganz ehrlich, Frau Ministerin: eine Entschuldigung bei den Schülerinnen und Schülern wäre mehr als angebracht gewesen!

Nur zur Erinnerung: Wir reden über einen Abiturjahrgang, der durch Corona und das anfängliche Versagen vieler Schulen beim Homeschooling besonderen psychischen und sozialen Belastungen ausgesetzt war. Nach einer solchen Panne einfach zur Tagesordnung überzugehen und zu versprechen, die „massive Störung mit dem externen Dienstleister intensiv aufzuarbeiten“, grenzt an Empathielosigkeit, ja Arroganz.

Den Abiturientinnen und Abiturienten, die in ihrer Vorbereitung auf die bislang wichtigste Prüfung ihres Lebens so massiv gestört wurden, bleibt zu sagen: Ruhe bewahren und das Gelernte zwei Tage später zur Anwendung bringen.

Nein, ihr seid nicht Verfügungs- und Verschiebemasse eines in Teilen dysfunktionalen Schul- und Bildungsministeriums. Ihr seid die Zukunft, und wir sind schon jetzt stolz auf euch.


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