SchulwechselDie richtige Schule für mein Kind

Lesezeit 6 Minuten
Matilda Nettersheim möchte nach den Sommerferien auf die Liebfrauenschule gehen. (Bild: Jörn Neumann)

Matilda Nettersheim möchte nach den Sommerferien auf die Liebfrauenschule gehen. (Bild: Jörn Neumann)

Matilda ist erst neun Jahre alt, redet aber schon wie eine Erwachsene. "Es ist mir wichtig, dass die Lehrer nett sind, aber auch streng, damit es nicht so chaotisch in der Klasse ist." Sie hat sich schon ausführlich Gedanken über ihren Schulwechsel im nächsten Jahr gemacht. Matilda Nettersheim wohnt mit ihren Eltern und drei Geschwistern in Köln-Junkersdorf und besucht zurzeit die vierte Klasse der Ildefons-Herwegen-Grundschule im Ort. Nach den Sommerferien möchte Matilda die Liebfrauenschule in Köln-Lindenthal besuchen. Das ist ihr Wunsch. Tina Nettersheim, Matildas Mutter, ist mit der Entscheidung ihrer Tochter einverstanden. "Schließlich muss Matilda dort demnächst jeden Tag hingehen."

Auch Herbert Zangerle, stellvertretender Schulleiter des Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums (HvB) in Köln-Sülz, hält es für "ganz, ganz wichtig", das Kind in die Entscheidung für die konkrete Schule miteinzubeziehen. Aber erst, nachdem die Frage der Schulform geklärt ist. Auf dem Halbjahreszeugnis der vierten Klasse sprechen die Grundschullehrer eine Empfehlung für das Kind aus. Obwohl diese nicht mehr bindend ist und eine weiterführende Schule laut Gesetz ein Kind auch nicht aufgrund einer andersartigen Empfehlung ablehnen darf, sollten Eltern dem Rat der Lehrer folgen. "Wir haben die Entwicklung, die Persönlichkeit und das Lern- und Leistungsverhalten der Schüler vier Jahre lang verfolgt und handeln in unserer Empfehlung auch nur im Interesse des Kindes", betont Gisela Cappel, Grundschulleiterin und Vorsitzende des Grundschulverbands NRW.

Nicht eigene Wünsche auf das Kind übertragen

Trotzdem kommt es hier immer wieder zu Differenzen zwischen Lehrpersonen und Eltern. Es sei wichtig, dass Eltern nicht unbewusste, eigene Wünsche auf das Kind übertragen würden, so Cappel. Denn: "Der Wechsel auf eine weiterführende Schule bedeutet für ein Kind eine so große Herausforderung, dass es schnell Erfolgserlebnisse braucht", betont Theresia Wieck vom Schulpsychologischen Dienst Köln. Und das geht nur auf der passenden Schulform.

Doch auch wenn die Form bestimmt ist, fällt die Entscheidung für eine weiterführende Schule nicht leicht. Es gibt so viele Gymnasien, Realschulen, Hauptschulen und Gesamtschulen, vor allem in der Kölner Innenstadt - welche Schule ist die richtige? "Der Druck, die richtige Schule zu finden, ist schon groß", meint Tina Nettersheim. "Schließlich will ich nicht, dass mein Kind bald schon wechseln muss."

Es ist naheliegend, eine Schule zu wählen, die in der Nähe liegt, findet der Schulpsychologe Leonard Liese. Schließlich muss das Kind zu einer vielleicht besonderen, aber weit entfernten Schule auch hinfahren und verliert so viel Freizeit. Für Familie Nettersheim sind deswegen sowieso nur die beiden lokal nächsten Schulen in Frage gekommen, die Liebfrauenschule in Lindenthal und das Georg-Büchner-Gymnasium in Weiden. "Das ist einfach ein Freizeitgewinn", meint Mutter Tina Nettersheim.

Schon frühzeitig Informationen einholen

Die Familie ist in einer guten Situation - einer von Matildas Brüdern ist in Weiden, der andere in Lindenthal -, so dass Mutter und Tochter die Schulen über lange Zeit gut miteinander vergleichen konnten. Matildas Argument gegen das Georg-Büchner-Gymnasium: "Da wird demnächst umgebaut, und dann müssen wir in Containern lernen. Das finde ich doof." Tina Nettersheim wiederum hat den Eindruck, dass die Liebfrauenschule ein bisschen besser strukturiert ist, was für ihre Tochter gut sein könnte.

Doch auch Eltern, die sich nicht auf die Erfahrungen von älteren Geschwisterkindern verlassen können, sollten die Schule schon frühzeitig in den Blick nehmen und nicht erst kurz vor der anstehenden Entscheidung im Winter. So kann man zu Veranstaltungen der Schule wie Musikabenden gehen, sich mit befreundeten Eltern unterhalten oder die Webseite der Schule immer mal wieder anklicken. Unbedingt besuchen sollte man natürlich Infoabende und den Tag der offenen Tür. Hier zeigt sich die Schule aber natürlich von ihrer besten Seite. Deswegen sind an diesen Tagen kritische Fragen angebracht. Neben dem Rektor kann man auch mal mit Schülern oder der Elternpflegschaft sprechen.

Sich auf kursierende Gerüchte über eine Schule zu verlassen ist hingegen gefährlich. "So ein schlechter Ruf haftet einer Schule - teils unverdient - sehr lange an", meint Grundschulleiterin Cappel. "Ich rate, den Schulleiter beim Tag der offenen Tür ganz offen darauf anzusprechen."

Fächerangebot der Schule beachten

Auch das Fächerangebot der Schule spielt eine wichtige Rolle. Bei Kindern, die schon in der Grundschule Probleme mit Sprachen zeigten, ist es ratsam zu klären, wie viele und welche Fremdsprachen Pflichtfächer sind. Wird ein Gymnasium besucht, ist das Erlernen einer zweiten Fremdsprache ab der sechsten Klasse Pflicht, auf der Realschule dagegen kann diese nach der sechsten Klasse abgewählt werden, und beim Besuch der Gesamtschule gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Wer später sein Abitur nachmachen möchte, braucht zwar definitiv zwei Fremdsprachen - jedoch kann die zweite Fremdsprache dann in der Oberstufe "nachgeholt" werden.

Apropos Abitur: Sich in der vierten Klasse schon Gedanken über eine mögliche Oberstufe zu machen, hält Herbert Zangerle gar nicht für abwegig. "Man sollte auch das Fächerangebot der nächsten Jahre betrachten." Schließlich ist ein Schulwechsel - wenn auch erst zur Oberstufe - immer ein Einschnitt.

Wie schaut es mit der Nachmittagsbetreuung aus?

Außerdem spielen die Fördermaßnahmen einer Schule eine wichtige Rolle, sowohl für schwache als auch starke Kinder. Die weiterführende Schule nach einem bestimmten künstlerischen, naturwissenschaftlichen oder sprachlichem Schwerpunkt auszusuchen, hält Gisela Cappel für schwierig, da "die Begabungen der meisten Kinder sich in der Grundschule noch nicht so klar herausgebildet haben". Sie rät, sich für eine breite Basis zu entscheiden und stattdessen auf das Freizeitangebot der Schule, wie Arbeitsgemeinschaften, zu schauen. "Durch die langen Tage ist Schule heutzutage nicht mehr nur noch Lernen", so Schulpsychologe Liese. Die Schüler haben Wochen mit bis zu 35 Stunden Unterricht. Deswegen sollte auch die Nachmittagsbetreuung der Schule beachtet werden. Gibt es eine Mensa und gutes, gesundes Essen? Sind die Betreuer pädagogische Fachkräfte, die bei den Hausaufgaben helfen können? Wie lange wird das Kind hier versorgt und fühlt es sich hier überhaupt wohl? Ganztagsschulen bekommen zusätzliche finanzielle Mittel vom Land für die Betreuung der Kinder.

Für das Gymnasium ist außerdem Motivation wichtig. "Die Kinder müssen eine gewisse Neugier mitbringen und sich länger mit einem Thema beschäftigen können", sagt HvB-Schulleiter Zangerle. Für besonders schüchterne Kinder eignen sich kleinere Schulen, die ein privates Umfeld bieten, oder Gesamtschulen, wo häufig zwei Lehrer im Team unterrichten. "Stille Kinder haben es nirgendwo leicht", meint Grundschulleiterin Cappel. "Anstatt sie auf eine andere Schulform zu schicken, sollte man sie stark machen." Dabei spielen auch die Freunde eine große Rolle. Die Entscheidung für eine Schule sollte natürlich nicht von den Freunden abhängig gemacht werden, aber gemeinsam in eine neue Klasse zu kommen, vereinfacht vieles.

Matilda will sich nicht nur nach ihren Freundinnen richten. "Aber viele möchten auch auf die Liebfrauenschule", erzählt sie. Am meisten freut sich die Neunjährige aber darauf, auf der neuen Schule auch neue Freunde zu finden.

KStA abonnieren