Skisport70-Meter-Sprünge waren möglich

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Skier gehörten im Hellenthaler Höhengebiet immer schon zum gängigen Fortbewegungsmittel. Früher trugen die Postboten sogar auf Skiern die Briefe aus. (Repro: Klinkhammer)

Skier gehörten im Hellenthaler Höhengebiet immer schon zum gängigen Fortbewegungsmittel. Früher trugen die Postboten sogar auf Skiern die Briefe aus. (Repro: Klinkhammer)

Hellenthal/Hollerath – Leidenschaftliche Heimatforscher gibt es einige in der Eifel, so etwa Anton Könen, Sophie Lange, Walter Hanf, Hans Peter Schiffer, Peter Baales und Helmut Jonas. Der in Hellenthal ansässige Siegfried Zieger, ebenfalls ein engagierter Historiker, beschäftigte sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem mit der kalten Materie: Mit den Heimatgeschichten rund um den Schnee in Hellenthal. So gehört die ehemalige Sprungschanze in der Nähe von Hollerath zu seinem Spezialgebiet. Verwunderlich ist der Hang zu den weißen Flocken nicht, denn Zieger stammt aus einer schneesicheren Region: Er wurde in den Karpaten geboren.

„1957 bin ich in die Eifel gekommen“, so Zieger. Der heute 78-Jährige hatte als Slowakei-Ausgewiesener zunächst das Abitur in Erkelenz abgelegt und dann in Aachen auf Lehramt studiert. In Hellenthal-Ramscheid trat er als junger Lehrer eine Stelle an der einklassigen Volksschule an. Später unterrichtete der verheiratete Vater von vier Kindern an der Hauptschule im Kernort Hellenthal.

Schnell sprach es sich in der Gemeinde herum: „Da kommt ein Lehrer aus den Karpaten, der kann Skilaufen!“ Natürlich nutzte Zieger die Möglichkeiten der neuen Heimat und schwang sich auch hier, so oft es ging, auf die Bretter. Irgendwann hörte Zieger von der großen Sprungschanze, die 1934 in der Nähe von Hollerath gestanden hat. Das 20 Meter hohe und 120 Meter lange Sportbauwerk war Ende des Zweiten Weltkrieges von der amerikanischen Artillerie zerstört worden. Während der Nazizeit lautete der Name des Bauwerks „Adolf-Hitler-Schanze“.

Hitlergruß und fromme Lieder

Bei der Einweihung durfte zwar der damals übliche Hitlergruß nicht fehlen. Gleichzeitig aber war in der katholisch geprägten Eifel auch der Pastor vor Ort und „der heimische Kirchenchor sang fromme Lieder“, schmunzelt Zieger. Auf einem Filmzusammenschnitt von damals sind die Details gut erkennbar. Zugrunde liegt dem Film Material, das Zieger von Josef Biergans Anfang der 1990er Jahre bekam. Biergans war damals ein führender Vertreter des Westdeutschen Skiverbandes. Das Material schnitt der Hellenthaler Andreas Klinkenberg zu einer DVD zusammen, Fritz Poensgen, ebenfalls ein Ur-Hellenthaler, unterlegte die Bilder mit Musik.

Ortsansässige Handwerker hatten die Sprungschanze 1934 gebaut, und zwar nach dem Muster der Schanze in Oberstdorf. Auf einem Beton- und Steinfundament errichteten sie ein Ständerwerk aus Stämmen. Das komplette Material wurde mit Ochsenkarren angefahren. Am Ende waren auf der Schanze Sprünge von bis zu 70 Metern möglich.

Nach dem Krieg bestand in der Grenzgemeinde lange Zeit der Wunsch, das zerschossene Bauwerk wiederaufzubauen. Zunächst wurde sogar ein Notbehelf in Form einer kleinen Schanze auf den großen Fundamenten errichtet, doch zum erneuten Bau kam es dann doch nicht mehr. Heute sind nur noch einige wenige, völlig überwachsene Steinreste im Boden zu sehen. Nur Wanderer, die ganz genau hinschauen, können eventuell noch erahnen, um was für ein riesiges Bauwerk es sich bei der Hollerather Sprungschanze gehandelt haben muss.

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