„Danke, München!“Wie die Multi-EM den Olympiapark zum Vibrieren brachte

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Jubel in München

Vor imposanter Zuschauerkulisse warten die 1500m-Läuferinnen auf den Startschuss.

München – Zum Abschluss wurde es beinahe zu perfekt. Ganz so, als hätte jemand aus Hollywood oder zumindest den Bavaria Filmstudios mit einem ausgeprägten Hang zur Überzeichnung Regie geführt. Tatsächlich aber war es die deutsche 4x100 Meter Staffel der Frauen gewesen, die kurz nach dem EM-Titel für den deutschen Speerwerfer Julian Weber auch noch Gold holte, im letzten Wettbewerb der European Championships am Sonntagabend. Die 40.000 Menschen im Olympiastadion kreischten und johlten noch einmal so laut sie konnten. Dann fiel der Vorhang für das elftägige Sportfest, das größte in München seit den Olympischen Sommerspielen von 1972 und das größte in Deutschland seit der Fußball-WM 2006.

„Wie die Leute mitgefiebert haben und mitgegangen sind in diesem Stadion, war wirklich einmalig“, sagte Sprinterin Gina Lückenkemper nach der Ehrenrunde mit ihren Staffel-Kolleginnen Alexandra Burghardt, Lisa Mayer und Rebekka Haase: „Ich hoffe darauf, dass wir noch viele, viele tolle Leichtathletik-Events in Deutschland erleben können. Es hat so viel Spaß gemacht. Danke, München!“ Es war ein Schlusswort, das stellvertretend stand für die weiteren acht olympischen Sportarten bei dieser Multi-EM. Auch zum Beachvolleyball, Geräteturnen, Kanu, Klettern, Radsport, Rudern, Tischtennis und Triathlon waren die Menschen geströmt. Ebenso zum kostenlosen Kulturprogramm, das die Sportveranstaltungen begleitete und ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der European Championships war. Denn alle, die wollten, konnten Teil dieses bunten und fröhlichen Sportfestes sein. Am Ende hatten die Veranstalter 1,2 Millionen Besucher gezählt. Für die teils kostenpflichtigen Wettbewerbe waren knapp 400.000 der durchaus teuren Eintrittskarten abgesetzt worden.

Multi-EM brachte München und den Olympiapark zum Vibrieren

Die Multi-EM hatte die Stadt und den Olympiapark zum Vibrieren gebracht. Leichtigkeit strahlten die European Championships aus, ganz bewusst wurde eine Nähe zwischen Aktiven und Publikum hergestellt. In der Mischung aus Sport, Party und Kultur feierten die Menschen sich und die Athletinnen und Athleten. Zuweilen stellte sich das Gefühl ein, dass die politische Großwetterlage und die diversen Krisen den Wunsch nach Zusammenhalt beförderten. Dass auch die internationalen Sportlerinnen und Sportler umjubelt wurden und sich begeistert zeigten, war der wichtigere Erfolg als Platz eins im Medaillenspiegel für das deutsche Team. „Vielleicht haben wir es sogar geschafft, so etwas wie einen europäischen Geist zu wecken“, sagte die für Konzept verantwortliche Olympiapark-Geschäftsführerin Marion Schöne.

Der Zuspruch und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung für die Multi-EM hatten viel mit jenem neuem Geist zu tun, durch den sich die European Championships vom Gigantismus anderer Großevents im Sport abhoben. Statt massiv in neue Wettkampfstätten zu investieren, die im Anschluss verfallen, wie zuletzt oft nach Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften, wurden in München vor allem jene Orte genutzt, die seit Olympia 1972 erhalten worden sind. Nötig waren nur Renovierungen oder kostengünstige, temporäre Arenen, wie für Beachvolleyball und Klettern am Königsplatz im Zentrum der Stadt.

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Offiziell beliefen sich die Kosten der European Championships auf 130 Millionen Euro, davon kamen 100 Millionen Euro von Bund, Freistaat und Stadt. Die Gesamtkosten entsprachen damit gut einem Prozent des Aufwands für die jüngsten Olympischen Sommerspiele (offiziell 13 Milliarden US-Dollar). Teilgenommen hatten 2021 in Tokio 11420 Sportlerinnen und Sportler, in München waren es 4700. Kleine Gesten der Nachhaltigkeit trugen dazu bei, dass die Multi-EM als vorbildlich wahrgenommen wurde. Statt rasch welkender Blumen wurden bei den Siegerehrungen Setzlinge verteilt und als bleibende Erinnerung am Olympiasee eingepflanzt.

Risse im schönen Bild

Es gab aber auch Risse im schönen Bild. Die Schwimm-EM fand parallel in Rom statt. Offiziell, weil die Olympia-Schwimmhalle in München nur über acht statt der nun üblichen zehn Bahnen verfügt. Doch auch in der weiteren olympischen Kernsportart Leichtathletik gibt es Bestrebungen, künftig wieder ein eigenes Event aufzuziehen, ohne Kompromisse mit anderen Sportarten eingehen zu müssen.

In Politik und Sport mehrten sich rasch die Stimmen für eine deutsche Olympia-Bewerbung, obwohl die Bürger zuletzt gegen Winterspiele 2022 in München und Sommerspiele 2024 in Hamburg votiert hatten. Die Mehrheit lehnte die massiven Kosten und Eingriffe in die Natur sowie die Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ab. Auch in München wurde Geld verdient mit der Veranstaltung, doch im Mittelpunkt standen der Sport und das Publikum, nicht vor allem politische Interessen oder das maximale Gewinnstreben einer Dachorganisation wie IOC und FIFA sowie internationaler Konzerne. Stattdessen sollten auch lokale Unternehmen profitieren. Wie am Königsplatz, wo beispielsweise eine Münchner Schaustellerfamilie mit ihrem Bratwurststand für die Verpflegung des Publikums sorgte. Auch diese Teilhabe trug zur gelungenen Multi-EM bei.

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