Rettig über das Duell seiner Ex-Klubs„Die Euphorie um den FC steckt alle an“

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Andreas Rettig (M.) zu Gast beim Training seines Ex-Klubs am Geibockheim und im Gespräch mit Jörg Jakobs (r.) und Erich Rutemöller.

Köln – Andreas Rettig, der ehemalige Manager des 1. FC Köln und des  FC Augsburg, kann sich noch gut an die Anfänge der Professionalisierung beim Klub aus der Fuggerstadt nach Jahren des tiefen Schummers erinnern. „Die Infrastruktur  von damals würde  ich als gehobenen Amateurbereich bezeichnen. Die Geschäftsstelle war im ersten Stock einer Kneipe beheimatet. Genau dort war auch die Toilette der Gaststätte. Da stand da schon mal der eine oder andere überraschende Gast bei mir im Büro“, erinnert sich der heutige Geschäftsführer von Drittligist Viktoria Köln und fügt an: „Aber dann hat sich beim FC Augsburg enorm etwas entwickelt. Er ist heute ein fester Bestandteil der Bundesliga.“

Und einer, der den 1. FC Köln in der vergangenen Dekade mehrfach ein Bein stellte. Der FC Augsburg ist für die Kölner ein klassischer Angstgegner, die FC-Siegquote bei den bayerischen Schwaben liegt nur bei 25 Prozent. Nur gegen zwei Vereine (FC Bayern, Bayer 04) ist die Bilanz noch dürftiger. Augsburg verlor nur eines der letzten 14 Bundesliga-Spiele gegen Köln (sieben Siege, sechs Remis). Auch im Hinspiel in Köln kassierte der FC eine 0:2-Niederlage. Für die Entscheidung sorgte  Niklas Dorsch mit einem fulminanten Weitschuss in der 88. Minute. Statistiker berechneten, dass es das unwahrscheinlichste Tor (Torwahrscheinlichkeit: 1,3 Prozent) der gesamten bisherigen Bundesliga-Saison war.

Zwei Kader-Änderungen

Der 1. FC Köln trat am Freitag ohne den gesperrten Salih Özcan und Ondrej Duda, auf den Trainer Steffen Baumgart an diesem Spieltag freiwillig verzichtet,  die Reise nach Augsburg an. Für den zuletzt so formstarken  Özcan rückte Bright Arrey-Mbi in den Kader, für Duda  reiste Kingsley Schindler mit nach Süddeutschland. Baumgart kündigte an, in Augsburg mit zwei Spitzen zu spielen. Neben dem gesetzten Torjäger Anthony Modeste hat Jan Thielmann die größten Chancen, in die Startelf zu kommen. Ansonsten dürfte sich im Vergleich zum Bielefeld-Spiel (3:1) nichts ändern. (LW)

Mögliche Aufstellungen: Augsburg: Gikiewicz - Gumny, Gouweleeuw, Oxford, Iago - Maier, Dorsch - Caligiuri, Vargas - Hahn, Gregoritsch.- Köln: Schwäbe - Schmitz, Kilian, Hübers, Hector - Skhiri - Ljubicic, Uth, Kainz - Thielmann, Modeste.

Am Samstag (15.30 Uhr) nun stehen sich beide Klubs in der WWK Arena erneut gegenüber, und für beide steht drei Spieltage vor Saisonende viel auf dem Spiel: Der Tabellensiebte aus Köln will einen weiteren Schritt in Richtung Europapokal machen, die Hausherren können mit einem Sieg den vorzeitigen Klassenerhalt besiegeln. Rettig weiß genau, wie beide Klubs und ihr Umfeld ticken. „Der Euphorie  um den FC kann sich derzeit keiner entziehen. Sie steckt alle an. Der 1. FC ist – wie es der Name schon sagt – der erste Klub in der Stadt. Damit haben wir auch im Rechtsrheinischen  überhaupt kein Problem“, sagt der 59-Jährige. Sogar der Fachmann hätte mit dem enormen Aufschwung des FC nach zwei Fast-Abstiegen in den beiden Spielzeiten zuvor nicht gerechnet: „Ich bin von der Entwicklung auf diesem Niveau positiv überrascht. Der FC hat nicht zufällig schon 49 Punkte auf dem Konto. Das ist große Klasse, und ganz sicher hat Steffen Baumgart da ein großes Verdienst.“ Seine Prognose  dürfte die FC-Fan freuen: „Im Kampf um Europa drücke ich neben dem FC natürlich auch meinem zweiten Ex-Klub Freiburg die Daumen. Und wenn ich mir die Form der Vereine und das Restprogramm so ansehe, dann dürfte es für beide klappen.“

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Der FC Augsburg bewegt sich zwar noch im Rahmen seiner Saison-Vorgabe Klassenerhalt, doch etwas mehr hätten sich die Fuggerstädter in dieser Saison schon erwünscht. Immerhin noch  rechtzeitig auf der Zielgerade scheint das Team von Trainer Markus Weinzierl  in die Spur zu kommen. Wieder einmal.  „Augsburg spielt eine Saison wie in den vergangenen Jahren. Immer, wenn es richtig gefährlich zu werden droht, kann sich die Mannschaft befreien. Der Verein und sein Umfeld zeigen in diesen Phasen eine enorme Geschlossenheit und Willensstärke. Deshalb überrascht es mich nicht, dass Augsburg immer wieder das Ruder herumreißen kann“, sagt Rettig, der von Juli 2006 bis Juli 2012 Manager beim FCA war und neben dem  Erstliga-Aufstieg 2011 einiges vorweisen kann: In seiner Zeit verzehnfachten sich die Mitglieder auf 10.000, versechsfachten sich die Dauerkarten auf 18.000, der Zuschauerschnitt verdoppelte sich auf 30.000.

„Viele Klubs würden gerne mit Augsburg tauschen"

Dass Augsburg bei vielen Fans in Deutschland nicht gerade Emotionen weckt und eher als graue Maus gilt, dieser Einschätzung kann der Funktionär wenig abgewinnen: „Jedes Jahr, das  Augsburg in der Bundesliga spielt, ist für den Klub ein gutes. Dort wird seit Jahren seriöse Arbeit geleistet. Stadt und Region stehen hinter dem Klub, der erstmalige Aufstieg damals war eine Art Urknall, der allen ein neues Selbstwert-Gefühl gegeben hat. Ich bin mir sicher, dass derzeit viele gerne mit Augsburg tauschen würden: Schalke, Werder oder der HSV.“

Die Augsburger gehen dabei im sportlichen Überlebenskampf seit Jahren zünftig zur Sache. In der letzten Saison waren sie die Mannschaft mit den meisten Platzverweisen (vier), in dieser kassierten sie nach Hoffenheim die meisten Verwarnungen (68). Auch in den 15 Bundesliga-Begegnungen gegen den FC gab es sechs Platzverweise und acht Strafstöße. Doch die Kölner sollten sich an das bis dato letzte Duell in Augsburg erinnern, das ebenfalls am drittletzten Spieltag ausgetragen wurde: Der FC gewann unter Interimstrainer Friedhelm Funkel 3:2. Es war der erste Bundesligasieg der Kölner in Augsburg und ein Meilenstein für den Klassenerhalt. Ohne diesen Erfolg könnte das Baumgart-Team jetzt nicht nach den Europa-Sternen greifen.

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