FC-Torhüter Marvin Schwäbe„Timo Horn verbreitet überhaupt keine schlechte Laune“

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Schwäbe

Marvin Schwäbe hat Spaß beim Training.

Herr Schwäbe, die FC-Fans haben Sie zum Spieler der Saison 2021/22 auf Platz zwei hinter Tony Modeste gewählt. Und dies in Ihrer ersten Spielzeit beim FC. Hat Sie das überrascht? Marvin Schwäbe: Auf jeden Fall. Es freut mich, dass ich so schnell so gut im Verein und bei den Fans aufgenommen wurde. Das ist ein tolles Zeichen. Für mich ist die Saison sehr gut verlaufen. Ich bin glücklich, dass ich diese Chance in Köln erhalten habe und sehr froh über meinen Wechsel.

Sie galten in Deutschland lange als großes Torwart-Talent. Durch Ihre drei Jahre in Dänemark waren Sie hierzulande etwas aus dem Fokus geraten. Haben Sie das auch so gesehen?

Definitiv, die dänische Liga wird hier ja nicht großartig verfolgt. Aber für mich ging es damals um den nächsten Karriere-Schritt. Als junger Torwart ist es sehr schwer, die Chance in der Bundesliga zu bekommen. Ich wollte nicht irgendwo auf der Bank Platz nehmen und drei, vier Jahre darauf warten. Nach meinen Leihen nach Osnabrück und Dresden hätte es für mich nicht viel Sinn gemacht, zu Hoffenheim zurückzukehren. Ich konnte realistisch einschätzen, dass es bei der TSG hinter Oliver Baumann sehr schwer für mich geworden wäre. Bei Bröndby Kopenhagen waren damals einige Deutsche, darunter Trainer Alexander Zorniger oder sein Co-Trainer Matthias Jaissle, den ich noch aus Hoffenheim kannte. So entstand der Kontakt. Ich bekam meine Chance – und nutzte sie. In meiner dritten und letzten Saison sind wir Meister geworden, das war ein richtig schöner Abschluss.

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In Dänemark hatten Sie den Ruf als „Sweeper Keeper“ weg, also als mitspielender Torhüter, der auch mal ins Risiko geht. Trifft dies zu?

Das passt schon so. Ich will nicht sagen, dass man in Dänemark einen mitspielenden Torhüter nicht kannte. Aber nur wenige Teams haben so gespielt. Meine Trainer dort haben meine Spielweise unterstützt. Grundsätzlich ist es aber nicht so, dass ich zu viel ins Risiko gehe.

In Kopenhagen haben Sie außerhalb der Stadt gewohnt, jetzt wohnen Sie bei Düren. Ist der Trubel der Stadt nichts für Sie?

Wir haben uns schon immer lieber etwas außerhalb der Stadt gesucht. Meine Frau und ich haben eine ganz kleine Tochter, seit einigen Jahren haben wir auch einen Hund. Wir haben ein schönes Grundstück mit Garten, für die Familie ist das perfekt. Und die Fahrzeit zum Geißbockheim hält sich mit 30, 35 Minuten im Rahmen. Ich bin auch mal gerne in der Stadt, aber ich brauche das nicht täglich.

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Der 1. FC Köln hat Sie nicht als klassischen Ersatztorhüter, sondern als Herausforderer von Timo Horn verpflichtet. Mit dessen Verletzung konnte keiner rechnen, aber hatten Sie unabhängig davon darauf spekuliert, Timo Horn mal ablösen zu können?

Ich war noch ein Transfer von Horst Heldt, und als es den ersten Kontakt zum FC gab, waren Markus Gisdol und Andreas Menger noch Cheftrainer beziehungsweise Torwarttrainer. Dann kamen rundum neue Leute zum FC. Aber ich hatte sofort ein gutes Gefühl bei Steffen Baumgart und Uwe Gospodarek. Es war klar, dass ich die Nummer zwei bin und mich erst einmal hintanstellen musste. Dass sich Timo dann schwerer verletzte: Das wünscht man natürlich keinem.

Können Sie sich in Horn hineinversetzen?

Das ist der Sport, das Business, aber grundsätzlich muss man auch immer den Menschen dahinter sehen. Dass sich Timo nach so vielen Jahren im FC-Tor natürlich jetzt seine Gedanken macht, ist logisch. Ich kann da schon mitfühlen. Timo rechne ich hoch an, dass er überhaupt keine schlechte Laune verbreitet. Ganz im Gegenteil. Er hängt sich voll rein, und die Atmosphäre unter uns Torhütern ist so gut wie zu Beginn meiner Zeit beim FC.

War der plötzliche Rollenwechsel vom Herausforderer zur Nummer eins schwierig? Und spüren Sie jetzt mehr Druck?

Ich hatte das Glück, in den letzten Jahren fast immer gespielt zu haben. Ich war lange im Spielrhythmus und auch beim FC gut im Training. Ich habe mich gut gefühlt, deshalb fiel die Umstellung nicht so schwer. Größeren Druck hatte ich ja bereits seit Ende November, als ich ins Tor kam. Oder im Januar, als feststand, dass ich im Tor bleibe. Ich will meine Leistungen bestätigen und traue mir das auch zu. Und Druck gab es bei Bröndby auch, der Verein hat auch viele fanatische Fans. Ich war es also auch gewohnt, vor 30 000 oder 40 000 Fans zu spielen.

Hat Sie Torwarttrainer Uwe Gospodarek noch mal besser gemacht?

Was die Explosivität und Sprungkraft angeht, hatte ich noch Luft nach oben. Und ich denke, dass ich mich dank Uwe in diesem Bereich verbessert habe. Er hat eine klare Linie, die ich schätze.

Der FC hat in seiner langen Historie schon viele bedeutende Torhüter gehabt. Sie sind mit 27 im besten Fußballalter und reihen sich dann irgendwann mal in diese Riege ein?

Für Timo war das sicherlich etwas anderes als für mich, er kommt aus Köln und stand über zehn Jahre lang im Tor. Ich lebe mehr im Hier und Jetzt, nach einem halben Jahr zwischen den FC-Pfosten kann ich schlecht daherkommen und darüber sprechen. Aber natürlich kann ich mir vorstellen, noch lange hier zu bleiben. Die Mannschaft ist super, ich fühle mich im Verein wohl, meine Familie lebt hier ebenfalls gerne. Das kann gerne noch länger so bleiben.

„Wir haben vergangene Saison alles rausgeholt“

Was sind die neuen Ziele nach Platz sieben in der vergangenen Saison?

Darüber werden wir in den nächsten Wochen im Team sprechen. Ich denke, wir haben in der vergangenen Spielzeit alles herausgeholt. Der Trainer hat richtig Schwung in einen nur auf wenigen Positionen veränderten Kader gebracht. Wir wollen das natürlich fortführen und neu angreifen. Was ich sagen kann: Wir haben wieder eine starke Mannschaft beisammen – und wir sind alle guter Dinge.

Sie kommen aus einer Ringer-Familie und waren selbst früher auf der Matte aktiv. Kommt Ihnen das noch heute manchmal zugute – so wie Ihrem Ex-Teamkollegen Salih Öczan?

Bis ich 14 war, habe ich beide Sportarten zeitgleich gemacht. Aber mein älterer Bruder war wesentlich erfolgreicher als ich. Mir hat das Ringen immer Spaß gemacht, aber der Fußball gefiel mir dann doch noch etwas mehr. Vielleicht bin ich durch das Ringen etwas beweglicher geworden, aber im Gegensatz zu Salih bin ich über zehn Jahre raus. Salih ist ein kleines Biest, und auf seiner Position bringen ihm seine Ringer-Qualitäten noch mehr als auf meiner (lacht).

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