Legende Toni Schumacher wird 70„Der 1.FC Köln wird immer mein Verein bleiben“

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Stolzer EM-Botschafter der Stadt Köln: Toni Schumacher präsentiert im Rhein-Energie-Stadion eine übergroße Nachbildung des EM-Pokals.

Stolzer EM-Botschafter der Stadt Köln: Toni Schumacher präsentiert im Rhein-Energie-Stadion eine übergroße Nachbildung des EM-Pokals.

Toni Schumacher feiert am 6. März seinen 70. Geburtstag. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ traf die Torwartlegende des 1. FC Köln und der deutschen Nationalmannschaft zum großen Jubiläums-Interview.

Herr Schumacher, Sie werden 70. Was bedeutet die Zahl für Sie?

Toni Schumacher Es ist irgendwie merkwürdig, auch weil ich mich nicht wie 70 fühle. Wenn ich an meine Jugend denke, da war ein 70-Jähriger für mich schon alt. Aber das ist zum Glück heute anders. Es ist nur die Zahl, die einen erschreckt. In der Fußballersprache würde ich sagen: Ich bin schon weit in der zweiten Halbzeit, vielleicht sogar in der Nachspielzeit. Das Wichtigste ist, dass man gesund ist – körperlich und geistig. Und das bin ich. Klar, ich hatte viele Verletzungen und habe deshalb heute Schmerzen. Aber wenn ich an die Erfolge denke, die mit den Schmerzen verbunden sind, wird es direkt besser (lacht).

Weil Sie sich an eine schöne Zeit erinnern?

Genau. Und da vor allem an eine erfolgreiche Zeit beim 1. FC Köln und in der Nationalmannschaft. Wenn ich mich an die WM- oder EM-Endrunden oder die Titel mit dem FC erinnere, tut das meinen alten Knochen gut. Aber ich habe natürlich auch mit Jasmin eine Frau an meiner Seite, die sehr gut auf mich und meine Gesundheit achtet. Ich ernähre mich dank ihr sehr gesund – und deshalb habe ich mir heute zum Interview mit Ihnen auch mal Reibekuchen bestellt (lacht). Aber ich bewege mich auch viel, bin manchmal bis zu acht Stunden mit Gartenarbeit beschäftigt. Ich gehe früh ins Bett, stehe oft um 5 Uhr auf und mache Yoga und Meditationsübungen. Und dann habe ich noch eine relativ junge Tochter, die mich auf Trab hält. Perla studiert in Schottland und plant ab Herbst ein Auslandssemester in Kanada. Dort werden wir sie sicher besuchen.

Sie waren allerdings gerade recht heftig an Corona erkrankt. Wie geht es Ihnen jetzt?

Ich hatte mich offenbar auf der Prinzen-Proklamation angesteckt. Ich hatte zuvor schon mal Corona, da hatte ich kaum Symptome, aber diesmal hat es mich trotz Impfung schwer erwischt mit entzündeten Gelenken und dicken Knien. Ich bin zweimal punktiert worden. Doch auch das haben wir zum Glück gut in den Griff bekommen. Ich fühle mich wieder topfit.

Toni Schumacher: „Fühle mich immer noch voller Energie“

Als Torhüter strotzten Sie nur so vor Kraft und Energie, galten fast als unzerstörbar.

Trotz der Wehwehchen fühle mich auch heute immer noch voller Energie. Aber ich achte mehr auf meine Gesundheit, früher habe ich in der Tat nie Rücksicht darauf genommen. Ich habe mich geschunden und es mir nie leicht gemacht – auf, aber auch neben dem Platz. Ich bin nie etwas aus dem Weg gegangen.

Um im Duktus zu bleiben: Manchmal haben Sie auch keine Rücksicht auf Ihre Gegenspieler genommen.

Da ist die Geschichte wieder! (lacht). Nach über 40 Jahren werde ich immer noch darauf angesprochen. Auch da hätte ich es mir leichter machen können und wie Patrick (Patrick Battiston, mit dem Schumacher im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich schwer zusammengeprallt war, d. Red.) über das Thema nicht mehr sprechen können. Seine Haltung muss man respektieren und akzeptieren. Aber die Geschichte gehört nun einmal zu meinem Leben. Ja, es war schlimm. Und ja, ich habe mich bei Patrick entschuldigt. Im Mai kommt dieses Jahrhundert-Spiel sogar als Fußballdrama in fünf Akten auf die Theaterbühne. Die „Nacht von Sevilla“ mit Schauspieler Peter Lohmeyer. Autor Manuel Neukirchner hat mich überzeugt, den Schlussmonolog auf der Bühne selbst zu sprechen. Die Premiere bei den Ruhr-Festspielen war innerhalb von drei Stunden ausverkauft. Auch ich tauche nach so vielen Jahren wieder in dieses Adrenalin-Spiel ein, in dem der vermeintliche Bösewicht, also ich, am Ende noch zwei Elfmeter hielt.

In den vergangenen Wochen sind mit Franz Beckenbauer und Andreas Brehme zwei Legenden des deutschen Fußballs gestorben. Ihr früherer Trainer und Ihr einstiger Teamkollege.

Mich hat das sehr mitgenommen. Der Franz hatte in den letzten Jahren eine schwere Zeit, man hat ihm in der Geschichte um die WM-Vergabe 2006 sehr zugesetzt. Franz wurde meiner Meinung nach Unrecht getan. Ihm da kriminelle Energie zu unterstellen – um Gottes Willen. Er hatte sich bei diesen Themen auf andere verlassen – und ist bitter enttäuscht worden. Auch der überraschende Tod meines ehemaligen Mitspielers Andy hat mich tief getroffen.

Wie hatte der Teamchef Franz Beckenbauer Ihnen 1987 nach Ihrem Buch „Anpfiff“ erklärt, dass Sie nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen?

Franz hatte mir das nicht wirklich erklärt, das entsprach auch nicht seiner Art. Was mir noch heute von ihm in den Ohren klingt ist: „Was hast du denn da für einen Scheiß gemacht...?!“ Es war eine Entscheidung der Verantwortlichen des DFB und des 1. FC Köln am Tag meines 33. Geburtstags ­– ohne mit mir darüber gesprochen zu haben. Ich war überzeugt: Der Einzige, der mich hätte retten können, wäre der Franz gewesen. Denn von der Leistung her war ich damals noch gut in Form und sicherlich auch zurecht die deutsche Nummer eins. Jedes Mal, wenn ich Rudi Völler treffe, erinnert er mich: „Wenn du nicht das Buch geschrieben hättest, dann wärst du mit uns 1990 Weltmeister geworden“. Ich hadere nicht damit, denn ich hatte mich nun einmal dazu entschlossen, „Anpfiff“ zu meiner aktiven Zeit zu schreiben. Man kann nicht zwei Wege parallel zur gleichen Zeit gehen und hinterher entscheiden, welcher der bessere gewesen wäre. Heute freue ich mich über viele Dinge, die ich in meinem Buch gefordert habe und umgesetzt wurden, zum Beispiel die Dopingkontrolle, der vierte Schiedsrichter, Videowände, mehr Komfort in den Stadien, um für Frauen und Familien attraktiver zu werden.

DFB-Legende: Torhüter Toni Schumacher bejubelt bei der Weltmeisterschaft in Mexico ein Tor der Nationalmannschaft gegen Uruguay.

DFB-Legende: Torhüter Toni Schumacher bejubelt bei der Weltmeisterschaft in Mexico ein Tor der Nationalmannschaft gegen Uruguay.

Wie schwer ist es Ihnen damals gefallen, Ihren Heimatklub 1. FC Köln nach so vielen Jahren verlassen zu müssen?

Zuerst war es so, als hätte man mir das Herz herausgerissen. Aber ich stand 1987 noch im Saft und wusste, dass ich weiterspielen werde. Ich hatte danach noch eine spannende Karriere mit vielen prägenden Stationen, die ich andernfalls nicht erlebt hätte: Schalke, eine fremde Kultur bei Fenerbahce Istanbul, Klassenprimus Bayern München, am Ende sogar Borussia Dortmund, mit denen ich mit 42 Jahren als Spieler noch einmal Meister werden durfte. Dafür bin ich sehr dankbar.

Mit dem FC haben Sie aber die größten Erfolge des Vereins gefeiert: Doublesieger 1978, dazu Pokalsieger 1977 und 1983. Der Titel von 1983 war der bislang letzte des Klubs…

…das hätte ich seinerzeit nicht für möglich gehalten. Denn der FC war damals immer oben dabei. Ich finde, trotz unserer Klasse und Möglichkeiten haben wir damals zu wenige Meisterschaften geholt. Wir hatten riesige Kicker beim FC, doch uns fehlte zu oft die Konstanz. Aktuell ist die Situation leider aufgrund des Tabellenplatzes und der Transfersperre dramatisch. Platz 15 ist schon weit weg, es geht nur noch um den Relegationsplatz. Köln oder Mainz. Ich glaube an uns und drücke die Daumen.

Haben Sie sich mit dem Zustandekommen der Transfersperre intensiver befasst?

Ja, ich bringe es mal auf einen einfachen Nenner: Der FC hat sich nicht an Regeln gehalten und ist deshalb bestraft worden. Der FC hätte sich auch noch mit Olimpija Ljubljana einigen können, hat das aber nicht gemacht, weil die Verantwortlichen überzeugt waren, im Recht zu sein. Im Nachhinein keine gute Entscheidung.

Wie ist denn Ihr Draht zu den aktuellen Verantwortlichen des FC?

Ich habe keinen wirklichen Draht. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass da ein großes Bedürfnis besteht.

Was ist der 1. FC Köln noch für Sie?

Noch immer mein Verein. Und dabei wird es immer bleiben. Der Verein ist immer größer als die handelnden Personen.

2019 wirkten Sie tief enttäuscht über Ihre Ablösung als FC-Vizepräsident – auch im Interview mit dieser Zeitung.

Was damals passiert ist, das hat mich in der Tat tief getroffen. Ich bin ein leidenschaftlicher Mensch, der in seine Aufgaben stets sehr viel Zeit, Herzblut und Arbeit investiert. So war das auch beim FC, als Spieler wie als Funktionär. Wir hatten weitere Pläne, sind damals aber heftig ausgebremst worden. Der Mitgliederrat hatte ein anderes Vorstandstrio vorgeschlagen, und die Mitglieder haben auf der Mitgliederversammlung den bis heute amtierenden Vorstand gewählt.

Kann es sein, dass das Ende Ihrer Amtszeit sogar eine ihrer bittersten Erfahrungen war?

Mit Theater und schmerzhaften Erlebnissen habe ich ja so einige Erfahrung... Ich bin glücklich darüber, dass ich damit im Reinen bin.

Auch die Vereinslegende Wolfgang Overath hatte kein schönes Ende seiner Amtszeit als FC-Präsident. Nur Zufall?

Vielleicht nicht. Schön war es sicher nicht.

Interview-Termin mit dem„ Kölner Stadt-Anzeiger“ bei seinem Stamm-Italiener „Luis Dias“ in Rodenkirchen: Toni Schumacher lässt es sich nicht nehmen, in der Küche vorbeizukommen unddas Team um Chef Luis Dias zu begrüßen.

Interview-Termin mit dem„ Kölner Stadt-Anzeiger“ bei seinem Stamm-Italiener „Luis Dias“ in Rodenkirchen: Toni Schumacher lässt es sich nicht nehmen, in der Küche vorbeizukommen und das Team um Chef Luis Dias zu begrüßen.

Anfang 2022 haben Sie Ihr letztes FC-Amt abgegeben, sie hörten als Mitglied im FC-Stiftungsrat auf. Warum?

Ich hatte das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Viel mehr gebraucht werde ich von der DFB-Stiftung Egidius Braun, es erfüllt mich sehr, mich im Stiftungskuratorium einbringen zu dürfen. Und regelecht Gänsehaut hat es bei mir erzeugt, als man mich zum offiziellen Botschafter Kölns für die Euro 2024 ausgewählt hat. Ich empfinde es als sehr große Ehre und bin dankbar für die großartige Zusammenarbeit mit dem Sportamt, dem Sportbotschafter-Team und natürlich Henriette Reker. Selbstverständlich möchte ich dazu beitragen, dass Köln die beste Host-City der Euro 2024 in Deutschland wird. Wir Kölner sind großartige Gastgeber und werden die Fans aus aller Welt mit offenen Herzen und Armen willkommen heißen. Aber vorher freue ich mich noch auf das Frauen-Pokalfinale in Köln, das ich schon seit 2011 als Botschafter unterstütze.

2025 stehen FC-Vorstandswahlen an...

Aber ohne mich! (lacht)

„Bayer hätte es verdient, das ,Vizekusen' endlich abzulegen“

Am Sonntag trifft der FC auf Spitzenreiter Bayer 04 Leverkusen. Was erwarten Sie für ein Spiel?

Gewiss kein einfaches Spiel für den FC, aber das ist keine gewagte Prognose. Leverkusen spielt einen schönen, richtig guten Fußball und hat Top-Spieler, das muss man anerkennen. Als Fan hoffe ich, dass der FC durch eine Standard-Situation punkten kann. Als Fußball-Realist befürchte ich, dass es gegen Bayer nicht reichen wird.

Wünschen Sie sich etwa Leverkusen als Meister? Eine kleine Verbindung zu Bayer 04 haben Sie ja, schließlich waren Sie dort von 2001 bis 2003 Torwarttrainer.

Ja, auch das war eine wichtige Station in meiner Karriere. Bayer hätte es verdient, das „Vizekusen“ endlich abzulegen, in meiner Zeit waren wir 2002 auch einmal fast so weit. In dieser Saison zeigen sie konstant schönen und erfolgreichen Fußball. Und der FC Bayern scheint im Moment nicht in der Verfassung, die acht Punkte Rückstand aufzuholen.

Sind Sie denn am Sonntag im Stadion?

Auf jeden Fall – sogar mit meinen Kindern, die alle zu meinem runden Geburtstag einfliegen.

Und dann gibt es ein großes Fest?

Erst einmal bleibt der Kreis familiär, aber im Sommer wird es wohl noch ein etwas größeres Fest am Rhein geben. Der Fußball wird dann keine große Rolle spielen. Auch wenn ich dem Fußball für alles dankbar bin.

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