Ärger um Kölns Top-TalentDas sagt der FC zur brisanten Personalie Justin Diehl

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FC-Trainer Steffen Baumgart gibt Top-Talent Justin Diehl im Training Anweisungen.

FC-Trainer Steffen Baumgart (l.) gibt Kölns Top-Talent Justin Diehl im Training Anweisungen.

Der FC hat sein 18-jähriges Ausnahmetalent degradiert. Und das hat Gründe.

Justin Diehl gilt beim 1. FC Köln seit Jahren als eines der größten Talente überhaupt, nach dem schmerzlichen Verlust von Florian Wirtz vielleicht sogar als das größte. Sein Werdegang ist vermeintlich eine Geschichte wie aus dem kölschen Bilderbuch: Geboren in Köln, schloss sich der heute 18-Jährige bereits 2011 dem FC an. Da war er gerade mal sechs Jahre alt. Ein absolutes „Eigengewächs“, wie man es in der Sprache des Sports gerne formuliert.

Mit den Jahren wurde das große Talent des kleinen Diehls immer offensichtlicher. Der vielseitig einsetzbare Offensivspieler wurde am Geißbockheim gefördert und gefordert. Technisch beschlagen, pfeilschnell, gewandt, geschickt, mutig: Seine Fertigkeiten blieben natürlich auch nicht dem DFB verborgen, Einsätze in der U16-, U18- und aktuell U19-Nationalmannschaft folgten. Sein Weg führte lange steil nach oben, bis eine Verletzungs- und Leidenszeit mit etlichen Rückschlägen folgte. Doch natürlich sahen die FC-Verantwortlichen in Diehl weiter ein Versprechen für die Zukunft des Bundesligisten, dafür ist sein Potenzial zu offensichtlich.

Diehl zur U21 degradiert

Doch jetzt gibt es mächtig Zoff. Und dies nicht mehr nur hinter den Kulissen. Es sieht alles nach einem vorzeitigen Abschied des Top-Talents aus. Und das hat seinen Grund.

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Am Montag gehörte Diehl überraschend zu den Spielern, die beim Trainingsauftakt der U21 auf dem Platz standen. Schwitzen beim Regionalliga- statt beim Bundesliga-Team war für ihn angesagt. Ein Vorgang, der dem Offensivspieler nicht nur wie eine Degradierung vorgekommen sein musste, sondern auch eine war. Denn Cheftrainer Steffen Baumgart hatte vor einigen Wochen noch angekündigt, dass Diehl auf jeden Fall beim Auftakt der Profis am 10. Juli dazugehören solle. Doch seitdem hat sich einiges verändert.

Bereits vor Monaten hatte der Klub dem Angreifer und seiner Berater-Agentur Rogon ein neues Angebot zur Vertragsverlängerung vorgelegt. „Unsere klare Intention ist, dass wir mit dem Spieler verlängern wollen. Wenn er das auch will, werden wir schnell verlängern“, sagte Kölns Sport-Geschäftsführer Christian Keller bereits Anfang Juni. Denn in einem Jahr, also am 30. Juni 2024, läuft Diehls bisheriger Kontrakt beim FC aus. Der Klub sah logischerweise Handlungsbedarf.

Baumgart: „Keine Grundlage mehr“

Doch Diehls Seite lehnte das Angebot entschieden ab – und die Kölner Verantwortlichen fühlen sich nun vor den Kopf gestoßen. Als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Steffen Baumgart mit der Personalie Diehl konfrontierte, reagierte der Cheftrainer hörbar angefasst: „Justin hat uns mitgeteilt, dass er seine Zukunft nicht beim FC sieht. Wir haben ihm eine klare sportliche Perspektive aufgezeigt und er hat sich gegen diese Perspektive entschieden“, sagte Baumgart und begründete Diehls Versetzung in die U21: „Damit ist nicht mehr die Grundlage gegeben, dass wir ihn im Profi-Kader entwickeln. So oder so gilt es eben dann seine Entscheidung zu respektieren. Genauso gilt es dann aber auch unsere Entscheidung zu respektieren, dass wir unseren Fokus auf die Förderung anderer Nachwuchstalente legen.“ Gemeint ist damit zum Beispiel Max Finkgräfe (19), der zuletzt oft von den FC-Bossen gelobt wurde.

Dass er selbst großes Potenzial in Diehl sieht, stellt Baumgart gar nicht in Abrede: „Justin hat ganz sicher außergewöhnliche Fähigkeiten und kann auch ein außergewöhnlicher Spieler werden, aber er muss ebenso sicher auch noch viel lernen.“ Der Coach rechnet nicht mehr mit einem Sinneswandel von Diehls Seite, sagt allerdings auch: „Es gibt immer einen Weg zurück, die Tür ist nie ganz zu, aber er hat uns seine Entscheidung ja klar mitgeteilt.“

Vorzeitiger Abschied absolut möglich

Sollte diese bestehen bleiben, wird Diehl vorerst weiter in der Reserve trainieren. Dies wahrscheinlich so lange, bis eine Lösung gefunden ist. Und die dürfte ein vorzeitiger Abschied sein. Der Kölner Trainer will sich dazu nicht äußern. Das Transferfenster ist ab dem 1. Juli und noch lange bis zum 31. August geöffnet. Der FC könnte in diesem Sommer noch eine Ablöse kassieren. Auf der anderen Seite würden die Kölner nach Florian Wirtz, der unter dem Strich für rund 350.000 Euro im Januar 2020 zu Bayer 04 Leverkusen wechselte, dessen Marktwert mittlerweile aber astronomische rund 80 Millionen Euro betragen dürfte, aber erneut ein Ausnahmetalent verlieren. Vergleichen lassen sich die Fälle Diehl und Wirtz indes nicht, denn bei Diehl hat der Verein rechtzeitig reagiert. Zudem wird erst die Zukunft zeigen, wie und wo sich der 18-Jährige entwickelt.

„Machen junge Spieler besser“

Baumgart will sich aber auf keinen Fall nachsagen lassen, dass er Nachwuchsspieler zu wenig fördere und in den Prof-Kader einbaue. Ganz im Gegenteil, sagt der Trainer: „Mein Trainerteam und ich setzen auf junge Spieler und es hat sich in den letzten beiden Jahren gezeigt, dass wir sie besser machen und vielen den richtigen Weg aufgezeigt haben.“

Das umstrittene Branchen-Schwergewicht Rogon, das auch die FC-Profis Tim Lemperle (seit kurzem ausgeliehen an Greuther Fürth) und Noah Katterbach (ausgeliehen an den Hamburger SV) betreut, wollte sich auf mehrfache Nachfrage dieser Zeitung nicht zur Personalie ihres Klienten äußern.

DFB-Trainer Nowotny: Überragende Fertigkeiten, aber kein fertiger Spieler

Einen neutralen Blick auf die Personalie Diehl dürfte Jens Nowotny haben. Der 48-fache Ex-Nationalspieler kennt den 18-Jährigen seit zwei Jahren aus der gemeinsamen Zeit in der U18- und U19-Nationalmannschaft des DFB, als dessen Co-Trainer er zuletzt fungierte. Nowotny habe Diehl als „jungen, aufmerksamen, wissbegierigen Jungen“ kennengelernt, der Ratschläge angenommen habe, sagt der 49-Jährige dieser Zeitung. Und bescheinigt ihm „überragende Fähigkeiten in der Offensive. Es ist große Klasse, was er mit Ball und Gegner anstellen kann. Er hat Voraussetzungen, die in der Offensive gesucht werden: Er hat den Mut, es nicht nur mit einem, sondern gleich mit mehreren Gegenspielern aufzunehmen. Dazu ist er ungemein schnell. Dass er großes Potenzial hat, sieht jeder.“

Ex-Nationalspieler und Nachwuchstrainer Jens Nowotny steht bei einem Länderspiel der deutschen U19-Nationalmannschaft am Spielfeldrand.

Ex-Nationalspieler Jens Nowotny trainierte Justin Diehl bisher knapp zwei Jahre im DFB-Nachwuchs.

Doch Diehl sei eben bei weitem noch kein fertiger Spieler, könne dies mit 18 Jahren auch noch gar nicht sein. „An Körperlichkeit, Stabilität und Robustheit im Zweikampf muss er sicher noch arbeiten. Der Sprung vom Junioren- in den Erwachsenenbereich ist ein großer und nicht einfach“, weiß der frühere Verteidiger. Zudem habe der 1,74 Meter große Angreifer erste Rückschläge, vor allem verletzungsbedingter Art verkraften müssen, mit der Spieler erst einmal umgehen lernen müsse.

Doch der frühere Leverkusen-Profi verfolgt auch die Arbeit beim 1. FC Köln. Erst recht, nachdem Nowotny selbst mal beim FC hospitiert hat. Diehl müsse natürlich am Ende selbst entscheiden, wo er die beste Perspektive für seine Zukunft sehe, es gehe um Anspruch und Wirklichkeit. „Doch ich habe ja selbst mitbekommen, wie sehr sich der FC um seine Jungs und Talente kümmert“, meint Nowotny.

Dass das ganze Thema allerdings eine gewisse Brisanz hat, registrierte der junge Spieler offenbar selbst. Auf seinem Instagram-Account deaktivierte Diehl vorsichtshalber die Kommentarfunktion.

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