1. FC Köln und der Fall PotocnikDas Millionenangebot, das es nicht gab

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Jaka Potocnik im Spiel mit der slowenischen U17-Auswahl gegen Österreich. Potocnik steuerte zwei Tore zum 4:0 Sieg Sloweniens bei.

Jaka Potocnik im Spiel mit der slowenischen U17-Auswahl gegen Österreich. Potocnik steuerte zwei Tore zum 4:0 Sieg Sloweniens bei.

Die Berufung des 1. FC Köln gegen das Fifa-Urteil wurde abgewiesen, doch der FC entging einer Millionenstrafe – wegen des obskuren Vorgehens der Gegenseite. 

Die Verhandlung vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne war für den 1. FC Köln ein umfassendes Desaster. Das Schiedsgericht wies die Beschwerde gegen das Urteil der Fifa zurück und bestätigte damit die Transfersperre gegen den Bundesligisten. Insgesamt war die Anhörung geprägt von tiefem Unverständnis für die Versuche der Kölner Seite, mit abseitigen Themen zu punkten.

Als „akademische“ Debatten taten die Cas-Richter manche von Köln aufgebrachte Detailfrage in teils genervtem Ton ab. Darunter, ob womöglich beide Elternteile des minderjährigen Jaka Potocnik den Vertrag hätten unterschreiben müssen – und ob es sich bei der Vereinbarung, die Potocnik unterschrieben und sieben Monate lang erfüllt hatte, überhaupt um einen Vertrag gehandelt hatte.

Fall Potocnik endet für den 1. FC Köln in Desaster

In einem Punkt allerdings kamen die Kölner glimpflich davon: Auch Olimpija Ljubljana hatte in Lausanne Beschwerde gegen die Fifa-Entscheidung eingelegt. Die Slowenen wollten eine finanzielle Entschädigung für den Verlust des Spielers. Der damals 16-jährige Mittelstürmer hatte bei Olimpija im Januar 2022 ohne Grund gekündigt, um am nächsten Tag beim 1. FC Köln zu unterschreiben. Damit war die Verurteilung nach Paragraf 17.4 der Fifa-Statuten unumgänglich.

Außerdem hat GNK Dinamo Herrn Andy Bara und/oder seiner Firma nie ein Interessenschreiben, ein Mandat, eine Vollmacht oder ein ähnliches Dokument geschickt oder ausgestellt
Aus einer Mitteilung von Dinamo-Vorstand Vlatka Peras

Allerdings hatte die Fifa den Slowenen anschließend nur 51 750 Euro Entschädigung zugesprochen. Was etwas in den Hintergrund trat angesichts der Transfersperre und der Blamage, als erster deutscher Klub überhaupt für ein solches Vergehen bestraft worden zu sein: Der Internationale Sportgerichtshof erhöhte die Entschädigung, die Köln nach Ljubljana zu überweisen hatte, nur auf 60 000 Euro. Denn auch das wird im Urteil deutlich: Während die Cas-Richter von der Strategie der FC-Vertreter allenfalls irritiert waren, hielt man Olimpijas Methoden, an Geld zu kommen, für mindestens grenzwertig, wenn nicht gar kriminell.

Forderungen von Olimpija Ljubljana waren enorm

Der slowenische Doublesieger verlangte von Köln 2 507 200 Euro zuzüglich Zinsen. 7200 Euro und damit ein halbes Jahresgehalt des Spielers forderte Olimpija wegen des Vertragsbruchs, das entspricht der gängigen Praxis, wenn ein Spieler innerhalb der ersten drei Jahre nach der Unterschrift einseitig kündigt. Die weiteren 2,5 Millionen Euro dagegen waren etwas weiter hergeholt.

Andy Bara bei Dani Olmos Präsentation im Sommer 2016 in Zagreb

Andy Bara bei Dani Olmos Präsentation im Sommer 2016 in Zagreb

Ljubljana wollte Ersatz für den Verlust einer Ablösesumme, die man mit Potocnik hatte erzielen können. Der Verein habe kurz vor dem Vertragsbruch ein Angebot von Dinamo Zagreb erhalten. Der kroatische Spitzenklub habe demnach 1 500 000 Euro als feste Summe zahlen wollen, weitere 500 000 Euro beim Debüt des Spielers und noch einmal 500 000 nach dem zehnten Profi-Einsatz.

Zum Beweis reichte Olimpija ein auf den 2. Dezember 2021 datiertes Schriftstück ein, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Darin erklärt der Spielerberater Andy Bara, sein Klient Dinamo Zagreb sei an Potocnik interessiert. Mit seiner Firma „Niagara Global Sports Management“, schreibt Bara, habe er in den vergangenen Jahren bereits Dani Olmo und Josko Gvardiol zu RB Leipzig transferiert sowie Kristijan Jakic zu Eintracht Frankfurt und Lovro Majer zu Stade Rennes nach Frankreich.

Wirbel um angebliches Interesse von Dinamo Zagreb an Jaka Potocnik

Das sind schöne Erfolge, allerdings erschließt sich nicht, warum Bara Referenzen nennt. Tatsächlich ist die Erfolgsgeschichte des 41-Jährigen seit dem Winter 2022 weitergegangen. Gvardiol spielt nach einem 90-Millionen-Euro-Wechsel mittlerweile bei Manchester City, Majer wechselte im Sommer für 20 Millionen nach Wolfsburg.

Dass Bara in seinem Brief unnötig dick aufträgt und womöglich auch, dass ihm gleich neben dem Firmenstempel ein Tippfehler unterlief, wo „Manegement“ geschrieben steht statt „Management“, erweckte allgemeine Zweifel. Das Schriftstück sei eine „Fälschung“, teilten die Kölner mit und legten wiederum eine Erklärung von Vlatka Peras vor, der Vorstandsvorsitzenden von Dinamo Zagreb. Darin bestätigte sie, „dass Dinamo nie ein Interesse an der Verpflichtung des Spielers Jaka Potocnik hatte. Außerdem hat GNK Dinamo Herrn Andy Bara und/oder seiner Firma nie ein Interessenschreiben, ein Mandat, eine Vollmacht oder ein ähnliches Dokument geschickt oder ausgestellt.“ Auch dieses Schreiben liegt dem „Stadt-Anzeiger“ vor.

Peras, Jahrgang 1977, arbeitet seit 1998 bei Dinamo und war über Jahrzehnte beruflich eng mit Zdravko Mamić (64) verbunden, dem kroatischen Fußballpaten, der lange Zeit die Geschicke Dinamos bestimmte. Mamić wurde im Jahr 2018 in Kroatien zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, entzog sich jedoch der Strafe, indem er sich nach Bosnien absetzte.

Allein bei den Transfers von Luka Modric von Dinamo Zagreb zu den Tottenham Hotspur im Jahr 2008 sowie Dejan Lovren zwei Jahre später von Dinamo nach Lyon soll Mamic 15 Millionen Euro unterschlagen haben. Das Vorgehen laut Urteil: Von den 22 Millionen Euro, die Tottenham für Modric bezahlte, sollen elf Millionen an Mamic gegangen sein. Die restlichen elf habe er sich mit Modric geteilt; Modric sei damit „Komplize, kein Opfer“, sagte Mamic während des Prozesses.

Zdravko Mamic auf einer Pressekonferenz in Mostar nach seiner Verurteilung zu sechseinhalb Jahren Haft

Zdravko Mamic auf einer Pressekonferenz in Mostar nach seiner Verurteilung zu sechseinhalb Jahren Haft

Mamic besitzt auch einen bosnischen Pass und wird daher nicht ausgeliefert. Dass er Bosnien nicht verlassen kann, soll ihn nicht daran gehindert haben, weiter bei Dinamo mitzureden und Geschäfte zu machen. Das ist zumindest die Version, die aus Ljubljana zu hören ist. Demnach legte Mamic großen Wert auf Andy Baras Einschätzungen. Und als Bara, dem ein außergewöhnliches Auge für Talente nachgesagt wird, Potocnik im Oktober 2021 beim 4:0 mit der slowenischen Jugend-Nationalmannschaft gegen Österreich zwei Tore schießen sah, soll er Mamic gleich angerufen haben. Er habe da wieder einen.

Mamic soll sofort zugestimmt und nur am Rande gefragt haben, was es kosten werde, Potocnik in Zagreb zwischenzuparken, bevor man ihn wie Olmo oder Gvardiol für das große Geld weiterverkaufe. Auf Geld, zumal auf Beträge von ein, zwei Millionen Euro, kam es offenbar nicht an. Möglicherweise gab es also tatsächlich kein ernstzunehmendes schriftliches Angebot. Dafür aber den konkreten Plan, Potocnik zum Gegenstand eines Deals zu machen, an dem auch Ljubljana verdient hätte. Peras Schreiben jedenfalls sei „irrelevant“, teilte Ljubljana dem Cas mit. Die Dinamo-Vorsitzende sei an den Absprachen nicht beteiligt gewesen.

Millionensummen für Teenager sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen 

Die Summe von 2,5 Millionen Euro stehe „im Einklang mit den Transfersummen anderer junger talentierter Spieler aus der ersten slowenischen Liga in die deutsche oder österreichische Bundesliga in den letzten Jahren“, teilte Olimpija im September vor dem Cas mit. Interessant in diesem Zusammenhang ist ein aktueller Transfer: Im Januar wechselte der in den USA geborene Kroate Dino Klapija zu RB Leipzig. Der 16-jährige Angreifer ist Klient von Andy Bara. Die Ablöse soll bei mehr als 5 Millionen Euro gelegen haben.

Allerdings scheint Baras Beziehung zu Dinamo Zagreb mittlerweile erkaltet zu sein. Denn Klapija wechselte nicht über Dinamo nach Deutschland. Sondern vom kroatischen Zweitligisten Kustošija Zagreb – an dem Bara dem Vernehmen nach Anteile hält und von wo er unlängst einen weiteren Teenager für namhaftes Geld transferierte: Den Senegalesen Mika Faye (19) – zum FC Barcelona.

Vor der Anhörung in Lausanne hatte Olimpija kurzfristig mitgeteilt, Bara werde nicht als Zeuge zur Verfügung stehen. Trotz Ankündigung und obwohl ein Schriftstück mit seiner Unterschrift als Beweismittel eingereicht worden war. Es steht jedem Menschen frei, ob er vor einem Schiedsgericht als Zeuge erscheint. Einen guten Eindruck hinterließ er damit allerdings nicht, im Gegenteil. Seine „Geschäftsinteressen in der Bundesliga“ seien durch einen Auftritt vor Gericht gefährdet, ließ Bara ausrichten; der Cas nannte das eine „obskure Begründung“.

1. FC Köln stellte nach der Anhörung Strafanzeige gegen Ljubljana wegen versuchten Prozessbetrugs

Der Wert von Baras zuvor eingereichter Aussage sei daher „sehr begrenzt, um nicht zu sagen fragwürdig“, teilten die Cas-Richter mit. In ihrer Begründung, Ljubljana nur 60 000 Euro zuzusprechen, nahmen sie Baras Rolle in der Geschichte noch einmal auf: Zu sagen, die Echtheit des Angebots sei nicht bestätigt worden, sei „eine Untertreibung“. Angesichts des Verhaltens der Slowenen legte das Gericht Wert auf die Feststellung, dass „selbst wenn Olimpija ein Angebot vorgelegt hätte, das den Namen verdient, man es angesichts der Umstände mit Vorsicht behandelt hätte.“

Olimpijas ehemaliger Sportdirektor berichtete gar, das neue Managementteam habe ihn vergeblich gebeten, ein undatiertes Angebot über 1,5 Millionen Euro für Potocnik zu erstellen – Absender: Manchester City. Der 1. FC Köln stellte nach der Anhörung in Lausanne Strafanzeige gegen Ljubljana wegen versuchten Prozessbetrugs. Die Staatsanwaltschaft Köln bejahte einen Anfangsverdacht. Auch damit verbesserten die Kölner die Chancen ihrer Berufung nicht, überhaupt hatte Köln zwar einen Spieler aus Ljubljana zur unrechtmäßigen Kündigung angestiftet und Olimpija damit jedes Recht, eine Kompensation zu fordern. Doch offenbar hatte Olimpija aus Sicht des FC eine Grenze überschritten.

Für die Cas-Richter war sonnenklar: Olimpija hatte versucht, „den Wert des Spielers künstlich zu erhöhen“. So hatte am Ende auch Ljubljana verloren.

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