1. FC Köln vor Duell mit den BayernSteffen Baumgart verordnet Klarheit und Mut

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1. FC Köln, Training, von links: Mark Uth, Steffen Baumgart, Luca Waldschmidt (1. FC Köln), 20.11.2023, Bild: Herbert Bucco

Steffen Baumgart auf dem Trainingsplatz am Geißbockheim

Steffen Baumgart hat in diesen Tagen wieder viel Überzeugungsarbeit zu verrichten, das Vertrauen der Mannschaft scheint angesichts der jüngsten Ergebnisse erschüttert

Steffen Baumgart hat den 1. FC Köln in den vergangenen zweieinhalb Jahren zu einem System gemacht, das sich im besten Fall selbst verstärkt. Im ersten Sommer verbrachte der Trainer viel Zeit damit, seine Leute zu überzeugen: Von seinem Fußball und davon, dass diese Art zu spielen erfolgreich sein würde, solange man nur fest genug daran glaubte.

Tatsächlich wurden die Kölner zu einem der Hingucker der Liga, die Statistiken standen plötzlich Kopf: Nach Jahren eines reaktiven Stils wollte der FC plötzlich den Ball, jagte seine Gegner und wurde zu einer der laufstärksten Mannschaften der Liga. Der Vorwärtsstil verhalf Anthony Modeste zur Wiedergeburt. Der so abschlussstarke Franzose wurde immer wieder in Tornähe an den Ball gebracht, hinzu kamen Flanken, Flanken, Flanken. Baumgarts Fußball setzte Modeste in Szene – und der Stürmer lieferte.

Klassenerhalt trotz personellen Aderlasses

Platz sieben und die Qualifikation zur Conference League bedeutete die ultimative Bestätigung, weshalb es im zweiten Jahr schon leichter fiel, die Mannschaft zu überzeugen. Zwar konnte Baumgart die Abschiede von Salih Özcan und eben Modeste nicht auffangen, am Ende stand ein elfter Rang und damit tabellarisch eine Verschlechterung. Allerdings hatte Köln mit der wegen der Winter-WM extrem komprimierten ersten Saisonhälfte zu kämpfen. Am Ende stand der Verbleib in der Bundesliga, was für die Kölner Sanierungspläne bedeutsamer ist als eine zehn Millionen-Euro-Einnahme aus dem internationalen Geschäft.

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Der Fußball blieb derselbe, Köln rannte und flankte, wenngleich weniger erfolgreich. Ellyes Skhiri und Jonas Hector spielten aus unterschiedlichen Gründen in einer Mannschaft, für die sie eigentlich zu gut waren: Skhiri hatte auf das große Angebot gehofft, das dann nicht gekommen war. Hector wollte eigentlich gar nicht mehr spielen: Zunächst schlug er Hansi Flicks Einladung zur WM aus. Dann verabschiedete er sich ganz aus dem Profifußball – in einer Phase, in der er besser war als je zuvor.

Wir wissen, dass wir am Freitag das beste Spiel unseres Lebens machen können und es trotzdem schiefgehen kann
FC-Trainer Steffen Baumgart

Özcan, Modeste, Skhiri, Hector: Innerhalb zweier Jahre hat der FC einen Publikumsliebling, einen 20-Tore-Mittelstürmer, den laufstärksten Strategen der Bundesliga und den Kapitän verloren, der auf seiner Position wohl noch heute der Beste im Land wäre. Das war nicht zu kompensieren, wenngleich die Kölner Transfers der vergangenen zwei Sommer trotzdem besser hätten ausfallen können. Andererseits schreitet die finanzielle Gesundung voran: Der Kölner Kader kostet noch um 45 Millionen Euro jährlich, was ein Viertel bis ein Drittel dessen ist, was etwa Leverkusen, Wolfsburg oder Frankfurt ausgeben. Und ein Bruchteil der Aufwendungen, die der FC Bayern verzeichnet, der am Freitag (20.30 Uhr) Gegner der Kölner in Müngersdorf ist. Der Sparkurs hat zu einem Qualitätsverlust geführt, der angesichts ausbleibender Erfolge dafür sorgt, dass den Kölnern zuletzt zeitweise die Überzeugung abhandengekommen ist.

Etwa beim 0:6 in Leipzig, als die Mannschaft von einem Gegner in Topform beherrscht wurde, aber bis zur 40. Minute tapfer einen 0:1-Rückstand hielt, ehe sie in den Minuten vor dem Halbzeitpfiff drei einfache Gegentore kassierte und anschließend die Köpfe hängen ließ. Mit dem Ergebnis, dass der FC nach halbwegs zurechnungsfähiger zweiter Halbzeit noch zwei Treffer in drei Minuten hinnehmen musste.

In diesen Momenten war den Kölnern die Überzeugung ausgegangen, was problematisch ist in einer Mannschaft, deren größte Qualität in den vergangenen Jahren vor allem der Faktor Glaube war. Baumgart scheint damit wieder in der Frühphase seiner Kölner Mission angelangt zu sein, in der er die Überzeugung von außen herbeiführen musste, weil in der Mannschaft selbst keine vorhanden war.

Baumgart erwartet Mut und Klarheit

Am Mittwoch sprach der Trainer vor dem Spiel gegen den Rekordmeister auch davon, dass er den Glauben seiner Leute voraussetzt. „Ich erwarte von meiner Mannschaft, dass sie mutig ist, dass sie klar ist. Was ich eigentlich immer erwarte. Das hat nichts mit dem großen Namen zu tun, der kommt. Sondern damit, welchen Fußball wir auf dem Platz sehen wollen“, erklärte er.

Gegen die Bayern gehöre allerdings mehr dazu als bloßes Beharren. „Wir wissen, dass wir am Freitag das beste Spiel unseres Lebens machen können und es trotzdem schiefgehen kann. Wir müssen unser bestes Spiel machen, um eine Chance zu haben. Das wollen wir.“

1. FC Köln, Training, Steffen Baumgart (1. FC Köln), 20.11.2023, Bild: Herbert Bucco

Steffen Baumgart ließ in dieser Woche als Vorbereitung auf das Spiel gegen den FC Bayern Standards studieren.

Die fußballerischen Mittel brachten Köln in der vergangenen Saison ein 1:1 in der Allianz-Arena und im letzten Saisonspiel das 1:2 im eigenen Stadion. Beachtliche Resultate gegen die Münchner, die der Kölner Konkurrenz im Keller in dieser Saison bereits wieder furchtbare Niederlagen beigebracht haben: 7:0 gegen Bochum, 8:0 gegen Darmstadt. Mit einem achtbaren Ergebnis am Freitag könnte Köln das 0:6 von Leipzig ein wenig heilen. „Dazu gehört Tagesform, ein gewisses Quäntchen“, sagt Baumgart, der stoisch seine Version vom Fußball predigt. „Wir sollten uns auf die Fahne schreiben, was uns starkgemacht hat: Mutig sein, klar sein. Nach vorn angreifen. Am Ende geht es immer um Mentalität, Einsatz und Laufbereitschaft.“

Nach sechs Punkten aus den ersten elf Saisonspielen schien das Vertrauen zuletzt erschüttert. Ein Erfolg am Freitag gegen die Bayern, ein ordentliches Resultat, würde zumindest das Kölner Level an Überzeugung wieder auf Vorjahresniveau bringen.

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