Seit dem 70. Geburtstag des 1. FC Köln sind fünf Jahre vergangenen. Zur Ruhe gekommen ist die Diva vom Rhein in dieser Zeit erneut: nicht.
75 Jahre 1. FC KölnMit Steffen Baumgart auf dem Weg in die Zukunft
Der 1. FC Köln ging als Zweitligist ins siebte Jahrzehnt seines Bestehens, die Saison 2018/19 wurde die bereits neunte Spielzeit des FC im Unterhaus. Doch hatte der 1. FC Köln auch einen weiteren Hoffnungsträger: Markus Anfang hatte bei Holstein Kiel einen begeisternden Fußball etabliert und den Verein aus der dritten Liga bis in die Relegation geführt.
Der gebürtige Kölner, der nie wirklich in Köln ankam
Der gebürtige Kölner, der in der Jugend des KSV Heimersdorf gekickt hatte, dann jedoch eine Profikarriere am 1. FC Köln vorbei mit Stationen in Leverkusen und Düsseldorf hingelegt hatte, stürzte sich mit Eifer in die Arbeit und verblüffte die Beobachter, als er und sein Stab in der Sommervorbereitung ein Programm aufzogen, das sehr grundsätzlich angelegt war. Die Vermittlungskompetenz der Trainer jedenfalls sorgte nicht bei allen FC-Profis für Begeisterung. Tatsächlich erwiesen sich Anfang und seine Assistenten nur bedingt als Menschenfänger. Manchen Spieler verlor der Coach bereits vor dem ersten Spieltag, hieß es später.
Hinzu kam, dass Anfang zwar mit dem Etikett des gebürtigen Kölners versehen worden war. Jedoch hatte er den 1. FC Köln zuvor nie wirklich von innen gesehen. Außerdem ist Anfang zwar Kölner, doch nicht jeder Kölner ist ein Spaßvogel – das war in Köln offenbar manchem nicht bekannt. Anfangs Zeit beim FC wurde jedenfalls nicht zur kölschtümelnden Gemütlichkeitsphase. Zwar war bald die Handschrift des Trainers zu erkennen, Köln gewann spektakulär 5:3 bei St. Pauli, verlor dann aber ebenso faszinierend daheim 3:5 gegen Paderborn, trainiert von Steffen Baumgart. Rückschlägen wie dem 0:1 in Hamburg folgte das 8:1 über Dynamo Dresden im eigenen Stadion.
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Doch mehrfach gab es Dellen. Als die Mannschaft Ende April nach der Niederlage gegen Darmstadt zum vierten Mal ohne Sieg geblieben war, reagierte Armin Veh und beurlaubte Anfang – drei Spieltage vor Saison-Ende, als Tabellenführer mit sechs Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz. Eine Woche später machte André Pawlak den Aufstieg mit einem 4:0 in Fürth perfekt – am Ende wurde der FC Zweitligameister, sechs Punkte vor Paderborn auf Rang zwei. Die unter Anfang erspielten Punkte hatten also genügt.
Zur neuen Saison holte Armin Veh als neuen Trainer Achim Beierlorzer – und investierte kräftig in die Mannschaft; unter anderem in Innenverteidiger Sebastiaan Bornauw und Ellyes Skhiri. Die Saison verlief jedoch enttäuschend: Nach dem elften Spieltag trat Armin Veh zurück, Beierlorzer wurde beurlaubt, Horst Held neuer Sportchef, Markus Gisdol Trainer – und nach einem 1:4 zum Auftakt in Leipzig startete der FC eine wundersame Aufholjagd. Köln gewann acht von zehn Spielen und stand plötzlich auf Rang zehn. Doch die Pause wegen der Covid-Pandemie nahm der Mannschaft jeden Rhythmus. Nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Mai gewann der FC keines der verbliebenen neun Saisonspiele und rettete sich erst am vorletzten Spieltag durch ein 1:1 daheim gegen Frankfurt. Mit einem 1:6 in Bremen verabschiedete sich die Mannschaft aus der Saison. Keine guten Vorzeichen für die Spielzeit 2020/21.
Gisdol muss gehen, Friedhelm Funkel gelingt die Rettung im letzten Moment
Erwartet mies lief es dann. Nach dem 28. Spieltag übernahm Friedhelm Funkel die Rettungsaktion, startete mit einem 0:3 gegen Leverkusen, gewann dann aber gegen Leipzig und in Augsburg. Dennoch dauerte es bis zur 86. Minute des letzten Saisonspiels, als Sebastiaan Bornauw die Kölner mit seinem Kopfball zum 1:0-Sieg über Schalke und noch auf Relegationsrang-13 hievte. In der ersten Relegationsteilnahme der Vereinsgeschichte verlor der FC das Hinspiel in Müngersdorf 0:1 gegen Kiel, einmal mehr machte sich Verzweiflung breit. Dann aber gelang im Rückspiel an der Ostsee das 5:1, ein fulminanter Sieg in einer Partie, in der es sehr konkret um den Fortbestand des 1. FC Köln ging, wie wir ihn kennen.
Die Freude über den Klassenerhalt war noch frisch, als der FC-Vorstand am Morgen nach dem Spiel Horst Heldt einbestellte und beurlaubte. Steffen Baumgart war da längst für die neue Saison verpflichtet, doch der Mann, der ihn geholt hatte, erlebte den Dienstbeginn des neuen Trainers nicht mehr. Und Heldt verpasste einiges: Baumgart etablierte einen aktiven Stil, der Köln auf Anhieb begeisterte und die Mannschaft nach dem Relegationsrang im Vorjahr bis auf Platz sieben und damit zurück nach Europa führte – wenn auch nur in die Conference League. Hinzu kam, dass Baumgart dafür sorgte, dass Anthony Modeste wieder auflebte. 20 Saisontore erzielte der Franzose nach einem vollständig torlosen Vorjahr.
Doch bereits im Winter 2021/22 hatte Modeste angesichts eines gewaltigen Angebots aus Saudi-Arabien Köln schon wieder verlassen wollen. Letztlich blieb er mit dem Versprechen, in der kommenden Sommerpause gehen zu dürfen, sollte ein Verein sich melden. Und tatsächlich: Als Borussia Dortmund um Modeste buhlte, verlor der FC den Mittelstürmer, entlastete allerdings den Personaletat deutlich – und strich für den 34-Jährigen im letzten Vertragsjahr noch einmal fünf Millionen Euro Ablöse ein.
Zum 1. April hatte Christian Keller bereits das Amt des Sportchefs übernommen, das Jörg Jakobs und Thomas Kessler zuvor trotz großer Herausforderungen mit bemerkenswerter Präzision im Interim ausgefüllt hatten. Schon im Frühjahr hatte Philipp Türoff von Alexander Wehrle die Geschäftsführung übernommen, es waren geräuscharme Übergänge, die der FC-Vorstand in professionellen Prozessen diskret umsetzte. Lohn war eine souveräne Wiederwahl im Herbst 2022, was auch ein Vertrauensbeweis war in das Konzept „Matchplan“ des Präsidiums. Den Jahreswechsel 22/23 verbrachte der FC trotz einer sportlichen Schwächephase vor der Winterpause wohlsortiert – obgleich die finanziellen Belastungen den Verein vorerst begleiten werden. Für wie lange – darauf hat das sportliche Abschneiden der Bundesliga unmittelbaren Einfluss.
Dauerthema Trainingszentrum
Eine weitere Baustelle des Klubs ist die Erweiterung des Trainingsgeländes – Baustelle allerdings nur im metaphorischen Sinne, denn ein Baubeginn ist nach wie vor trotz jahrelanger Planung und zahlreicher Versprechen nicht absehbar. Darunter leidet besonders die Frauen-Abteilung, die sich derzeit in der Ersten Liga etabliert. Und das Nachwuchs-Leistungszentrum, in dem die Zukunft des FC wächst. 75 Jahre nach seiner Gründung – und 40 Jahre nach dem letzten Titelgewinn – spielt der 1. FC Köln zwar erstklassig, erfreut sich großer Popularität und hat sich besonders in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich modernisiert. Doch bleiben bis zur 100-Jahr-Feier 1948 noch jede Menge Zukunftsthemen.