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Interview

FC-Neuzugang Tom Krauß
„Bin ein Typ, der für diese Traditionsvereine wie gemacht ist“

7 min
1. FC Köln vs. VFB Stuttgart, 5. Spieltag, 28.09.2025, 17.30 Uhr, Tom Krauß (1. FC Köln), Bild: Herbert Bucco

Tom Krauß im vergangenen FC-Heimspiel gegen den VfB Stuttgart

Tom Krauß, der aus einer echten Fußballer-Familie kommt, fühlt sich bei seinem neuen Verein FC äußerst wohl und will in Köln „sesshaft“ werden.

Tom Krauß hat mit erst 24 Jahren schon einiges in seiner Profikarriere erlebt. Seit Saisonbeginn steht der gebürtige Leipziger beim 1. FC Köln unter Vertrag. Der Bundesliga-Aufsteiger ist bereits sein fünfter Leihklub, allerdings sicherten sich die Kölner eine Kaufoption.

Im Interview spricht der defensive Mittelfeldspieler über seine Laufbahn, seinen Wechsel zum 1. FC Köln, seine Situation Perspektive sowie über seine Fußball-Familie, denn schon sein Urgroßvater Fritz Krauß, Großvater Roland und Vater Holger waren ebenfalls Fußballer und teils Trainer – vor allem bei Klubs in und um Leipzig. 

Herr Krauß, die Saison ist noch jung. Sie haben bislang fünf Bundesligaspiele absolviert, rund 285 Minuten Einsatzzeit gesammelt. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus – sowohl für Sie persönlich als auch für die Mannschaft?

Am Anfang war der Spielplan ziemlich anspruchsvoll, da wusste man noch nicht so genau, wo man steht. Wenn man aber nach sechs Spielen zehn Punkte hat, nimmt man die natürlich gerne mit – erst recht als Aufsteiger. Das Gute ist, dass wir noch viel Potenzial nach oben haben. In Mainz haben wir eher glücklich gewonnen, in Hoffenheim auch – das sind wichtige Siege, die Selbstvertrauen geben. Für mich persönlich war es auch neu: Ich hätte nicht gedacht, dass ich in fünf Spielen auf fast viereinhalb verschiedenen Positionen spiele. Der Trainer hat da eine klare Idee, und ich versuche, sie umzusetzen. Natürlich klappt auf ungewohnten Positionen noch nicht alles perfekt, aber ich bin jemand, der lernen will. Ich bin hier in Köln, weil ich langfristig bleiben möchte. Wenn ich mal auf der Bank sitze, bleibe ich ruhig und will im Training zeigen, dass ich wieder reinkommen kann.

Sie haben es gerade angedeutet – was genau ist die Idee des Trainers mit Ihnen?

Jetzt trainiere ich wieder vermehrt auf meiner Stammposition. In der Vorbereitung war ich öfter in der Innenverteidigung, zentral oder links, um mich zu testen. Der Trainer wollte sehen, wie er mich einsetzen kann. Ich bin selbst manchmal überrascht, was er sich überlegt – aber es funktioniert. Für mich gilt: Egal ob auf der Sechs oder in der Innenverteidigung, Hauptsache, ich stehe auf dem Platz. Ich sehe das alles als Entwicklung. Man merkt auch, dass Trainingsleistungen belohnt werden. Dominique Heintz war zum Beispiel sechs Wochen raus, trainierte gut – und plötzlich stand er gegen Hoffenheim in der Startelf. Das motiviert natürlich.

Sie sind zu einem Aufsteiger gewechselt. Ist der Konkurrenzkampf in Köln härter, als Sie erwartet haben?

Härter nicht unbedingt, aber intensiver. Der FC hat viele neue Spieler geholt, das war mir bewusst. Das Niveau im Training ist dadurch sehr hoch. Jeder weiß, dass er Leistung bringen muss, sonst sitzt er nächste Woche auf der Bank. Das ist ein gesunder Konkurrenzkampf – so entwickelt sich jeder weiter.

Bei der 1:2-Heimniederlage zuletzt gegen den VfB Stuttgart wurde Ihnen das Siegtor von Josha Vagnoman kurz vor Schluss mitangekreidet. Wie haben Sie das selbst gesehen?

Die Situation habe ich mir noch oft angeschaut. Da spielen mehrere Faktoren mit rein – aber klar, ich bin selbstkritisch. Es ist ein Traumpass von Angelo Stiller, den muss man erstmal so spielen. Natürlich ärgert man sich trotzdem zwei Tage darüber, aber dann geht der Blick wieder nach vorn. Wichtig ist, daraus zu lernen.

Köln hat eine unglaubliche Strahlkraft. Hier dreht sich die ganze Stadt um Fußball – das liebe ich.
Tom Krauß über Köln und den FC

Sie haben bereits bei einigen Traditionsvereinen gespielt – Schalke, Nürnberg, mit Abstrichen Mainz und jetzt Köln. Wo ordnen Sie den FC ein?

Köln hat eine unglaubliche Strahlkraft. Ich merke, dass ich ein Typ bin, der für diese Traditionsvereine wie gemacht ist. Hier dreht sich die ganze Stadt um Fußball – das liebe ich. Schalke und Köln möchte ich nicht direkt vergleichen, aber die Wucht ist ähnlich. Ich bin froh, hier gut angekommen zu sein.

Gab es schon früher Berührungspunkte mit dem 1. FC Köln?

Ja, auf jeden Fall. Köln war immer ein Verein, der mich gereizt hat. Als klar war, dass die Kölner Interesse haben, habe ich jeden Tag auf den Anruf gewartet. Ich bin wirklich dankbar, dass es geklappt hat. Mainz wollte mich eigentlich behalten. Es war eine große Wertschätzung, dass sie mir den Wechsel ermöglicht haben.

In der vergangenen Saison waren Sie in der Hinrunde erst nach England an Luton Town ausgeliehen, dann in der Rückrunde an den VfL Bochum. Wie blicken Sie darauf zurück?

Es war ein sehr erfahrungsreiches Jahr. In England habe ich viel über mich gelernt – auch sprachlich und menschlich. Die Zeit war auch aus privaten Gründen nicht ganz so einfach. Das halbe Jahr in Bochum war enorm wichtig. Ich konnte mich wieder zeigen, habe viel gespielt und so das Interesse von Köln geweckt. Auch wenn der Abstieg bitter war, war die Zeit für meine Entwicklung sehr wertvoll.

Der 1. FC Köln ist bereits Ihre fünfte Leihstation. Das war sicher nicht so geplant, oder?

Nein, auch nicht, dass ich in Nordrhein-Westfalen schon zwei Stationen hatte. Das Gute ist – aufgrund dieser Zeit habe ich viele Freunde hier. Deshalb möchte ich ankommen, sesshaft werden und länger bleiben. Diese ständigen Wechsel waren nie mein Ziel, aber manchmal läuft es im Fußball eben so. Jetzt will ich mir hier etwas aufbauen.

Ihr Teamkollege Said El Mala steht gerade im Fokus. Sie kennen aus eigener Erfahrung, als Sie von RB Leipzig zum damaligen Bundesligisten Schalke 04 gewechselt sind, das Gefühl, als junger Spieler im Rampenlicht zu stehen. Was raten Sie ihm?

Said ist ein sehr bodenständiger Typ. Er denkt nicht zu viel nach, er macht einfach – und das ist seine Stärke. Klar, er hat Anlagen, die einfach nicht jeder hat, aber er muss auf dem Boden bleiben und weiter hart arbeiten. Ich kenne das von meiner Zeit auf Schalke – da war der Hype groß. Wichtig ist, nicht alles zu lesen und ein gutes Umfeld zu haben. Das schützt davor, abzuheben.

privat

Eine echte Leipziger Fußballer-Familie: Tom Krauß, Fußballprofi des 1. FC Köln, als Kind mit seinem Vater Holger Krauß (l.) und Großvater Roland Krauß

Viele nennen den FC einen „schlafenden Riesen“, der möglicherweise jetzt langsam erwacht. Was ist in Köln möglich?

Die Wucht des Klubs ist unglaublich, die Fans sind unglaublich. Wenn 15.000 Fans uns zum Hoffenheim-Spiel begleiten oder oft 500 Zuschauer zum Training kommen – das ist nicht normal. Wir dürfen aber nicht abheben. Zehn Punkte sind gut, aber es gibt noch viel zu verbessern. Wichtig ist, dass das Umfeld ruhig bleibt, auch wenn's mal nicht läuft. Dann kann hier langfristig viel entstehen.

Wie nehmen Sie Trainer Lukas Kwasniok wahr?

Er ist besonders – im positiven Sinn. Dass er beim Spiel ein Trikot trägt, zeigt, wie sehr er den Verein lebt. Er hat eine klare Idee, ist selbstkritisch, bringt aber auch Humor mit. Er fordert uns, will uns weiterentwickeln. Das ist manchmal anstrengend, aber genau richtig. Ich halte sehr viel von ihm.

Mein Vater hat mir ungemein viel mitgegeben – vor allem, was ich nicht machen sollte. (lacht) Er war als Spieler ein, zwei Mal zu oft in der Disco. 
Tom Krauß über Vater und Ex-Fußballer Holger Krauß

Sie stammen aus einer Leipziger Fußballer-Dynastie. Ihr Ururgroßvater, Urgroßvater, Großvater und Vater waren alle aktiv. War Ihr Weg also vorgezeichnet?

Irgendwie schon. Bei uns lag immer ein Ball rum. Mein Vater (Holger Krauß, spielte als junger Verteidiger unter anderem von 1992 bis 1996 für Bayer 04 Leverkusen, d. Red.) hat mir ungemein viel mitgegeben – vor allem, was ich nicht machen sollte. (lacht) Er war als Spieler ein, zwei Mal zu oft in der Disco. Das hat er mit auf den Weg gegeben. Ich bin dankbar, dass er mich unterstützt, aber nie gezwungen hat. Ich habe mir alles hart erarbeitet, Talent allein reicht nicht.

Hat Ihr Vater seine Karriere ein bisschen verschenkt?

Sagen wir es mal so: Es wäre mehr für ihn drin gewesen. Das weiß er auch, und diese Erfahrungen hat er an mich weitergegeben. Einige Top-Talente waren halt mit 16 feiern. Und ich war zu Hause und habe mich auf die Schule und den Sport konzentriert. Das ist mit ein Grund, warum ich heute zum Beispiel vor 50.000 in Köln spielen darf. Das weiß ich sehr zu schätzen, das ist ein Privileg. Das habe ich mir hart erarbeitet.

Ihre Familie unterstützt Sie immer noch stark, oder?

Ja, fast bei jedem Heimspiel sind sie da – trotz der langen Fahrt aus Leipzig. Das bedeutet mir sehr viel.

Und wie wird man als Leipziger Jugendlicher eigentlich Schalke-Fan?

(lacht) Das fragen mich viele! Das kam durch einen Kumpel, der Schalke-Fan war. Dann habe ich die Spiele geschaut und war sofort angefixt. RB Leipzig gab's da ja noch gar nicht. Aber klar, Leipzig bleibt meine Heimat, und ich bin dankbar, dass ich dort Profi werden konnte – auch durch Trainer wie Julian Nagelsmann oder Robert Klauß, denen ich viel verdanke. Robert hat mich zu den Profis gebracht, als er Co-Trainer von Julian Nagelsmann bei RB war. Ohne ihn wäre ich nicht so weit gekommen.

Zur Person

Tom Krauß, geboren am 22. Juni 2001 in Leipzig, begann beim FC Sachsen Leipzig. Von 2011 bis 2020 spielte er für RB Leipzig und debütierte am 34. Spieltag der Saison 2019/2020 gegen den FC Augsburg als erster gebürtiger Leipziger für RB in der Bundesliga. Zur Zweitliga-Saison 2020/21 verpflichtete der 1. FC Nürnberg den defensiven Mittelfeldspieler für zwei Jahre auf Leihbasis. Zur Saison 2022/23 wechselte Krauß auf Leihbasis zum FC Schalke 04 und wurde schnell Stammkraft. Nach dem Bundesliga-Abstieg verpflichtete der FSV Mainz 05 Krauß für eine Ablöse von fünf Millionen Euro. Im August wurde er an Luton Town ausgeliehen, in der Rückrunde an den VfL Bochum. Im Juli wechselte der 14-fache U-21-Nationalspieler auf Leihbasis (mit Kaufoption) zum 1. FC Köln. Sein Urgroßvater Fritz Krauß, Großvater Roland und Vater Holger waren ebenfalls Fußballer und teils Trainer – vor allem bei Klubs in und um Leipzig. (LW)