Geisterspiele in der BundesligaFC-Boss Wehrle befürchtet „herben Rückschlag"

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FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle

Köln – Es ist guter Brauch, dass die Protagonisten der Fußball-Bundesliga auch Auskunft zu ihren Wünschen für die Weihnachtszeit geben. Oliver Glasner, Cheftrainer von Eintracht Frankfurt, hat nach dem Nachbarschaftsduell mit Mainz 05 gesagt, „sobald wie möglich“ wieder in einer ausverkauften Arena coachen zu wollen, denn: „Dann haben wir Corona im Griff.“ Die Wirklichkeit wird aber zunächst eine gänzlich andere sein.

Wehrle: Ein herber Rückschlag

Die maximal bei Großveranstaltungen erlaubten 15.000 Zuschauern werden zum Rückrundenstart wieder Geschichte sein. Am zweiten Januar-Wochenende kündigen sich in der höchsten deutschen Spielklasse flächendeckend Geisterspiele an. Aus Furcht vor der Omikron-Variante werden „überregionale Sport-, Kultur- und vergleichbare Großveranstaltungen“ ab dem 28. Dezember ohne Zuschauer stattfinden. Ganz gleich, ob in der Halle oder im Freien. Unabhängig vom Impfstatus und auch davon, ob Hygienekonzepte funktioniert haben oder nicht. „Das ist ein herber Rückschlag. Jedes Geisterspiel kostet uns 1,8 Millionen Euro. Ich hoffe dennoch, dass wir aufgrund einer hohen Impfquote möglichst bald wieder Zuschauer begrüßen dürfen. Insbesondere dahingehend, da uns vom Kölner Gesundheitsamt keine Erkenntnisse vorliegen, dass durch Bundesligaspiele unter freiem Himmel Corona-Hotspots entstanden sind“, sagt Alexander Wehrle, der Geschäftsführer des 1. FC Köln.

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Hans-Joachim Watzke, der neue Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Fußball-Liga (DFL), hatte noch am Montag vor einer Symbolpolitik gewarnt: „Der Profifußball in Deutschland hat als Freiluftveranstaltung mit schon jetzt deutlich reduzierten Zuschauerkapazitäten ein schlüssiges Konzept.“ Karl-Heinz Rummenigge, der ehemalige Vorstandschef des FC Bayern, ahnte: „Das wird noch eine große Herausforderung.“ Der Branchenprimus verliert bei jedem Heimspiel ohne Zuschauer vier bis fünf Millionen Euro. Härter trifft es allerdings die Klubs, die über keine so üppige Eigenkapitalausstattung verfügen, darunter der 1. FC Köln.

Sorge in Mainz

Christian Heidel, Vorstand beim FSV Mainz 05, legt bei diesem Thema die Stirn in Falten. Bevor er sich Gedanken um den Fußball mache, würde er als erstes an die Gesundheit der Menschen denken. Beispielsweise an seine Eltern: „Mein Papa ist 89, Mama wird 85. Als zweites kommt dann die Überlegung, was bedeutet das für den Verein. Wenn die schlimmsten Prognosen eintreten, dann wird es schwierig.“

Heidel spürt, dass nach bald zwei Jahren Corona-Krise die Beziehung zum Fan auf eine Zerreißprobe gestellt wird. Und wo die Bundesliga im Frühjahr 2020 mit der Fortsetzung des Spielbetriebs den Vorreiter gab, hat sie im Herbst 2021 als erste europäische Topliga wieder Geisterspiele eingeführt. Seit Anfang Dezember spielten sowohl der FC Bayern und der FC Augsburg als auch RB Leipzig aus den von Corona besonders betroffenen Freistaaten Bayern und Sachsen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Augsburgs Geschäftsführer Michael Ströll konnte das nur schwerlich nachvollziehen: „Wenn Geisterspiele angeordnet werden, gehen die Fans in die Kneipen oder treffen sich ohne Maske privat in geschlossen Räumen.“

FC plante ohne Geisterspiele

Vor der laufenden Spielzeit plante der 1. FC Köln wegen der positiven Zukunftsprognose der Politik zwar weniger konservativ, doch von Geisterspielen ging man auch diesmal nicht aus: Das interne Chancenpapier sah für die ersten vier Begegnungen eine Auslastung mit jeweils 10 000 Zuschauern vor. Doch schon beim ersten Heimspiel waren 16 500 Fans zugelassen. Weil sich der FC allerdings früh zur Anwendung der 2G-Regel entschied, sahen bereits 25 000 Zuschauer den Sieg über Bochum. Auch gegen Leipzig waren 25 000 im Stadion, zum vierten Heimspiel kamen bereits 40 000 Fans nach Müngersdorf. Für die restlichen Heimspiele des Kalenderjahres planten die Verantwortlichen mit jeweils 25 000 Zuschauern, tatsächlich war Müngersdorf dreimal ausverkauft. Gegen Augsburg und Stuttgart waren zuletzt jedoch nur noch jeweils 15 000 Fans zugelassen. Insgesamt begrüßte der FC in den ersten neun Heimspielen dieser Saison 286 000 Zuschauer, geplant waren 165 000, die Kölner liegen also bislang deutlich über Plan. Doch das wird sich drastisch ändern, wenn zu Beginn der Rückrunde Geisterspiele angesetzt sind.

Seifert warnt

Der scheidende DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, erinnerte daran, dass der Umgang mit Großveranstaltungen immer im „Kontext einer gesamten Pandemiestrategie eines Landes“ zu bewerten sei: Nicht nur Virologen, sondern auch die Meinung von Psychologen, Soziologen und Volkswirtschaftlern müssten bei den Corona-Folgen gehört werden. Seifert warnte eindringlich davor, „ein Land mit 80 Millionen Menschen zu behandeln wie ein virologisches Rechenmodell.“

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