Der 1. FC Köln muss offensiv mehr wagen, wenn der Klassenerhalt gelingen soll. Justin Diehl ist trotz seiner erst 19 Jahre bereits ein Vorbild.
Vor Kölner Gastspiel in StuttgartTimo Schultz fordert mehr Mut von den FC-Profis
Justin Diehl hat sich die Worte seines Trainers zu Herzen genommen, wobei zu bezweifeln ist, dass es in Diehls Fall überhaupt weiterer Ansagen bedurft hätte. Denn mehr Mut braucht der junge Angreifer beim besten Willen nicht. Dafür jedoch der Rest der Kölner Mannschaft. Die Offensivschwäche des 1. FC Köln nimmt längst historische Ausmaße an, noch nie in seiner Geschichte hatte Köln nach 22 Bundesliga-Spieltagen so wenige Tore erzielt wie in dieser Saison. Allerdings verzichtet Timo Schultz aus nachvollziehbaren Gründen darauf, die Qualitätsfrage zu stellen. Der Coach erklärt Erfolg auf dem Fußballplatz zu einer Frage der Haltung. „Es ist auch Einstellungssache, häufiger ins Risiko zu gehen“, sagte der Trainer vor dem Spiel der Kölner am Samstag (15.30 Uhr) beim VfB Stuttgart.
Justin Diehl braucht man nicht zweimal sagen, dass er Wagnisse eingehen soll. Der 19-Jährige kam am vergangenen Freitag beim 0:1 gegen Werder Bremen zwar erst in der 68. Minute ins Spiel. Gab aber die meisten Torschüsse aller an diesem Abend eingesetzter Kölner Spieler ab. Es ist eine Qualität Diehls, die sich zumindest auf Bundesliga-Niveau bislang womöglich erst auf den zweiten Blick offenbart. Zwar blieben die Versuche des Angreifers auf der großen Bühne noch ohne entscheidende Wirkung. Doch wer nichts wagt, wird kein Spiel gewinnen. Diehl ist der jüngste Profi im FC-Kader. Doch mit seinem Willen, dem Kölner Offensivspiel eine Richtung zu geben, ist er längst auch Vorbild.
Justin Diehl von Beginn an oder besser von der Bank?
Zu dieser Ansicht kommt jedenfalls, wer Timo Schultz zuhört. „Unsere Bemühungen in der Offensive waren nicht ausreichend, um uns Chancen zu erspielen und Tore zu erzielen. Das ist ein Thema, da müssen wir ran als Mannschaft“, sagt der 46-Jährige. Nach vier Einwechslungen seit der Winterpause ist Diehl am Samstag ein Kandidat für einen Startelf-Einsatz, wenngleich der junge Offensivmann mit seiner Spielweise besonders geeignet ist, bereits ermüdende Verteidiger zu attackieren. Schultz wehrt Personaldebatten ab, der Coach spricht lieber über die Ein- als über die Aufstellung seiner Mannschaft. „Klar kann man immer schauen, welche personellen Alternativen sich bieten. Aber gegen Bremen ist nach dem Rückstand auch noch etwas gegangen. Die Jungs haben mehr riskiert, sind ins Eins gegen Eins gegangen und haben sich auch durchgesetzt. Wir arbeiten in jeder Trainingseinheit an dem Thema. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schon am Wochenende besser machen werden.“
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Bemerkenswert ist, dass besonders die jungen Spieler den Aufruf des Trainers zu mehr Mut umsetzen. Am Freitag probierte nur ein FC-Profi mehr Dribblings als Diehl: Es war Max Finkgräfe, der 19-jährige Linksverteidiger. „Grundsätzlich ist mir egal, wer vorangeht und Verantwortung übernimmt, das darf auch ein junger Spieler sein. Klar ist aber, dass in kritischen Situationen auf und auch neben dem Platz ein erfahrener Spieler eine gewisse Ruhe mit reinbringen kann. Das erwarten wir von unseren älteren Spielern, aber das machen die auch.“ Für junge Spieler ist die Situation beim FC womöglich sogar komfortabel. Schließlich schwingt im Aufruf, mutiger zu spielen, eine deutliche Toleranz für Fehler mit. Niemand muss sich sorgen, im Fall eines Ballverlusts von Trainer oder Kollegen kritisiert zu werden.
Vielmehr ist Kühnheit gefragt, Justin Diehl und auch der dribbelnde Linksverteidiger Max Finkgräfe, der zudem jeden Freistoß aus der Ferne aufs Tor schießt und in Hoffenheim bereits traf, haben sich eine gute Phase ausgesucht für ihren Durchbruch in der Bundesliga.
In Stuttgart werden die Kölner weiter versuchen, ihre Bilanz in der gegnerischen Spielhälfte aufzubessern. Mit den Leistungen seiner Mannschaft ist Schultz ansonsten grundsätzlich einverstanden, der Trainer bemüht sich um eine positive Ansprache, die jedoch Anflüge von Durchhalteparolen haben, je größer der Abstand auf den 15. Tabellenplatz wird. „Wir waren im Spiel mit dem Ball gegen Bremen nicht mutig genug, das müssen wir uns ankreiden. Bei allem anderen – Engagement, Leidenschaft – da sind wir am Limit, da kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Wir wissen, dass wir mit mehr Überzeugung nach vorn spielen müssen. Gegen Stuttgart werden wir deutlich mehr kreieren als gegen Bremen“, verspricht der Ostfriese.
Eine personelle Änderung im Vergleich zum 0:1 gegen Bremen steht bereits fest, bezieht sich allerdings auf die Defensive: Der zuletzt gesperrte Jeff Chabot wird in die Startelf zurückkehren und Timo Hübers ersetzen, der erkrankt ausfällt. „Er ist unser heimlicher Chef“, sagte Schultz über Chabot: „Unheimlich zweikampfstark, sowohl auf dem Platz als auch in der Kabine wichtig.“
Für die Mentalität gegen den Tabellen-Dritten könnte Chabots Anwesenheit einen Schub bedeuten. Schultz redet seine Mannschaft tapfer stark. „Was uns Mut machen kann, ist, dass wir in jedem Spiel, seitdem ich hier bin, auf Augenhöhe mit dem Gegner waren. Wenn wir am Limit sind – und wir müssen ehrlich sein: Das waren wir in den letzten beiden Spielen nicht, gerade in der Offensive – können wir jeden Gegner schlagen. Dann können wir extrem unangenehm sein für jede Mannschaft, auch für den VfB. Wenn wir unsere Stärken auf den Platz bringen, haben wir auch gegen Stuttgart eine gute Chance.“
VfB Stuttgart: Bredlow - Vagnoman, Anton, H. Ito, Mittelstädt - Karazor, Stiller - Leweling, Millot, Führich – Guirassy; 1. FC Köln: Schwäbe - Schmitz, Kilian, Chabot, Finkgräfe - Huseinbasic, Martel - Ljubicic, Kainz, Maina – Thielmann; Schiedsrichter: Patrick Ittrich (Hamburg).