Viel Gerede, wenig TatenWas die deutschen Fußballer von den Frauen hätten lernen können

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Deutschlands Frauen-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg steht am Spielfeldrand und klatscht in die Hände.

Frauenfußball-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (Archivbild)

Die deutsche Männer-Mannschaft hat bei der WM in Katar ein schwaches Bild abgegeben – sowohl sportlich als auch im Umgang mit nicht sportlichen Themen. Das gelang den DFB-Frauen in der Vergangenheit deutlich besser.

Immer wenn die neue Akademie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu einer Veranstaltung lädt, wird betont, wie wichtig der Zusammenhalt und das Zusammenwachsen von Männern und Frauen unter dem neuen, teuren Dach auf dem Gelände der ehemaligen Frankfurter Galopprennbahn sind. Doch rückblickend sind bislang viele Lippenbekenntnisse dabei.

Und hätte sich die A-Nationalmannschaft (Männer) für die WM in Katar nur ein Scheibchen von der Haltung der A-Na­tio­nal­mann­schaft (Frauen) bei deren EM in England abgeschnitten, wäre das Turnier wohl nicht im Wüstensand versenkt worden.

Rückblende: Im Sommer waren die deutschen Fußballerinnen zu Heldinnen geworden – trotz eines unglücklich verlorenen Endspiels. Aber ihr besonderer Spirit, ihre totale Hingabe, ihr gelebter Zusammenhalt und ihr erfolgreiches Spiel verzückten die Nation. Sie stießen in das Vakuum verlorener Glaubwürdigkeit. 18 Millionen schalteten am 31. Juli beim EM-Finale gegen England ein. Mehr als beim Männerspiel gegen Spanien. Verweise auf solche Tatsachen werden oft runtergespielt. Alles nicht vergleichbar. Warum eigentlich nicht?

Umgang mit nicht-sportlichen Themen lösen DFB-Frauen besser

rNoch immer wirkt die Verzahnung im größten Sportverband an vielen Stellen alibihaft – ein Vorwurf, der vor allem auch an die Adres­se des inzwischen zurückgetretenen Direktors für alle Nationalmannschaften ging: Oliver Bierhoff.

Der Umgang mit nicht sportlichen Themen gelang den DFB-Frauen deutlich besser. Schon in der EM-Vorbereitung wurde das komplexe Thema Equal Pay immer wieder an die Spielerinnen herangetragen – mit stets der gleichen Antwort: Equal play ist ihnen wichtiger als equal pay. Erst gleiche Bedingungen, dann vielleicht bessere Bezahlung. Was Kanzler Olaf Scholz nicht davon abhielt, einen Tweet abzusetzen, um das Thema populistisch zu befeuern. Doch über dieses Stöckchen sprangen die Protagonistinnen nicht.

Am Tag danach richtete die erst 22-jährige Ergänzungsspielerin Lena Lattwein, Einser-Abiturientin und angehende Wirtschaftsmathematikerin, in der Pressekonferenz aus: „Es ist leicht, so etwas zu fordern, ohne die Hintergründe zu kennen.“ Der Konter gen Kanzler saß. Das Thema verlor an Fahrt. Und der Fokus war für das Team um Torjägerin Alexandra Popp gewahrt.

Martina Voss-Tecklenburg trifft (fast) immer den richtigen Ton

Manuel Neuer und Co. krallten sich an der „One Love“-Binde fest – und verloren zur Unzeit die Konzentration. Die Frauen stehen mitten im Leben, 15 der 23 EM-Spielerinnen haben studiert oder studieren. Sie verdienen einen Bruchteil von den Summen der Männer, doch ersparen sich neidische Kommentare. Dafür sind die meisten zu intelligent. Mit ihrem intellektuellen Background können sie gesellschaftlich relevante Themen anbringen, ohne dass eine konzertierte Verbandsaktion aus PR-Zwecken dahintersteht.

Einigen Nationen gelingen die geschlechterübergreifenden Doppelpässe bereits besser. Beim deutschen Gruppensieger Japan sagte Trainer Hajime Moriyasu, dass die Frauen allein deshalb eine Inspiration für ihn seien, weil sie 2011 Weltmeister wurden – in Deutschland übri­gens. Der kanadische Verband machte einfach John Herdman zum Männertrainer, nachdem er zuvor als Frauennationalcoach so gute Arbeit geleistet hatte.

Und in den USA kommt der ehemalige Bundesligaprofi Gregg Berhalter an Orientierungspunkten mit den US-Girls gar nicht vorbei, weil deren Titelliste so lang ist. Der Verband bezahlt nach einer Klage inzwischen die gleichen Prämien an beide Teams.

Der DFB beschäftigt mit Martina Voss-Tecklenburg eine Bundestrainerin, die (fast) immer den richtigen Ton trifft. Doch als über Kandidaten für eine mögliche Flick-Nachfolge diskutiert wurde, fiel ihr Name nie. Bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland können die Frauen erneut beweisen, wer die wahren Vorbilder des deutschen Fußballs sind.

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