Mentalität, Qualität, DemutBayer 04 zeigt alle Eigenschaften einer echten Spitzenmannschaft

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Xabi Alonso und Thomas Müller beim Spiel am Freitag.

Xabi Alonso und Thomas Müller beim Spiel am Freitag.

Bayer 04 bleibt Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Dafür gibt es gute Gründe. Es könnte eine sehr erfolgreiche Saison werden.

Was die Analyse der vergangenen Saison bei Bayer 04 Leverkusen ergeben hat, war sehr schnell klar. Kein Wort benutzte Xabi Alonso in der Vorbereitung auf die aktuelle Spielzeit häufiger als Mentalität. Der Trainer hatte in seinem ersten Halbjahr bei Bayer 04 erkennen müssen, woran es der Mannschaft bei aller sportlichen Qualität mangelt. Diesen Mangel zu beheben, stand über allem bei der Planung auf die Saison 2023/2024. Das 2:2 beim FC Bayern München am Freitagabend nach zweimaligem Rückstand darf als Beleg dafür dienen, dass die Umsetzung erfolgreich voranschreitet.

Die Transferphase hatte beim Vorhaben der Stärkung von Willen und Gier innerhalb der Mannschaft entscheidende Bedeutung. Nach vier Ligapartien und einem Pokalspiel ist längst klar: Die Verpflichtungen der international erfahrenen Führungsspieler Granit Xhaka (30), Jonas Hofmann (31) und Alejandro Grimaldo (27) haben entscheidenden Einfluss darauf, dass die Werkself auch nach diesem Spieltag die Bundesliga-Tabelle anführt.

Am Freitagabend beim Vollgaskick in München waren es erneut diese drei Spieler, die dabei halfen, sich nicht dem vermeintlichen Schicksal einer Niederlage zu fügen - trotz zunächst schlechten Starts in die Partie und 1:2-Nackenschlags kurz vor Spielende.

Granit Xhaka ist Chef im Maschinenraum

Granit Xhaka war erneut Chef im Maschinenraum des Bayer-Spiels. Alejandro Grimaldo erzielte per Traum-Freistoß das 1:1. Und Jonas Hofmann glänzte erst als Entlastungsspieler, dem man in Drucksituationen jederzeit den Ball zuspielen konnte, dann als cleveres Schlitzohr, das im richtigen Moment Alphonso Davies dazu brachte, ihn elfmeterreif zu foulen.

„Es war ein großes Thema für uns, Mentalität zu entwickeln“, betonte Alonso abermals. „Das ist der Weg, wir brauchen große Mentalität. Wir haben in den schlechten Momenten in der Allianz-Arena gezeigt, dass wir zusammenbleiben. Ich bin stolz auf die Gemeinschaft der Spieler.“

Wie stark sich Leverkusen selbst fühlt, ist wohl am besten an der Aussage des am Freitag überragend parierenden Keepers Lukas Hradecky abzulesen: „Es ist mein achtes oder neuntes Spiel hier, überzeugender haben wir nie gespielt in München. Das war die beste Leistung, es war auch sehr kontrolliert. In der ersten Halbzeit haben sie sich sogar von uns nach hinten drücken lassen, vielleicht hatten sie sogar etwas Schiss vor uns.“

Victor Boniface und Florian Wirtz zeigen Klasse

Nach 15 Minuten, in denen quasi nur Bayern den Ball hatte, viel handlungsschneller war und folglich durch Harry Kane mit 1:0 in Führung ging (Alonso: „Da waren wir noch im Hotel“), befreite sich Leverkusen aus der Umklammerung und war plötzlich das dominante Team. Allein dieser Umkehrschwung spricht für die neue Reife der Werkself. Auch nach der Halbzeit hatte Leverkusen Möglichkeiten, das Spiel zu seinen Gunsten kippen zu lassen. Victor Boniface und Florian Wirtz zeigten mal wieder, dass sie in der Lage sind, Spiele zu entscheiden – allein: Sie taten es nicht, vergaben ihre Chancen. Doch auch das 2:1 durch Leon Goretzka nur vier Minuten vor Ablauf der regulären Spielzeit brachte Bayer 04 nicht aus dem Konzept. Exequiel Palacios verwandelte den Strafstoß sicher zum verdienten 2:2 in der Nachspielzeit.

Ist Bayer 04 damit Bayern-Jäger Nummer eins in dieser Saison? „Darauf habe ich keine schlaue Antwort“, sagte FCB-Coach Thomas Tuchel. „Es ist ein Marathonlauf. Leverkusen hat eine gute Mannschaft, das haben sie hier bewiesen. Es geht Schritt für Schritt, am Ende der Saison bekommt Leverkusen, was sie verdienen und wir bekommen, was wir verdienen. Es macht für mich gar keinen Sinn, über die Chancen von Leverkusen zu reden und zu philosophieren, weil ich es erstens nicht weiß und es mir zweitens nicht zusteht.“

Alonso, seine Führungsspieler und die Verantwortlichen sind ohnehin darauf bedacht, diese Diskussion im Keim zu ersticken. Jonas Hofmann trifft den Kern der aktuellen Situation, wenn er sagt: „Nach vier Spieltagen sind wir auf Augenhöhe. Aber die Bayern sind die Bayern. Sie haben große Qualität und große Konstanz. Das wird ein wichtiger Punkt für uns, das auch beizubehalten, wir müssen unsere Aufgaben erledigen. Jetzt gehen die Englischen Wochen los, das wird für viele anstrengend. Wir müssen klar im Kopf bleiben, uns immer wieder fokussieren, um immer wieder das Selbstbewusstsein mitzunehmen.“

Aus diesen Sätzen schwingt zweierlei mit. Erstens, das Vorhaben, mit Demut die kommenden Aufgaben nacheinander abzuarbeiten. Zweitens aber auch, die Ambition, den Bayern auch auf Strecke Paroli bieten zu wollen. Es redet keiner in Leverkusen von der Meisterschaft, aber man scheint sich bewusst zu sein, welches Potential in diesem Kader steckt, wenn der Kopf klar bleibt. Diese Mentalität will Alonso spüren und fördern.

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