Bayer 04 Leverkusen erlebt einen Höhenflug. Geschäftsführer Fernando Carro spricht über Xabi Alonso, Florian Wirtz und eine Gehalts-Obergrenze.
Interview mit Fernando Carro„Vielleicht müssen wir vielmehr über eine Verlängerung mit Florian Wirtz sprechen“
Herr Carro, 17 Pflichtspiele, 16 Siege, ein 2:2 beim FC Bayern in München - was macht das mit Ihnen?
Fernando Carro Das klingt hervorragend. 16 Siege in 17 Spielen, das ist schon Wahnsinn. Im Fußball gewinnt nicht immer die Mannschaft, die überlegen ist, es gehört auch Spielglück dazu, das wissen wir, aber wir sind gut drauf.
Können Sie das so richtig genießen?
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Es ist zweigeteilt. Ich genieße es, aber so ein Lauf erhöht auch die Erwartungen. Wir genießen, relaxen aber nicht, sondern bleiben wachsam. Wir versuchen, in der Euphorie auf dem Boden zu bleiben. Die Vergangenheit bringt im Fußball nichts, es geht immer um das nächste Spiel, das mag simpel und langweilig klingen, ist aber die Wahrheit.
Bayer 04 hat schon mehrfach einer guten Hinrunde eine schlechte folgen zu lassen. Warum wird das in dieser Saison nicht passieren?
Wenn wir bis zum Ende oben dabeibleiben wollen, müssen wir das jetzige Niveau halten. Das ist unser Anspruch.
Denken Sie manchmal darüber nach, wann die erste Niederlage kommen wird?
Die Spiele in Wolfsburg oder Hoffenheim waren sehr knapp. Es kann uns passieren, es kann aber auch den Bayern oder den anderen Verfolgern passieren. Wir müssen in jedem Spiel den vollen Fokus haben, sowie auf Unvorhersehbares reagieren können. Ich bin mir aber sicher: Die Mannschaft ist stabil, deshalb würde uns auch eine Niederlage nicht aus der Bahn werfen.
Der Klub lechzt nach einem Titel. Wie nehmen Sie diese Sehnsucht wahr?
Ich bin hier angetreten, um diese Sehnsucht zu stillen. Wir arbeiten an diesem Ziel. Ich habe aber mittlerweile auch gelernt, nicht mehr so viel darüber zu reden,
Sie sind in drei Wettbewerben dabei. Welchen Titel wollen sie am meisten?
Wenn ich es mir aussuchen könnte, will ich die Schale. Es ist der schwierigste Wettbewerb, weil du die meiste Konstanz benötigst. Ich habe schon oft gesagt und es ist meine persönliche Sicht: Die Historie schuldet Bayer Leverkusen eine Deutsche Meisterschaft. 2000 und 2002 waren erfolgreiche Jahre , die aber bitter geendet sind. Das habe ich immer im Kopf gehabt.
Auf dem Weg zu einem Erfolg könnte der Afrika-Cup im Januar und Februar mit fünf Abstellungen ein Hindernis sein.
Eines meiner Ziele in meinen Arbeitsgruppen bei der ECA und der UEFA ist, den internationalen Spielkalender zu verbessern. Dass der Afrika-Cup mitten in der Saison gespielt wird, kann nicht sein. Um das zu ändern, werde ich in die Auseinandersetzung mit der Fifa gehen. Wir lassen auch überprüfen, ob es rechtlich eine Chance gibt, die Spieler nicht abstellen zu müssen..
Halten Sie das für realistisch?
Realistisch ist das nicht. Und ich möchte grundsätzlich auch niemandem diesen Schritt verwehren. Ich wünsche selbstverständlich allen Spielern viel Erfolg, sollten sie zum Afrika-Cup fahren.
Müssen Sie deshalb im Winter neue Spieler verpflichten?
Wir haben uns im Sommer bereits mit Transfers darauf vorbereitet. Wir haben derzeit nichts geplant.
Sie sind seit 2018 im Klub. Was waren Ihre bisher wichtigsten Entscheidungen?
Der erste bedeutende Schritt war, Simon Rolfes als Sportdirektor einzusetzen. Das war die größte Stellschraube. Danach haben wir versucht, in allen Bereichen die Professionalität zu erhöhen - mit einer Mischung aus Menschen mit Bayer-04-Erfahrung und frischer Energie von außen. Wir haben auf allen Ebenen die Qualität erhöht. Nun haben wir auch dank der Unterstützung des Gesellschafterausschusses die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass diese Organisation sportlich noch erfolgreicher sein kann.
Was sind die drei wichtigsten Punkte für eine erfolgreiche Fußball-Organisation?
Gute Personal-Entscheidungen in einem professionellen Umfeld, eine starke internationale Marke und wirtschaftliches Wachstum. Am Ende ist der Erfolg auf dem Rasen eine Konsequenz dessen, was vorher passiert. Bei uns ist einer der ganzen wichtigen Punkte, dass wir eine klare Governance haben. Werner Wenning ist seit Jahren der Gesellschafterausschuss-Vorsitzende. Er hat mich geholt und ich habe versucht, zusammen mit Rudi Völler und Simon Rolfes an den oben genannten Punkten zu arbeiten.
Wie ist das Verhältnis zum CEO der Bayer AG, Bill Anderson?
Er war bei den vergangenen Heimspielen regelmäßig im Stadion, hat auch schon das Training besucht. Das freut mich. Ich glaube, ihm ist der immense globale Wert von Bayer 04 für den Konzern bewusst. Den Kontakt zu Bill Anderson hält aber natürlich Werner Wenning.
Hand aufs Herz: Sind Sie davon überzeugt, dass Xabi Alonso auch in der kommenden Saison noch Bayer-04-Trainer sein wird?
Ich bin davon überzeugt, dass sich Xabi Alonso sehr stark mit dem Verein identifiziert. Er hätte nicht schon vor der Saison verlängern müssen. Dass er es dennoch gemacht hat, war ein Zeichen der Verbundenheit mit Bayer Leverkusen. Ich weiß aber auch, wie das Fußballgeschäft läuft. Je erfolgreicher wir sind, desto größer werden die Begehrlichkeiten, ihn zu verpflichten.
Warum hat er denn verlängert?
Weil er sich hier wohlfühlt und uns das Bekenntnis zu Bayer 04 geben wollte. Seine Familie fühlt sich wohl, er fühlt sich wohl und er wollte nicht mit einem auslaufenden Vertrag in die Saison gehen.
Vertrag – bis 2027 – hat auch noch Florian Wirtz, der von allen Top-Klubs Europas umworben wird. Ist der kommende Sommer der Zeitpunkt für eine schmerzhafte, aber lukrative Trennung?
Ich bin davon überzeugt, dass er über 2024 bei uns bleibt. Vielleicht müssen wir nicht über einen Weggang, sondern vielmehr über eine weitere Verlängerung mit Florian Wirtz sprechen.
Das klingt interessant. Sind Sie etwa schon in Gesprächen?
Nein, wir sind ganz entspannt. Aber wir würden ihn gerne lange bei uns sehen. Er muss auch nirgendwo hin, wenn wir erfolgreich sind und um Titel mitspielen.
Sind Xabi Alonso und Florian Wirtz vielleicht auch noch jung genug, um auf den nächsten Schritt zu warten?
Bei ihrem Alter können Sie das, was sie noch vorhaben, auch in mittel- bis langfristiger Zukunft machen. Xabi kann noch mindestens 20 Jahre trainieren, und Flo kann noch weit über zehn Jahre Fußball spielen. Sie können also beide noch eine Weile bei uns bleiben – und müssen danach trotzdem nicht ihre Karrieren beenden.
Kommen wir zur DFL. Im Mai ist der Investoren-Antrag gescheitert. Wie ist die Stimmung mittlerweile innerhalb des Gremiums?
Es war große Verärgerung spürbar. Nicht so sehr über das Ergebnis, vielmehr über die Art und Weise. Wir hatten es aber offensichtlich auch nicht gut genug verkauft. Der Begriff Investor ist nicht gänzlich falsch, aber unglücklich. . Es ist vielmehr – jetzt auch bei den neuen Plänen – eine Vermarktungspartnerschaft. Wir geben ja keine Rechte über sportliche Entscheidungen ab, die bleiben bei der DFL. Es geht nur um eine Beteiligung an Vermarktungserlösen.
Kuschen manche Vereine auch vor ihren Fans?
Man muss die Kommunikation mit den Fans eben gut managen. Mit Verständnis, mit Einbezug, aber auch mit Klarheit. Ich habe direkt nach der vergangenen Sitzung ein Treffen mit unseren Fan-Vertretern, dem Kurvenrat. Ich habe skizziert, um was es bei dieser Vermarktungspartnerschaft geht.
Was erwarten Sie von ihren Kollegen bei einer neuerlichen Abstimmung im Dezember?
Es war frustrierend, dass es Enthaltungen gab. Das geht gar nicht. Und es war frustrierend, dass ein Antrag vom Präsidium einstimmig gestellt wurde und dann Leute, die diesen Antrag mitgestellt haben, plötzlich selbst dagegen gestimmt haben. Diese Doppel-Moral funktioniert nicht. Ich erwarte von professionell geführten Vereinen, dass die Vertreter in der Lage sind, ihre Gremien und Fans mitzunehmen. Das ist auch meine Erwartungshaltung für die Abstimmung am 11. Dezember.
Wie stehen Sie zum Verhältnis der 18 Erst- und 18 Zweitligaklubs?
Zweitliga-Klubs haben nicht die personellen Ressourcen, die Bundesliga-Klubs haben. Das ist ganz normal. Aber dann müssen wir uns in die Augen schauen: Sind wir in der Lage, dieses 36er-Bündnis zu halten? Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen.
Ist dann womöglich eine andere Stimmgewichtung eine Möglichkeit?
Darüber müssen wir offen reden. Meine Überzeugung ist: Die vier Erstliga-Gremienvertreter sollten durch die Bundesligisten gewählt werden.
Ist Solidarität unter den 36 Klubs überhaupt möglich, bei den unterschiedlichen Zielstellungen?
Es ist schwierig, aber es muss möglich sein, das unter einen Hut zu bekommen.
Was ist ihre Vision für die DFL?
Ich möchte, dass wir die Bundesliga international so positionieren, dass wir in der Vermarktung mittelfristig nicht 200 Millionen, sondern mindestens 500 Millionen erlösen. Da liegt am meisten Potential brach. Die Bundesliga-Vereine müssen dazu aber international präsenter und aktiver sein. Da sind uns die Engländer und Spanier weit voraus. Ich war zuletzt auf einem Kongress in Miami und habe dort für die Bundesliga geworben, im kommenden Jahr planen wir - wie schon 2022 - wieder eine Reise mit der Mannschaft nach Nordamerika. Die Idee ist, einen Teil des Geldes aus der DFL-Vermarktungspartnerschaft dafür zu verwenden, auch „kleineren“ Vereinen diese Reisen zu ermöglichen, ohne dass sie Verlust machen. Wir wollen also investieren, mehr Präsenz zeigen, Bekanntheit und Sympathien steigern, um dann höhere Gelder durch die Vermarktung zu generieren.
Wie soll dieses Geld dann am besten investiert werden?
Am Ende soll es in den Sport fließen. Es geht dabei nicht um den Wettbewerb in Deutschland, sondern mit anderen europäischen Mannschaften. Wir müssen international wettbewerbsfähig bleiben. Wenn unsere Topklubs das Wettbieten um Spieler gegen Aufsteiger in die Premier League verlieren, haben wir ein Problem.
Die DFL-Medienrechte für Deutschland werden Anfang 2024 für die vier Spielzeiten ab 2025/2026 neu ausgeschrieben. Werden es mehr als die derzeitigen 1,1 Milliarden Euro pro Saison?
Das wünsche ich mir und ich halte es auch für realistisch.
Warum?
Die Bundesliga ist ein sehr attraktives Produkt. Die Stadien sind voll, die Atmosphäre an vielen Stellen einzigartig, die Infrastruktur ist hervorragend, und einiges spricht dafür, dass auch der sportliche Wettbewerb wieder passt. . Wir sind dabei, die Leistungen im Bereich TV-Erlebnis und Content für die Partner weiter zu verbessern. Warum sollten wir also weniger generieren? Einige Partner können sich obendrein gar nicht erlauben, die Bundesliga nicht mehr im Portfolio zu haben.
Sind Sie für oder gegen die No-Single-Buyer-Rule, die von Fans wegen der unterschiedlichen Abos strikt abgelehnt wird?
Es würde den Wettbewerb erhöhen, wenn sie fällt. Ob wir die Rechte am Ende dann auch nur an einen Partner geben, ist damit aber nicht entschieden. Das liegt dann in unserer Hand.
Sie sitzen in der ECA, im UEFA Club Competitions Comitee und sind nun auch im Aufsichtsrat des UCC SA, in dem es um die Entwicklung der Klubwettbewerbe geht, was sind ihre Ziele?
Ich vertrete in allen diesen Gremien nicht mich alleine oder Bayer 04 Leverkusen, sondern die Bundesliga. Es gibt viele Aufgaben: Optimierung des Match-Kalenders, Erhöhung der Einnahmen, aber auch das Thema Gehaltsobergrenze für Spieler, mit einer absoluten Zahl, nicht nur prozentual. Daran arbeiten wir. Eigentlich bin ich ein liberaler Mensch, aber im Fußball geht die Spirale dermaßen nach oben, dass ein Salary Cap notwendig ist.
Ist das wirklich durchsetzbar?
Es wird diskutiert – auch schon mit der Uefa. Es ist nicht einfach, weil es nicht alle wollen. Aber ich sehe die Chance bei 50/50, dass eine Grenze in den nächsten zwei Jahren kommt.
Thema Super League: Erwarten Sie in naher Zukunft einen neuen Vorstoß?
Den kann es durchaus geben, aber die Super League ist tot. Und sie wird auch tot bleiben. Es gibt nicht genug Klubs, die dieser Idee folgen. Real Madrid und Barcelona sind alleine mit ihrem Gedanken. Ein Luftschloss, weil sie nicht genügend Mitstreiter für einen Wettbewerb finden werden.